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Unterstützung der Rettungsaktion für die Höchster Porzellanmanufaktur durch Stadt und Land läuft

25. Februar 2018, Frankfurt. Die schlechte Nachricht kam mit einem Anruf der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 22. Januar – wie „der Verband Deutsche Manufakturen die Insolvenz der Höchster Porzellanmanufaktur“ kommentiert. Die gute Nachricht: Stadt Frankfurt und Land Hessen sind sich ihrer Verantwortung inzwischen bewusst, sind für den Erhalt ‚ihrer‘ Porzellanmanufaktur aktiv geworden. Gesucht wird jedoch noch ein strategischer Partner für die Manufaktur, der der langjährigen früheren ‚Abteilung‘ des Chemieriesen Hoechst und der Dresdner Bank, Marktzugänge außerhalb des deutschen Einzelhandels und B2B-Geschäfts ebnet.

Die Situation im deutschen Manufakturporzellan ist übersichtlich und bekannt: Meißen (seit zwei Jahren wegen Internationalität umbenannt in: Meissen) mit ca. 400 Beschäftigten gehört dem Land Sachsen, Fürstenberg mit 120 Beschäftigten dem Land Niedersachsen, die KPM des Landes Berlin mit ca. 170 Mitarbeitern wurde vor zehn Jahren an den Mäzen Jörg Woltmann privatisiert; und dann eben noch Höchst. Vor 272 Jahren gegründet als kurfürstlich-mainzische Porzellanmanufaktur, wurde sie damals als strukturpolitische Maßnahme an der östlichen Grenze des Mainzer Reiches angesiedelt. Die Geschichte war von Umzügen nach Bonn und Passau geprägt – schlussendlich landete die Manufaktur nach dem zweiten Weltkrieg wieder in Höchst. Die Farbwerke Hoechst engagierten sich fast vierzig Jahre für den Betrieb. Dann gingen die Anteile an die Investitionsbank Hessen – und von dieser nach und nach an den heutigen geschäftsführenden Gesellschafter Jörg Köster. Dieser akquirierte einen eher stillen Geschäftspartner, verpasste der Manufaktur einen radikalen Modernitätsschub in Formensprache und Design – eigentlich alles gut und ein überschaubares Risiko bei 13 Beschäftigten;

Manufakturen-Blog: Vase Oterma aus Porzellan und Glas aus der Edition Asteroide von fideler + raasch für Höchst (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Vase Oterma aus Porzellan und Glas aus der Edition Asteroide von fideler + raasch für Höchst

aber dann kamen verschärfte Compliance-Regeln bei den meisten Firmenkunden, das Firmenkundengeschäft brach zusammen – und im Einzelhandel waren die Höchster aus der früheren Konzernpolitik heraus nicht besonders engagiert. Nun lief die Zeit auf einmal schneller… dann meldete der Partner, dass er die Wachstumsstrategie aus geplantem Flagshipstore am Alten Markt und Chinageschäft mit sofortiger Wirkung nicht weiterfinanzieren könne – Insolvenz wegen Liquiditätsproblemen.

Unter der Überschrift „Kulturgut verkümmert in der Nische“ widmete die FAZ am 23. Januar 2018 dem Problem einen großen Artikel – Untertitel: „Seit Jahren schon kämpft die Porzellanmanufaktur aus Höchst um bessere Verkäufe. Nun soll es ein Investor mit langem Arm richten. Der Manufakturen-Verband deutet aber auch auf die Stadt.“ Und deshalb muss man Rhein-Main-Redakteur Thorsten Winter auch dankbar sein, weil er die richtige Stoßrichtung seines Artikels setzt. Er endet mit folgendem Absatz: „Verbandschef Bressel hat auch die Kommune im Blick. Die Stadt Frankfurt solle sich fragen, was sie für sich aus der Tatsache ziehen könne, eine traditionsreiche Manufaktur am Ort zu haben: ‚Dieses Kulturgut müssen wir erhalten.“

Manufakturen-Blog: Veit Streitenbergs 'falling vases' - eine klassische Höchst-Vase 'stürzt' in eine geometrische Form (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Veit Streitenbergs ‚falling vases‘ – eine klassische Höchst-Vase ’stürzt‘ in eine geometrische Form

In Frankfurt war gerade Oberbürgermeister-Wahlkampf. Und so lud Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) Unternehmer in die Manufaktur ein, warb für eine Beteiligung am Unternehmen und für den Porzellankauf, kündigte an, die Miete für die kommunale Manufakturimmobilie zu stunden sowie Porzellan für die Stadt im Wert von EUR 25 000 anzukaufen. Das Land setzte einen drauf. Kultusminister Boris Rhein (CDU) lud einen Tag später ebenfalls in die Manufaktur – mit einem erheblichen spontanen Porzellanverkaufserfolg oberhalb von EUR 200 000. Das sind super Ergebnisse, für die das Unternehmen der Politik nicht dankbar genug sein kann!

Und: Die Bruttozahlen liegen schon ziemlich nah an der tatsächlichen Verschuldung des Unternehmens – jedoch darf man die Unternehmensweiterentwicklung nicht außer Acht lassen. Jörg Köster, der Höchster Porzellan jetzt 17 Jahre geleitet hat, sieht für sein Invest- und Zukunftsprogramm einen Betrag in Höhe von EUR 750 000, um zunächst einmal drei Jahre weiterzukommen. Das ist eigentlich übersichtlich und sollte doch zu schaffen sein…

Fotos: Höchster Porzellanmanufaktur

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Manufakturen-Blog: Windlichter 'im Fluss' - mehrschichtig aufgebautes Porzellan aus der Edition Pia Sommerlad (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Windlichter ‚im Fluss‘ – mehrschichtig aufgebautes Porzellan aus der Edition Pia Sommerlad

Frankfurter Allgemeine reiht „Manufaktur“ unter ihre Unworte des Jahres 2016

5. Februar 2016, Frankfurt am Main. Erst hüh, nun hott. Im Sommer des Jahres 2010 machte die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit einer mehr als zwanzigteiligen Serie unter der Verantwortung der Redakteurin Julia Löhr über das Erstarken der Manufakturen auf sich aufmerksam („Deutsche Manufakturen“), berichtete sogar im ersten Teil von der Gründung des Verbandes Deutsche Manufakturen e. V. in Bremen. Jetzt die 180-Grad-Wende: Löhrs Kollegin Karin Truscheit schreibt am 2. Januar 2016, warum „Manufaktur“ nun in der FAZ zum Unwort erklärt wird: „Das Wort Manufaktur wird inflationär gebraucht.“

Auf 34 Zeilen regt sich die Autorin darüber auf, dass der Preis für das Eis aus der fälschlicherweise sich selbst „Eismanufaktur“ nennenden Eisdiele „um die Ecke“ aus ihrer Sicht „reine Willkür“ sei – Erdbeereis sogar 50 Cent teurer als Mango. Donnerwetter! Und das nur, weil Erdbeereis aus natürlichen Zutaten nunmal teurer herzustellen ist, als Mangoeis?

Harje Kaemena, Geschäftsführer des Bio-Eis-Pioniers „Snuten Lekker“ aus dem Bremer Blockland: „Bio-Erdbeeren kommen bei uns aus Deutschland. Die werden einzeln gepflückt. Das kostet. Mangos kommen auch als Bio-Ware schon püriert aus Billiglohn-Ländern. Das macht die Mango im Eis viel billiger, als die Erdbeere im Eis. Das führt zu Preisunterschieden.“

Und so könnte man die FAZ immer weiter widerlegen: bei den kritisierten Hemden-Manufakturen (da gibt es ja nun mal nur „Campe & Ohff“ aus Lauterbach und „Müller“ aus Hof), bei den angeblichen Pfeifen-Manufakturen (da gibt es nur eine, nämlich „Vauen“ aus Nürnberg) – diese tragen die Bezeichnung mit Fug und Recht.

Nee, da springt die FAZ verdammt kurz, ehrlichgesagt: enttäuschend zu kurz.

Die missbräuchliche Nutzung des Manufaktur-Begriffs durch Kunsthandwerker, Handwerker, Dienstleister und Hobby-Enthusiasten darf ja durchaus als Verbrauchertäuschung angeprangert werden. Aber auch nur dafür. Denn ansonsten beschreibt der Begriff ‚Manufaktur‘ eine Produktionsform – neutral und sinnvoll wie ‚Handwerk‘ oder ‚Industrie‘. Für die Einordnung bedarf es immer der Bildung und Recherche des Journalisten, der ja die Verantwortung dafür trägt, was er im Einzelfall so schreibt. Letzten Endes adeln Journalisten  auch häufig den Handwerker fahrlässig zur Manufaktur.

Frau Truscheit ist mir ansonsten unbekannt, über ihren Rechercheaufwand für ihren kleinen Beitrag kann ich nichts sagen. Sagen kann ich aber: Ihr Text passt nicht zu ihrer Anklage, der Überschrift. Da ihre Beispiele diese nicht belegen und schon gar nicht stützen.

Als wäre die Zeitung ihr privater Blog, stützt sie die Unwort-Anklage leider vor allem nur mit ihrer ganz persönlichen Meinung und stützt darauf auch ihre ganz persönliche Hoffnung – original Truscheit: „Gut, im Sinne von ‚herausragend‘ sind auf jeden Fall immer die Preise in den Manufakturen. Und manchmal passt auch die Qualität zum Preis. Wenn das nicht so ist, kann man nur hoffen, dass sich die Geschichte wiederholt und die Manufaktur bald wieder von der Fabrik abgelöst wird.“

Wie gut, dass auch die FAZ von gestern so gut zum Fischeinwickeln ist – oder im Altpapier landet. Schade, FAZ – echt underperformt.

Foto: Wigmar Bressel

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