Einträge von Wigmar Bressel

Dornburger Schlösser – dort begann die moderne Manufaktur-Keramik

Dornburg. Vor drei Jahren hörte ich in der ‚Klappholttal – Akademie am Meer‘ auf Sylt während eines Urlaubsaufenthalts den Vortrag des bedeutenden deutschen Architekturkritikers Dankwart Guratzsch (‚Die Welt‘) zu ‚100 Jahre Bauhaus‘. Guratzsch verblüffte die Gäste mit einem Eröffnungsbild: Dies zeigte keineswegs die berühmten Schuhkartons aus Dessau in Glas und Weiß – sondern ein den Meisten unbekanntes Gebäude; natürlich das des ersten ‚Bauhauses‘ aus Weimar, des von Henry van de Velde entworfenen und errichteten Ateliergebäudes (1904 – 1911) der ‚Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar‘, die durch ihre Fusion im Jahr 1919 mit Walter Gropius‘ ‚Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar‘ sich zum ‚Bauhaus‘ wandelte: Kunstgewerbe und Kunst vereint. Eine Idee, die dreizehn Jahre hielt – dann wurde das Bauhaus – über Dessau nach Berlin immer weiterverzogen – von den Nationalsozialisten verboten.

Noch weniger ‚form follows function‘ (ein berühmter Spruch des 3. Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe im US-amerikanischen Exil), als die Gebäude in Weimar, bietet das liebliche Gebäude der ersten Keramikwerkstatt (1920 – 1925) des Bauhauses: der Marstall der Schlösser in Dornburg. In dieser Orgie aus Rosa und Cremegelb, durch Gärten mit den drei Schlössern verbunden – darunter genau gegenüber dem Eingang das Jagd- und Lustschloss – steckten die Wurzeln der späteren ‚Neuen Sachlichkeit‘ und die Basis unserer heutigen Keramik von KPM-Porzellan bis Hedwig Bollhagen, teilweise auch Meissen und Schwarzburger Werkstätten. Der erste Leiter der Keramikwerkstatt wurde der Berliner Gerhard Marcks (1889 – 1981); dieser ist heute vor 41 Jahren gestorben.

Die Leinenweberei Seegers & Sohn – vom Aufbruch in die Zukunft

Steinhude. Eigentlich sollten Manufakturen ‚resilient‘ gegen globale Krisen sein: Sie produzieren vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt, beliefern genauso Händler wie Endverbraucher vorrangig auf regionalen und nationalen Märkten, reparieren die Produkte, die nach Jahren defekt oder beschädigt zurück ins Werk kommen, können meistens noch Ur-Formen aus ihrer Gründungszeit nachfertigen. Sie produzieren ethisch unter Einbeziehung ihrer lokalen Anwohner, den Auflagen der Gewerbeaufsicht und zahlen ortsübliche, dem jeweiligen Landes- oder EU-Recht unterliegende Gehälter. Klar, sie sind nicht gegen Energiepreis-Entwicklungen durch Kriege wie in der Ukraine gefeit und müssen sich auch den Notwendigkeiten steigender Umwelt- und Gesundheitsschutz-Auflagen stellen… Gerade bedrücken die schlechten Nachrichten aus der sächsischen Leinenweberei Hoffmann in Neukirch/Lausitz – da flattert über Instagram die Einladung zu den ‚Tagen der offenen Tür‘ bei Hoffmanns Mitbewerber, der Leinenweberei Seegers & Sohn aus Steinhude am gleichnamigen „Meer“, aufs Smartphone. Eine willkommene Einladung, nachzuschauen, was die älteste deutsche Leinenweberei (gegründet im Jahr 1765) anders macht…

Die Leinenweberei Hoffmann muss hoffen

Aus der Lausitz – da, wo demnächst die letzten Braunkohletagebaue in Badeseen umgewandelt werden, kommen auch schlechte Nachrichten. Dort, wo die europäische Manufakturen-Entwicklung begann, als im 17. Jahrhundert sogenannte ‚Verleger‘ Tuchproduktionen im großen Stil in Auftrag gaben und von Heimarbeitern und Handwerksbetrieben mithilfe der Dampfmaschine eben die ersten Manufakturen gegründet wurden, meldete im Frühsommer ausgerechnet der älteste dort noch existierende Leinen-Weber, die Leinenweberei Hoffmann in Neukirch, Insolvenz an. „Die Aussichten waren schlecht, es drohte die Zahlungsunfähigkeit“, sagt Geschäftsführer Reinhard Ruta, der seit 14 Jahren den Betrieb leitet.

Der Manufakturen-Blog auf Istagram II – 1250 Abonnenten und ihre zehn beliebtesten Bilder

Seit sieben Jahren postet der Manufakturen-Blog auch auf Instagram – manchmal täglich, manchmal wöchentlich, manchmal mit Urlaubspause. Trotzdem sind die Abonnenten-Zahlen des ‚Kanals‘ @manufakturenblog kontinuierlich angestiegen: um 180 im Jahr. Inzwischen lassen sich 1250 Menschen Fotos aus dem Blog dort zeigen. Und – welche Themen-Fotos fanden diese in den sieben Jahren am Interessantesten, welche wurden mehr als hundertmal ‚gelikt‘? Hier die TOP 10 unserer ‚Follower‘ aus 471 Fotos…

‚Tini‘ ist eine der Letzten ihrer Art – diese überlebende Vase von Weimar-Porzellan hat jetzt ihren eigenen Projektraum in Hamburg

Das Projekt kam aus Bauch und Herz, erscheint sicherlich den meisten Menschen verrückt – und unverständlich allemal. Die Hamburger Fotografin Susanne Katzenberg hat ihrer Spontanverliebtheit – in eine Vase aus den 1960er Jahren von Weimar-Porzellan (1790 – 2018) aus dem thüringischen Blankenhain – wieder Leben eingehaucht und einen Projektraum in Hamburg-Altona eingerichtet; gemeinsam mit ihm wurde am Samstag die neue Künstler-Edition der Vase von Krashkid vorgestellt.

Zum 275. Geburtstag der Porzellanmanufaktur Fürstenberg

Die älteste norddeutsche Manufaktur feiert in diesem Jahr ihren 275. Geburtstag: die Porzellanmanufaktur Fürstenberg in Fürstenberg oberhalb der Weser bei Höxter. Einst im Jahr 1747 auf Betreiben von Karl dem Ersten, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, gegründet, um das Fürstentum zu modernisieren, ist die Manufaktur heute sowohl ein staatlich-niedersächsisches Kulturgut, als auch ein Name und eine feste Marke auf der ganzen Welt für herausragendes deutsches Manufaktur-Porzellan. Zu Besuch am Tag der offenen Tür.

Eckard Christiani: „Ist die Art und Weise, wie wir leben, die richtige?“

Berlin. Er glaubt an das Nachhaltigkeits-Thema Manufaktur. Entwickelte eine Konzeption für eine eigene Manufakturen-Zeitschrift, fertigte einen Prototypen, reiste auf der Suche nach Partnern durch die Republik – aber der Mut der Manufakteure war nicht da. Jetzt ist Eckard Christiani von der Werbeagentur Quintessense mit seinem neuen Projekt unterwegs: der Bücherreihe ‚Morgen – wie wir leben wollen‘. Bücher mit den Schwerpunkten Ernährung, Wohnen, Gesundheit, Medien, Mobilität, Digitalisierung, in denen er eine Vielzahl von Interviews abdruckt, die er unter der Überschrift Nachhaltigkeit und Zukunft geführt hat – mit Fachleuten, Politikern und Prominenten. Und einem Jeden von uns steht die Möglichkeit offen, diese Bücher zu kaufen und die Ideen und das Wissen verbreiten zu helfen. Zeit für ein Gespräch.

Vom inneren Wert der Keramik

Leipzig. Wer Porzellan sagt – muss eigentlich auch Keramik sagen. Denn viel früher als die Porzellan-Bewegung in Europa mit der Erfindung des ‚Weißen Goldes‘ durch Johann Friedrich Böttger im 18. Jahrhundert, schon Jahrtausende vor der Gründung der berühmten europäischen Porzellanmanufakturen, hatten Menschen mit dem Brennen von Ton begonnen: Mit der Sesshaftwerdung des Menschen weitete sich der Bedarf an Aufbewahrung aus – und so gelten Tonscherben als das Zeugnis für menschliche Siedlung schlechthin. Und wie steht es heute um die Keramik? Ein Blick auf Instagram zeigt: So manche Keramikerin und so mancher Keramiker hat viel mehr Follower, als die berühmten Porzellanmanufakturen. Aber bildet das auch die Wirklichkeit ab? Verdient man mit Keramik Geld? Geht handwerkliche Keramik – in Deutschland? Ich treffe mich mit der bekannten Keramikmeisterin Franziska M. Köllner in Leipzig.

Ein Besuch im Independent-Porzellan – ein Besuch bei Claudia Schoemig

Okay. Ich habe die wundervollen Arbeiten von Claudia Schoemig schon länger auf Instagram beobachtet. Ich will nicht sagen, dass ich ihre Arbeiten gestalkt habe – aber doch ihren Instagram-Kanal abonniert. Das besondere ihres Gebrauchsporzellans ist der Mix aus Biskuit und Glasur in sehr feinen Harmonien. Ich war zu Besuch auf der ‚Ambiente 2020‘ in Frankfurt am Main (der letzten vor dem wiederholten Aus durch die Pandemie) – und da wurde sie als eine Art ‚Nachwuchskünstlerin‘ protegiert, was natürlich komplett absurd ist, denn die Fränkin in Berlin ist seit einigen Jahren einer der strahlenden Sterne am Independent-Porzellanhimmel. Ich habe sie an ihrem Stand besucht – und beschlossen, dass ich sie aus Sympathie für ihre überlegte Art und Begeisterung für das schöne handgedrehte Serien-Geschirr in ihrer Werkstatt mit Showroom im Prenzlauer Berg aufsuchen muss. Das habe ich dann auch ein Jahr später getan, gerade von der KPM, dem Berliner Platzhirschen für Manufaktur-Porzellan, kommend.