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„Es geht um uns selbst“ – Julia Francesca Meuter im Gespräch über ihr Buch ‚Vom Wert der Dinge‘

30. März 2019, Bremen. Im März 2019 erschien im Verlag Deutsche Manufakturen e. V. das Buch zur Masterarbeit von Julia Francesca Meuter: ‚Vom Wert der Dinge‘.

Meuter, Jahrgang 1992, ist in Neapel als Kind deutscher Eltern geboren und aufgewachsen, hat in Florenz den ersten Teil ihres Studiums (Bachelor in Industrie-Design) absolviert, den zweiten Teil in Bremen an der Hochschule für Künste (Master in Integriertes Design). In dieser Arbeit beschäftigte sie sich mit Manufakturen. Die Buchgestaltung war Teil der Masterarbeit.

Wigmar Bressel: Frau Meuter, sind sie durch Ihre Beschäftigung mit Manufakturen schlauer über diese und den ‚Wert der Dinge‘ geworden?

Julia Meuter: Über Manufakturen auf jeden Fall. Meine Vorstellung von Manufakturen entstammte dem, was ich von Manufactum her kannte: eine Welt von Produkten aus Holz oder Naturbelassenem – es ging eben mehr in Richtung Handwerk, als größere Produktionen, die größer als Dinge aus dem Handwerk sind. Es hat mir geholfen einen Einblick zu bekommen, den Begriff auch für mich zu definieren und zu beschreiben.

Wo liegt denn für sie die Bedeutung von Manufakturen und manufakturartigen Betrieben?

Das „Manufakturartige“ ist ja ein bisschen das Problem. Ich habe verstanden, dass es eine Grenze gibt, die der Manufaktur-Begriff umschreibt, sowie eine gewisse Art von Produkten und Ansprüche, die an diese Produkte gestellt werden. Und bei vielen Produkten kann man feststellen, dass das Etikett „Manufakturprodukt“ nur als Marketingbegriff verwendet wird – das Produkt dem jedoch nicht entspricht.

Haben Manufakturen ihrer Meinung nach Zukunft?

Ja. Ich glaube ja. In Anbetracht einer größeren Veränderung unserer Gewohnheiten und unserem Kaufverhalten, in unseren Bedürfnissen auch. Ich glaube, dass Manufakturen in unserer Gesellschaft zukünftig eine große Rolle spielen können. Wenn wir uns darauf einlassen, unseren Konsum etwas zu beschränken, dann können die Produkte, die Manufakturen anbieten, Teil dieser Veränderung sein. Deswegen noch einmal: ja.

Was hat sie im Rahmen ihrer Recherche am Meisten überrascht?

Da ich mich sehr für Entwicklungsprozesse interessiere, fand ich den historischen Hintergrund sehr interessant, aus dem heraus es zur Gründung von Manufakturen kam, die Begriffsentwicklung, wirtschaftliche und soziale Prozesse, die eine Rolle spielten. Außerdem überraschte mich die große Anzahl an unterschiedlichen Bereichen, in denen es Manufakturen gibt. Welche Vielfalt an Produkten hergestellt wird, die alle gebraucht werden. Es hat mich bereichert, darin Einblicke gewährt zu bekommen.

Glauben sie, dass sie selbst einmal in einer Manufaktur arbeiten werden?

Das könnte ich mir vorstellen. Wie sieht die Manufaktur der Zukunft aus? Wie kann man Veränderungen bei Produkten und im Auftritt gestalten? Die Mitarbeit an diesem Prozess fände ich spannend.

Führt sie ihr Weg jetzt zurück nach Italien? Oder bleiben sie in Deutschland? Oder ist es ihnen im Prinzip egal, wo sie arbeiten werden?

Ja, ich würde schon gerne zurück nach Italien. Aber nach vier Jahren in Bremen fühle ich mich hier auch ein bisschen zuhause. Meine Heimatstadt Neapel ist natürlich ein bisschen größer – aber ich muss zugeben, dass ich mich da auch vor allem in meinen Kreisen bewege, und weniger ein Großstadtgefühl habe. Neapel ist trotz der vielen Einwohner auch ein bisschen dörflich.

Was hält sie denn davon ab, jetzt die Werkstatt von Franco und Maria – zwei der Protagonisten ihres Buches – zu übernehmen?

Deren Werkstatt ist ja hauptsächlich handwerklich ausgelegt. Auch wenn ich es interessant finde, was sie machen, ist es nicht wirklich etwas für mich. Ich bin kein Künstler oder Kunsthandwerker. Ich bin Gestalterin. Vermutlich würde mich das rein Handwerkliche nicht erfüllen.

Aber es gibt ja viele Gestalter – ich denke zum Beispiel an Stefanie Hering aus Berlin, die ihr Porzellan ja auch ‚nur‘ entwirft und dann zum Beispiel von der Porzellanmanufaktur Reichenbach in Thüringen fertigen lässt. Es gibt viele Beispiele, in denen am Anfang der Unternehmensgründung ein Designer stand – der am Ende einen großen Fertigungsbetrieb hatte. Zum Beispiel Bernd T. Dibbern von der gleichnamigen Manufaktur. Sie sind gestartet mit einer Idee für Möbel oder Porzellan oder Glas – am Ende hat es ihnen keiner so hergestellt, wie sie es genau wollten. Dann haben sie es eben selbst gemacht – notgedrungen.

Manufakturen-Blog: Buchtitel 'Vom Wert der Dinge' (Grafik: Julia Francesca Meuter)

Buchtitel ‚Vom Wert der Dinge‘ (Grafik: Julia Francesca Meuter)

Ja, das stimmt. Ich bin jedoch auch kein Produktdesigner. Ich habe so zwar mal in Florenz mein Studium begonnen – aber ich mache gerne grafische Gestaltung und ich interessiere mich für breitere Prozesse, als nur für das Endprodukt an sich. Ich interessiere mich dafür, wie ein Produkt soziale oder menschliche Beziehungen verändern kann. Wie Manufakturen ein Teil einer anderen wirtschaftlichen Entwicklung sein könnten. Wie die Gesamtsumme der Prozesse unsere Entwicklung beeinflussen kann.

Aber die Frage ist dann ja: Wer ist ihr Auftraggeber? Wer hat daran ein Interesse? Wie kann man das einbringen – und zu welchem Zweck will man es einbringen?

Überall da, wo es Entscheidungsprozesse gibt, wo es Entwicklungsprozesse gibt, wo es Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Es geht ein Stück weit um den öffentlichen Raum, der gestaltet werden muss – und da reichen eben Architekten nicht aus, sondern es bedarf Kulturwissens und vieler Wissensrichtungen, damit ein Umbau oder ein Neubau nicht floppt. Dafür werden wir heute ausgebildet.

In ihrem Buch stellen sie ja die These auf, dass wir unsere Gesellschaften ohne große Verluste in unserem Konsumverhalten wandeln könnten. Jedoch haben Menschenmassen und Gruppen oft keine Lust sich zu wandeln. Sie leben so vor sich hin, wie sie es kennen. Was denken sie: Wird das ein Kampf, eine Überzeugungsleistung – oder ist das eine Einsicht, die eigentlich schon da ist und unter dem bisherigen Verhalten schlummert und nur geweckt werden will? Ich meine: Konsumkritik gab es ja schon immer.

Genau – Konsumkritik gab es schon immer. Leute, die dafür warben, dass man nicht so viel oder überhaupt nicht fliegt, dass man Müll trennt, Plastik wiederverwertet. Wir scheinen mir inzwischen einen Schritt weiter. Es gibt ja diese Schülerbewegung ‚Fridays for Future‘, die europaweit für Veränderungen in der Klimapolitik demonstriert. Es scheint immer mehr Menschen unvermeidbar, dass sich etwas ändern muss. Und dass es uns einzelnen Menschen obliegt, zu entscheiden, wen wir an die Macht wählen.

Ich habe jetzt vor einigen Wochen beschlossen, keine Bananen und keine Mangos mehr zu kaufen, weil der Frachtweg zu weit ist. Es gibt andere Obst- und Gemüsesorten, die mehr Kalium als Bananen haben und näher angebaut werden – das kann man für sich ja einmal ausprobieren. Auch kleine Entscheidungen machen einen Unterschied.

In der Zeitschrift ‚National Geografic‘ stand, es ginge ja nicht darum, die Welt zu retten – sondern diese für uns. Es geht um uns selbst. Wenn die Meeresspiegel immer weiter steigen, dann ist es nicht nur für die Küstenstädte, sondern ziemlich schnell für uns alle ein Problem.

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Julia Francesca Meuter: Vom Wert der Dinge

190 Seiten, 94 Fotos

ISBN 978-3-9814732-4-7

EUR 22,00

Foto: privat

Grafik: Julia Francesca Meuter

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Der Verband Deutsche Manufakturen stellt die neue Begriffsdefinition ‚Manufaktur‘ vor

21. Oktober 2017, Bremen. Schon lange schwelt die Frage, wie der Begriff ‚Manufaktur‘ für heutige Unternehmen definiert werden kann – zeitgemäß, anwendbar, authentisch und überprüfbar. Nicht als bloße werbliche Idee und Verbrauchertäuschung. Klar ist: Der Begriff macht nur Sinn, wenn er nicht Synonym mit Handwerk ist. Er macht nur Sinn, wenn die Unternehmen, die ihn für sich verwenden, auch unterscheidbar von Unternehmen sind, die in der gleichen Branche tätig sind – aber eben anders, eben nicht als ‚Manufaktur‘. Der Verband Deutsche Manufakturen e. V. hat in einem umfangreichen Abstimmungsprozess den Begriff ‚Manufaktur‘ neu definiert.

Zur leichteren Auffindung wurde für die Definition eine eigene Mikroseite eingerichtet. Auf dieser können sich Unternehmen zu dieser Verwendung des Manufaktur-Begriffs bekennen und dessen Verwendung als Subskribent unterstützen.

Durch die Veröffentlichung soll auch überprüft werden, ob die Definition ‚allumfassend‘ ist – Manufaktur-Unternehmer und Öffentlichkeit sind herzlich eingeladen, sich mit ihr zu beschäftigen und gegebenenfalls Veränderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu machen.

Bewusst wurde auf das Adjektiv ‚Deutsche‘ verzichtet, da der Begriff ‚Manufaktur‘ zwar eine besondere Produktions- und Organisationsform beschreibt, aber nicht an besondere Länder gebunden ist – Manufakturen gibt es auf der ganzen Welt.

Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘

1. Die Manufaktur ist ein Vollproduktionsbetrieb von Konsumgütern, technischen Gütern oder Lebensmitteln – in jedem Fall physischen Produkten.

2. In Abgrenzung zu Handwerksbetrieben fertigt die Manufaktur Produkte in Serien, d. h. diese sind über einen längeren Zeitraum und mehrfach beziehbar. Sie ergeben ein Sortiment dieses Herstellers. Die Produkte der Manufaktur zeichnen sich durch eine hohe Fertigungstiefe aus – in der Regel vom Rohstoff den gesamten Produktionsweg zum fertigen Produkt unter einem Dach für den Handel oder Auftraggeber; die Manufaktur ist im Kerngeschäft weder Zulieferbetrieb von Halbfertigteilen für die Industrie noch reiner Dienstleister, der nur nach Kundenauftrag fertigt oder nur kundenspezifizierte Produkte herstellt.

3. In der Produktion der Manufaktur entscheidet der Mensch über die Fertigstellung der einzelnen Arbeitsschritte; verfolgt wird das Ziel der Perfektion des Produkts, über die der Mensch entscheidet. Im Gegensatz zur Industrie, in der die Vorgaben durch den industriellen Zeittakt das Arbeiten prägt und es um das Erreichen einer preis-optimalen Relativ-Perfektion eines unbedingten Massen-Produkts geht. Die Handarbeit bzw. der Anteil des Menschen an der Produktion nimmt in der manufakturellen Fertigung einen hohen Anteil ein. Der Einsatz von Maschinen ist in einer Manufaktur seit je her gebräuchlich und wird auch für eine moderne Manufaktur in Zukunft unumgänglich bleiben, dies schließt aber eine Vollautomation allgemein gesehen aus.

4. Die Manufaktur zeichnet sich dadurch aus, dass in ihrer Produktion verschiedene Gewerke – also mehrere Mitarbeiter mit unterschiedlichen Berufsausbildungen – zusammenarbeiten, damit die Produkte hergestellt werden können. Die Manufaktur verfügt in Abgrenzung zum Kunsthandwerker über mehrere Mitarbeiter, in der Regel mehr als fünf.

Diskussionsstand: 2. Mai 2017

Der Diskussionsstand vom 2. Mai 2017 ist auch der, der auf dem 9. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen in Fürstenberg besprochen und diskutiert wurde – er wurde seitdem nicht mehr verändert.

Links zum Thema ‚Manufaktur-Definition‘:

Mikroseite mit der Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘ des Verbandes Deutsche Manufakturen

Wikipedia

Gabler Wirtschaftslexikon

Duden

Foto: Benzinger Uhrenunikate

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Sie haben eine Idee, sehen noch eine Präzisierungsmöglichkeit oder möchten eine Idee zur Diskussion beitragen? Bitte gehen Sie über die Mikroseite und verwenden Sie die angegebene eMail-Adresse oder tragen Sie ihren Kommentar hier auf dieser Seite ‚öffentlich‘ vor

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RAL versucht sich am Begriff ‚Manufaktur‘

18. Oktober 2017, Bonn. Glauben Sie, dass man den Begriff ‚Manufaktur‘ in drei knappen Hauptsätzen hinlänglich definiert bekommt? Bei diesem Manufakturen-Hype, bei der Diskussion um Missbrauch und Verbrauchertäuschung durch Dienstleister und Handwerker? Nein? RAL, das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V., hat unter der Registrierungsnummer RAL-RG 991 diesen Versuch unternommen. Ergebnis: wie erwartet – ‚ungenügend‘.

RAL ist schon eine gewisse Zeit rund um die Thematik befasst. Im Jahr 2016 hat sich der Berliner Unternehmer Ulrich Welter (Welter Manufaktur für Wandunikate) an den Bonner Gütesicherungs- und Kennzeichnungsverein gewandt, um eigentlich ‚Handmade in Germany‘ registrieren zu lassen. Das wurde damals nach Auskunft von RAL abgelehnt. Heraus kam dann ein Definitionsversuch für ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Handgefertigt in Deutschland‘ – und zur Überraschung der deutschen Wirtschaftsverbände auch für ‚Made in Germany‘. Zehn Tage, nachdem ich hier im Blog am 18. Januar 2017 über die „vorläufige Endversion“ von RAL berichtete („Noch mit Macken: RAL-Definition der Begriffe „Deutsche Wertarbeit“, „Handgefertigt in Deutschland“ und „Made in Germany“ liegt jetzt in der Endfassung vor), zog dieser aufgrund meiner Kritik die Begriffsbestimmung zurück.

Dann war einige Zeit nichts dazu zu hören – bis RAL unter dem Datum 23. Mai 2017 überraschend die Registrierung RAL-RG 991 mit dem neuen Inhalt ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Deutsche Handarbeit‘, ‚Deutsche Manufakturen‘ ‚(Handmade in Germany)‘ verschickte. Diesmal nicht als „vorläufige Endversion“ im Verkehrskreis, sondern gleich als „anerkannte Registrierung“.

Nun haben die RAL-Mitarbeiter damit gegen ihre eigenen Verfahrensgrundsätze verstoßen, denn nach diesen bezieht RAL in der Erarbeitung der Registrierungen laut Eigenbekundung „die direkt von den Festlegungen berührten Fach- und Verkehrskreise wie Hersteller, Handel und Behörden ein“ – und schließlich heißt es an gleicher Stelle auch: „RAL-Registrierungen sind eine Selbstverpflichtung der jeweiligen Wirtschaftszweige.“

„Selbstverpflichtung“ setzt Beteiligung und ein Übereinstimmen wenigstens eines Großteils der Beteiligten und Betroffenen voraus. Die Beteiligung hat nicht stattgefunden – damit ist eigentlich schon alles gesagt. Und RAL räumt selbst ein, dass die „maßgebliche Mitarbeit“ nur durch Unternehmer Welter und einen Assistant Professor of Luxury Marketing an der EMLYON Business School in Shanghai, Klaus Heine, erfolgte.

Trotzdem soll noch der Blick auf die neue RAL-Registrierung geworfen werden. RAL behauptet in ihr, die „Definition des Begriffes Manufaktur“ sei:

In einer Manufaktur werde Wertarbeit geleistet (Kriterium 1). Die Endmontage der Produkte erfolge zum größten Teil in Handarbeit (Kriterium 2). ‚Deutsche Manufaktur‘ sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘.

Das war’s nach RAL zur Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘. Nichts zum arbeitsteiligen Arbeiten, nichts zur seriellen Fertigung, nichts zur Abgrenzung zu Dienstleistern, Handwerkern und Industrie, nichts zur besonderen Arbeitsform in der ‚Manufaktur‘.

Ähnlich unpräzise wird auch über einen Begriff wie ‚Deutsche Handarbeit‘ hinweggebügelt – auch diese sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘ und deshalb außerdem identisch mit der englischen Übersetzung ‚Handmade in Germany‘…

Apropos ‚deutsch‘: Auch für die Verwendung dieses Adjektivs werden Thesen aufgestellt, die sich noch beweisen müssten. Zum Beispiel, dass die Endmontage des Produkts von einem deutschen Unternehmen erfolgen müsse. Was ist gemeint? In Deutschland ansässig, wie es auch viele Konzerntöchter weltweit tätiger und ihren Sitz in einem anderen Land habender Firmen sind? Oder deutsche Gesellschafter oder Aktionäre? Oder geht es um deutsche Firmenkultur? Alles denkbar, jedoch unklar…

Und dann wird für die oben genannten und registrierten Begriffe auch noch postuliert, die Produkte, die unter diesen Begriffen gefertigt und in den deutschen Markt gebracht würden, „sollten regionale deutsche Kultur verkörpern“… als würden beispielsweise Porzellan und Glas, Schreibgeräte und Maßschuhe trotz globalisierter Welt von deutscher Region zu deutscher Region so unterschiedlich designt und gefertigt…

Irgendwie ist es traurig, der guten alten Tante RAL (gegründet im Jahr 1925 als ‚Reichsausschuss für Lieferbedingungen‘) dabei zuzusehen, wie sie unter der mangelnden Sorgfalt und dem fehlenden Verantwortungsbewusstsein dieser Mitarbeiter leidet.

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RAL-RG 991 ist zum Preis von EUR 20,54 (gedruckt) / EUR 32,13 (Download als PDF) zu beziehen über:

Beuth-Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin

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Noch mit Macken: RAL-Definition der Begriffe „Deutsche Wertarbeit“, „Handgefertigt in Deutschland“ und „Made in Germany“ liegt jetzt in der Endfassung vor

18. Januar 2017, Sankt Augustin. „Junge, das war noch deutsche Wertarbeit!“, sagt der Ältere zum Jüngeren. So hat man den Begriff „Deutsche Wertarbeit“ noch im Ohr. Jetzt hat sich Ulrich Welter, Inhaber der Welter Manufaktur für Wandunikate in Berlin, dahintergeklemmt und gleich drei Begriffs-Definitionen bei RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. in Auftrag gegeben: „Deutsche Wertarbeit“, „Handgefertigt in Deutschland“ und „Made in Germany“. Die am 10. Januar 2017 vom Institut verschickte Endfassung wirft jedoch Fragen auf.

RAL wurde im Jahr 1925 gegründet – als „Reichsausschuss für Lieferbedingungen“. Inzwischen ist daraus ein interessanter Verein mit mehr als 120 korporierten Mitgliedern aus der Wirtschaft geworden, der sich um Begriffsdefinition und Gütezeichen, um die Definition von Farben (es gibt derzeit 2328 RAL-definierte Farben) und Umweltthemen (Zertifizierung mit dem Blauen Engel im Auftrag des Umweltbundesamtes) kümmert; im Kuratorium sitzen Vertreter dreier Bundesministerien und dreier Bundesämter, den Vorstand bilden Fachleute aus unterschiedlichsten Branchen und Verbänden.

Jetzt liegen also die RAL-Definitionen vor, nach denen in Zukunft abgemahnt und Protektion betrieben werden kann. Anders als bei der doch rein emotional-bewertenden Formulierung „Deutsche Wertarbeit“ spielen die Begriffe „Made in Germany“ und „Handgefertigt in Deutschland“ schon lange eine erhebliche Rolle.

Im Jahr 1887 hatten die Briten aus protektionistischen Gründen im sogenannten „Merchandise Marks Act“ die Deklaration „Made in…“ für ausländische Waren, die nach Großbritannien importiert wurden, eingeführt, im 1. Weltkrieg noch einmal für die Kriegsgegner verschärft, um der Bevölkerung einen besseren Boykott zu ermöglich. Ein Schuss, der vollkommen nach hinten losging – der Begriff wurde nach dem 2. Weltkrieg stattdessen zum Synonym für Qualität aus Deutschland.

Interessant ist, dass er bisher nicht definiert war und sich niemand so richtig für ihn verantwortlich fühlte.

Die Definition für „Made in Germany“ wurde bei RAL jetzt erstmals so hinterlegt:

„Der Hersteller muss im Familienbesitz in Deutschland sein. Maßgebliche Herstellung der Ware in Deutschland, entscheidender Wertschöpfungsanteil durch Zusammenbau in Deutschland, maßgebliche Veredelung des Produkts in Deutschland. Der Hersteller muss – wenn möglich – nachgewiesenermaßen alte Traditionen pflegen, die Produkte müssen – wenn möglich – regionale Kultur verkörpern.“

Wenn man sich allein den Tatbestand des Familienbesitzes betrachtet, sind Betriebe wie der Roboterspezialist Kuka aus Augsburg raus, Daimler und BMW, die Chemiekonzerne genauso wie die Pharmakonzerne, eigentlich alle Konzerne – zumal die Großen an der Börse.

Selbst solche Mittelständler wie der Kofferhersteller Rimowa aus Köln, der seit Januar 2017 als Mehrheitsgesellschafter den französischen Luxusgüter-Konzern LVMH hat (vermutlich eine gute neue „Heimat“ – auch wenn sie nicht deutsch ist).

Übrig bliebe „Made in Germany“ für Teile des Mittelstands. Wenn sie denn „nachgewiesener Maßen alte Traditionen pflegen“ und auch noch „regionale Kultur“ verkörpern.

Nachdenken über die Definition… Scheitert die Nutzung des Begriffs dann an zuviel Innovation? Was ist, wenn ich nicht mehr fräse, sondern erodiere? Wenn mein Prototypenbau auf 3-D-Druck umstellt? Ist das dann mangelnde Pflege der Tradition? Kann ein Koffer, ein Kochmesser, ein Silberbesteck, ein Auto überhaupt regional sein?

Und ist der Begriff „Made in Germany“ überhaupt noch werbewirksam, wenn ihn – relativ gesehen – kaum jemand benutzen darf? Wenn das in Deutschland zusammengebaute Auto sich nicht als „Made in Germany“ nennen darf? Welche Kraft wird der Begriff zukünftig haben, wenn bedeutende Teile der allgemein als deutschen Wirtschaft empfundenen Unternehmen ihn nicht mehr verwenden dürfen? Wenn der Begriff von den großen, aus Deutschland stammenden Massenprodukten, die überall auf der Welt zu finden sind, verschwindet?

Die Einschränkung auf „Familienbesitz“, „Tradition“ und „regionale Kultur“ halte ich für falsch. „Made“ und „in“ sollten sich auf „gefertigt“ und „in“ beziehen – sich also vor allem auf das wesentliche Fertigen sowie das geografische Merkmal Deutschland stützen. Die neue Begriffsbestimmung von RAL scheint mir auch der gängigen deutschen Rechtsprechung zuwiderzulaufen – ohne das auf die Schnelle überprüfen zu können (siehe auch Wikipedia zu „Made in Germany“). Letzteres ist aus meiner Sicht jedoch kein so gewichtiges Argument, denn sollten sich relevante Teile aus Wirtschaft und Gesellschaft auf eine veränderte Definiton verständigen, würden die Gerichte sicherlich einfach nachziehen.

Doch weiter, zu „Handgefertigt in Deutschland“. Der Begriff wurde nun so definiert, dass „die signifikanten Kernprozesse bei der Herstellung der Produkte von Hand ausgeführt werden“. Insbesondere soll eine „Kooperation/Zusammenarbeit verschiedener Berufe, soweit dies für die Herstellung des Produktes notwendig ist“, nachgewiesen werden. Und: „Die Individualisierung der Produkte darf nur durch Kleinserien erfolgen. Die Herstellung der Produkte muss mit über 60 % in Handarbeit erfolgen“.

Klar ist: Der Hobby-Künstler ohne spezifische Ausbildung darf seine Produkte fortan nicht mehr mit „Handgefertigt in Deutschland“ bewerben.

Sehr viel eingeschränkter wird der Kreis der zukünftigen Nutzer des Begriffs „Deutsche Wertarbeit“: „Die ‚Deutsche Wertarbeit‘ steht für Zuverlässigkeit, Funktionalität, Wertbeständigkeit, Know-how, Erfindergeist und Innovation.“ Ein Katalog benennt die Forderungen an die Nutzer. Interessant erscheint mir die Idee, den Nutzern den Einbau von „geplantem Verschleiß“ in die Produkte zu untersagen sowie die Austauschbarkeit von defekten Bauteilen mit Ersatzteilen vorzuschreiben.

Ich sage mal: Das neue Jahr begann interessant…

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Nachtrag vom 23. Januar 2017: Ach je – kaum ein paar kritische Nachfragen, schon zieht RAL die unter dem Datum des 10. Januar 2017 versandte sogenannte ‚Endfassung‘ zu den drei Begriffen wieder zurück. Sie sollen nun wieder bearbeitet werden… Wir bleiben gespannt!

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„Industrie 4.0 ist in der Manufaktur kein Widerspruch“

29. November 2016, Raubling. Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zu einem Internet der Dinge zusammen. Die Kennzeichen der künftigen Form der Industrieproduktion sind die starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten Produktion, die weitgehende Integration von Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartnerinnen und -partnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse und die Verkopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen, die in sogenannten hybriden Produkten mündet. Die deutsche Industrie hat jetzt die Chance, die vierte industrielle Revolution aktiv mitzugestalten. Mit dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 wollen wir diesen Prozess unterstützen.

Ist Industrie 4.0 in der Manufaktur ein Widerspruch? ‚Made in Germany‘ ist als Marke nicht mehr selbstverständlich ein Garant für die Zukunft Deutschlands als Technologiestandort. Nicht stehen bleiben, sondern sich weiter entwickeln heißt die Devise, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Industrie 4.0 stellt uns vor neue Herausforderungen, bietet aber auch enorme Chancen.

Wir von der IDE-Compressors Manufaktur haben uns zu allererst gefragt, ob Industrie 4.0 überhaupt ein Thema ist, das sich in einer Maschinenbaumanufaktur wirkungsvoll verwirklichen lässt – oder stellt es bei aller Prozessautomatisierung eher einen Hemmschuh dar?

Wie stellt man jedoch den eigenen Betrieb zukunftssicher auf, macht ihn „Industrie 4.0 ready“ und wappnet sich für die digitale Zukunft?

Im Austausch mit einigen Gesprächspartnern stellte ich immer wieder fest, dass oft der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen wird und viele das Thema mit der alleinigen Digitalisierung der Produktion assoziieren.

Industrie 4.0 bietet jedoch sehr viel mehr Möglichkeiten.

Es ist notwendig, Netzwerke zu schaffen, die unsere Manufaktur befähigen, überproportionale Auftragsvolumina so zu handhaben, dass am Ende auch noch ein Ertrag dasteht. Dies bedeutet, mit verlängerten Werkbänken zu arbeiten. Natürlich streben wir nach kontinuierlicher Auslastung, wir können sie jedoch nur bedingt steuern – und gegen Einbrüche im Auftragseingang ist man nicht gefeit. Dafür braucht es dann Ideen, um die Beschäftigung aufrecht zu erhalten.

Der Service ist im Bereich Maschinen- und Anlagenbau ein kontinuierlich wachsender Bereich. Über den Service hinaus sind wir dabei, eine Reihe von Dienstleistungen herauszuarbeiten. Wir sind im Bereich der vernetzten Kompressoren und Füllanlagen sicherlich Vordenker und in einigen Bereichen Technologieführer. Unser Angebot geht eher in Richtung Nullserienfertigung und Ablaufmanagement.

Das Leitmotto ‚Industrie 4.0‘ der Hannover Messe war genau der richtige Impuls. Jetzt gilt es, gemeinsam auch mit Marktbegleitern an definierten Schnittstellen zu arbeiten, um die Vernetzung von Maschinen und Anlagen – insbesondere in der Klein- und Nullserienfertigung – zu standardisieren. Wir werden hier unsere Kernkompetenz, die wir uns in der Entwicklung von Hard- und Softwareschnittstellen und Steuerungen erarbeitet haben, weiter ausbauen und uns als Problemlöser grundsätzlich für alle auf dem Atemluft- und Hochdruckkompressoren-Markt anbieten.

Wir haben 2015 entschieden, dass wir eine komplett neue modulare Digitale HMI-Steuerung und -Überwachung entwickeln werden. Mit diesen modularen Steuerungen werden am Ende mehrere Maschinen-Baureihen ausgestattet.

Damit wollen wir interessierte Kunden, die beispielsweise Anlagen benötigen, die mit einem digital vernetzten Rundum-Sorglos-Paket ausgerüstet sind, gewinnen und bedienen.

Das Gros unserer Wettbewerber ist auf Masse getrimmt. IDE-Compressors Manufaktur ist eine Ideenfabrik, ein Think Tank, – und eine Manufaktur, die kundenspezifische Probleme löst. Wenn es sein muss, bauen wir Maschinen in der Losgröße eins. Wir sind unsere eigene Prozesskette, da wir eine eigene Soft- und Hardwareentwicklung im Haus haben und in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen in Bezug auf die Antriebs- und Steuerungstechnik.

Wir werden auch in Zukunft verstärkt hoch spezialisiert und absolut kundenorientierte Lösungen anbieten, die unseren Kunden weltweit schnell und zuverlässig Vorteile und Kosteneinsparungen bringen. Um unsere Flexibilität zu bewahren, werden wir den Massenmarkt Anderen überlassen. Wir haben natürlich über die verlängerte Werkbank auch eine Serienfertigung. Diese ist notwendig, um dem Wettbewerb bei preissensiblen Produkten gerecht zu werden. So etwas lässt sich nicht auf der Manufaktur-Basis machen.

Wir gehen in der Zukunft den Weg des Ausbaus der eigenen Infrastruktur, für uns ist das Gebot der Stunde, die bisherigen Investitionen zu schützen und neue Dienste für ihre Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter zu entwickeln, um diese an uns zu binden. Denn das erhöht die Zufriedenheit aller Beteiligten und schafft mehr Visibilität. Wir entwickeln Technologien zur Integration der IT-gestützten Steuerungen, Produktions- und Qualitätsüberwachungs-Systeme und die Überwachung der dazugehörigen Prozesse und „Service Levels“.

Somit haben wir uns die Basis für weitere Schritte in der Zukunft geschaffen.

Mein Fazit: Industrie 4.0 ist in der Manufaktur kein Widerspruch.

Foto: IDE-Compressors Manufaktur GmbH / Gabriele Adam

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„Manufaktur 4.0 – bedeutet vor allem Vernetzung!“

3. November 2016, Potsdam. Bei einem Gespräch im Frühjahr dieses Jahres berichtete Pascal Johannsen von dem Vorhaben, eine Brandenburger Manufakturen-Straße zu initiieren.

Unsere Bekanntschaft begann vor etwa drei Jahren, als er uns die Gelegenheit gab, unser manufakturähnlich arbeitendes Leuchten-Label in seiner Galerie auszustellen. Das Label „Rejon“, welches in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen feiert, entstand vor allem aus einem Grund: In Zeiten globaler Vernetzung Produkte im regionalen Netzwerk herzustellen und diese durch das Internet zu vertreiben.

Nun sind mein Partner Jakob Blazejczak und ich von Hause aus Designer und damit ist klar, dass wir Produkte entwerfen – sie aber nicht herstellen. Im Unterschied zur sogenannten Maker-Bewegung, welche eine postindustrielle Ära mit Hilfe von 3D-Druck und computergesteuerten Werkzeugen anstrebt, schätzen wir das traditionelle Handwerk und seine lokale Verwurzelung sehr. Ohne den Einsatz der genannten Technologien grundsätzlich auszuschließen.

„Manufakturähnlich“ an unserem Unternehmen ist, dass wir handwerklich erstellte Bauteile in mehreren Arbeitsschritten anfertigen (lassen) und zu einem finalen Produkt zusammensetzen. Ein Unterschied zumindest in der traditionellen Verwendungsweise des Begriffs ist unsere dezentrale Fertigung, diese könnte man eher mit dem Verlagssystem der frühen Neuzeit vergleichen. Daneben nutzen wir das Internet, um mit unseren Kooperationspartnern aus Handwerk und flexibel spezialisierten Dienstleistungsunternehmen zu kommunizieren; also Datensätze oder technische Zeichnungen übermitteln.

Die flexible Spezialisierung eines Unternehmens gründet häufig auf dem Einsatz computergesteuerter Werkzeuge. Zum Beispiel – in unserem Fall – Betriebe, welche unter Einsatz von CNC Technologie Metallbearbeitung mit Laser- oder Wasserstrahlen anbieten. Die Losgröße bestimmt zwar auch hier das Preis-Leistungs-Verhältnis, Einzelanfertigungen sind aber möglich.

So lassen wir für eine Stehleuchte spezielle Aufnahmen in kleinen Stückzahlen anfertigen. Diese senden wir anschließend an unseren handwerklich arbeitenden Gestellbauer. Nach dem dieser das Sonderteil in die Drahtgestelle eingelötet hat, sendet er die Gestelle zum Pulverbeschichter und dieser leitete das Zwischenprodukt an unseren Schirmhersteller – einem Familienbetrieb, der seit 1930 Stoffleuchtenschirme fertigt und diese Tradition mit hoher Qualität verbindet.

Trotz des Einsatzes moderner Technologie entsteht bei uns also ein Produkt mit hohem Anteil an Handarbeit, dass unsere Kunden – auch über den Preis – zu schätzen wissen.

Wir würden uns als einen Hybriden aus „Verlag und Manufaktur 4.0“ bezeichnen, da wir Produkte

  • mit einem stark regionalen Bezug,
  • mit einem großen Anteil an handwerklich geprägter Könnerschaft,
  • unter dem Einsatz softwarebasierter Kommunikations- und Herstellungstechniken fertigen lassen.

Durch unsere Ausbildung als Produktdesigner sind natürlich einige unserer Arbeitsprozesse stark von virtuellen und digitalen Werkzeugen geprägt. Wir sind es gewohnt, mit Hilfe von 3D Software (CAD) Formen jeglicher Art zu generieren und mit Hilfe von sogenannten Rapid-Prototyping- (3D Druck) oder CNC(CAM)-Technologien Modelle zu erstellen. Der große Fortschritt in der Gestaltung moderner Softwareinterfaces zur Maschinensteuerung ermöglichte es uns bereits während des Studiums, diese Technologien als Zusatzqualifikation zu erlernen. Mittlerweile erscheint das Angebot an regional verfügbaren Dienstleistungen im Bereich der CNC Bearbeitung ausreichend und damit erübrigen sich weitgehend eigene Investitionen.

Selbst wenn inzwischen große Datenvolumen versandt werden können, eine zeit- und ressourcensparende Kommunikation machbar ist – wir halten eine regionale Nähe der Kooperationspartner bei der Herstellung von qualitativ hochwertigen Produkten für notwendig, ja unabdingbar, da gemeinsame Gespräche (inklusive der Begutachtung von Zwischenprodukten) Kooperation und Ergebnis immer positiv beeinflussen.

Ich möchte im Folgenden auf einige besondere Merkmale des 3D Druckes eingehen. Dieser wird fälschlicherweise aufgrund seiner aktuellen Popularität häufig mit dem Thema der Industrie 4.0 vermengt und könnte daher auch Einfluss auf die Interpretation des Begriffs Manufaktur 4.0 haben. Stephan Koziol, Geschäftsführer der gleichnamigen deutschen Marke Koziol, sagte

vor einiger Zeit bei einem Gespräch mit Studenten an der Fachhochschule Potsdam, die Zukunft des 3D Druckes sehe er nicht in der Herstellung des Endproduktes, sondern eher im Formenbau. Kavitäten lassen sich bereits aus Metallpulvern sintern und werden mit Hilfe des Drahterodierens oberflächlich nachbearbeitet. Spritzgussformen, welche auf diese Art erstellt wurden, eignen sich zurzeit aus Gründen der Stabilität eher für Vorserien zwischen 100 und 1000 Stücken. Die Entwicklung von Legierungen mit einer höheren Dichte und stärkeren Belastbarkeit macht aber kontinuierlich große Fortschritte.

Die sogenannten Rapid-Prototyping-Technologien haben ihren Ursprung in der Raumfahrt- und Industrieforschung und werden hier seit ca. 30 Jahren eingesetzt, um Entwicklungsprozesse zu vereinfachen und möglichst schnell zu präzisen und aussagekräftigen Modellen zu gelangen. Unter dem Begriff der additiven Fertigung werden eine Vielzahl sehr verschiedenartiger Druckverfahren verstanden. Jedes für sich genommen, kann in sehr unterschiedlichen Prozessketten eine Anwendung finden. Neben hochgenauen Verfahren, welche Oberflächengenauigkeiten im tausendstel Millimeter-Bereich ermöglichen, wirken die jüngst sehr populär gewordenen Desktopdrucker (FDM) eher plump und ungenau.

Es existieren neben den bereits genannten Verfahren zur Erstellung von Metallformen, verschiedene Verfahren, bei denen flüssige Kunststoffe durch UV-Licht oder Laserstrahlen polymerisieren, zwei Komponenten reagieren, Stäube mit Bindern aushärten, Kunststofffilamente aufgeschmolzen oder Wachs durch feine Düsen auf die Bauplattform gepresst wird.

Sie führen zu einer Vielzahl von verschiedenen Material- und Oberflächeneigenschaften. Manche eigenen sich für thermisch und mechanisch anspruchsvolle Aufgaben, andere lassen sich ausschmelzen und wieder andere können wegen Ihrer niedrigen Auflösung eher als Hilfsmittel zur schnellen Visualisierung von Ideen und Konzepten verstanden werden. Der Preis verhält sich hier fast analog zur den Eigenschaftsprofilen der jeweiligen Technologie und des Resultats. Die Kosten für ein etwa faustgroßes Druckmodell können, je nach Verfahren, zwischen einstelligen bis hin zu dreistelligen Eurobeträgen betragen.

Neben einigen hochspezialisierten Dienstleistern, welche ihren Kunden eine Vielzahl an Verfahren zur Verfügung stellen, entstehen immer mehr lokale Anbieter nach dem Modell des „Copyshops“. Eine Investition in eigene Maschinen ist hier ähnlich unnötig wie bei den CNC-Maschinen durch die flexibel spezialisierten Betriebe (siehe oben).

Was subsumiert nun der Begriff „Manufaktur 4.0“?

Grob zusammengefasst führten in den vergangenen 30 Jahren die beschriebenen technologischen Innovationen zu stark verbreiteten und vielfach genutzten Herstellungsmethoden bzw. Prozessschritten in der Produktentwicklung und in der Herstellung. Sie haben sich sowohl in der Industrie als auch im Handwerk etabliert. Daneben bestimmt das Internet in großem Umfang darüber, mit wem und auf welche Weise wir geschäftlich Kooperieren und Kommunizieren.

In Zukunft besteht ein enormes Potential für neuartige Modelle der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen; dies kann zum Beispiel den Einkauf von Rostoffen oder die Spezialanfertigung eines Werkzeuges für die eigene handwerkliche Produktion betreffen. Denkbar sind weiterhin

  • gesinterte oder CNC-gelaserte Stanzwerkzeuge,
  • Schablonen zur Lederbearbeitung, Wachs- oder Kunststoffpositivformen für Guss- Technologien oder
  • hochgenaue Komponenten in feinmechanischen Manufakturprodukten und vieles mehr.

Was nun den Charakter der Waren aus einer solchen hybriden Fertigung (siehe oben) betrifft, darüber wird wohl eher die Gewichtung von handwerklichen und maschinellen Prozessen im Unternehmen ausschlaggebend sein.

Schließlich: Der Geschäftsführer unserer zuliefernden Leuchtenschirm-Manufaktur, sprach neulich bei einem persönlichen Gespräch mit uns von seinem aktuellen Vorhaben, einen Web-Konfigurator zu entwickeln, mit dem er seinen Kunden die Möglichkeit geben könnte, individuelle Größen- und Farbzusammenstellungen online zu entwerfen, mit dem Hinweis: “Bei uns ist sowieso jeder Leuchtenschirm eine Sonderanfertigung!“

Fotos: Rejon

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„Makers Market“ in Bremen – das Missverständnis mit dem Begriff „Manufaktur“

31. Oktober 2016, Bremen. Angekündigt war es als Verkaufsveranstaltung von „21 Manufakturen“ – aber dann war es doch nur ein Hobbykünstler- und Kunsthandwerkermarkt, den das sich selbst auch etwas arg großspurig nennende Ladengeschäft „NurManufaktur“ von Vanessa Just als „NurManufaktur Makers Market“ angekündigt hatte. Besucher waren da. Im zum Abriss stehenden „Lloydhof“ fanden Geschäfte statt. Manufakturen als Aussteller fehlten jedoch.

Eigentlich sollte an dieser Stelle längst eine weitere – irgendwie doch belanglose – EWE-Passage stehen, so wie in anderen Großstädten auch. Das Konzept scheint gescheitert – nun findet in dieser Gebäudehülle einer Einkaufspassage eine Zwischennutzung namens „Citylab“ statt. Leerstand nutzen für phantasievolle Projekte – das ist der bereits mehrfach praktizierte Umgang des Bremer Wirtschaftssenators mit der Realität von gescheiteren Immobilienprojekten.

Und da wäre auch eine Chance für Manufakturen und Manufakturprodukte… Na, der erste Versuch ist aus Manufakturensicht an der Konzeption beziehungsweise am mangelnden Verständnis dafür, was eigentlich eine Manufaktur ist, gescheitert – obwohl viele Besucher wegen des verkaufsoffenen Sonntags da waren und die Aussteller sich auch nicht über mangelndes Besucherinteresse beklagen.

Trotzdem waren unter all den Nicht-Manufaktur-Ausstellern auch „Trüffel“ aufzuspüren, Firmen, die vor dem Sprung in die Manufakturen-Liga stehen… Was heißt nochmal Manufaktur? Arbeitsteiliges, handwerkliches Arbeiten, natürlich mehrerer hauptberuflicher Mitarbeiter, unterschiedliche Ausbildungsgänge, serielle Fertigung – alles in Deutschland in der eigenen Produktion, selbstverständlich. So ein kleines Unternehmen in der Größe zwischen der Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld (25 Mitarbeiter) und der Porzellanmanufaktur Dibbern (135 Mitarbeiter) – wohl so stellt es sich der Kunde in Deutschland vor.

Der Verband Deutsche Manufakturen definiert eine Untergrenze von fünf Mitarbeiten – denn irgendwo muss mal Schluss nach unten sein, finden die rund 30 Mitglieder. Denn Einzelkämpfer, Halbtagsenthusiasten und Kunsthandwerker sind halt etwas Anderes, als eine Manufaktur mit ihren gutausgebildeten, langjährigen Mitarbeitern, ihren Produktlinien und der seriellen Fertigung.

Aber zu den beiden „Trüffeln“: Da ist zum Einen die Goldcorn GmbH. Gründer und Geschäftsführer Thorsten Hobein produziert mit zwei Mitarbeitern in Bremen ein buchstäblich und tatsächlich ausgezeichnetes Popcorn („Chrispy PopRock Caramel“ – prämiert von den Feinkost- und Delikatessenhändlern aus Deutschland und Luxemburg, 3. Platz „Produkt des Jahres 2012“). Wer auf karamellisiertes Popcorn steht, das seriell (also nicht frisch vor den eigenen Augen, wie auf dem Jahrmarkt oder im Kino) gefertigt und akkurat in schönen schwarz-karamellenen Verpackungen im Handel angeboten wird, erreicht hier den 7. Himmel der klebrigen Dekadenz: White Chocolate, Chocolate Cookie, Caramel Almond, Caramel Peanut oder Spekulatius, Caramel Seasalt und, und, und – im Übrigen glutenfrei.

Das eine Geheimnis hinter GoldCorn ist der garantiert nicht genveränderte französische Mushroom-Mais (sieht nach dem Rösten aufgepilzst aus). Hobein: „Wir entfernen jedoch die Stiele, damit der Großteil der Hülsen ab ist.“ Das andere ‚Geheimnis‘ ist der Roh-Rohrzucker von der Insel Mauritius, der den wunderbaren süß-bitteren Caramel erzeugt.

Wenn Sie süßes Popcorn in Zimmertemperatur mögen – kaufen Sie dieses! Die Preise sind moderat für solche Delikatessen: ab ca. EUR 4,00 (110 g) im Handel oder am Messestand, portofrei ab

Werk in der 1,9-Liter-Dose ab EUR 16,00 (man klicke auf den Popcorn-Konfigurator); die Lieferung erfolgt portofrei in ganz Deutschland. Nächste Verkostungsmöglichkeit ist auf der Messe ‚Fisch & Feines‘ in Bremen vom 4. – 6. November 2016 (Messehallen).

Zweiter Glücksfall: Timo Koschnick und Hauke Eimann betreiben gemeinsam die erfolgreiche ‚Agentur für Markenkommunikation‘ mit dem küstennahen Namen Springflut GmbH. Aber sie haben noch andere Leidenschaften, sonst würden sie ja hier auch nicht erwähnt. Die Leidenschaften heißen ‚Güldenhaus‘ und ‚Oxhoft‘.

Güldenhaus ist eine im Jahr 1999 nach knapp 100 Jahren eingestellte Schnapsbrennerei aus Bremen. Die Marke wurde aufgegeben – Koschnick hat sie neu geschützt. Das Oxhoft ist ein Bremer Fass – die Größen variierten in der Geschichte seit dem Mittelalter zwischen 217 Litern und 750 Litern, sagt der bekannte Bremer Fassbauer Alfred Krogemann (Bremen treibt auch heute noch viel Handel mit Bordeaux-Weinen und kennt sich in diesem Metier aus). Nun, Koschnick und Eimann favorisieren das 217-Liter-Fass (ein etwas kleineres Barrique) und haben danach ihren Rotwein „Oxhoft 217“ benannt. Der kommt natürlich nicht aus Bremen, sondern aus dem seit längerem aufstrebenden Rheinhessen, denn da hat Hauke Eimann BWL studiert, hat zehn Meter entfernt zum Weingut Cleres in Abenheim gewohnt – der Weingutpartner.

Mit „Oxhoft“ ging es vor drei Jahren auch los – nun steht die Rotwein-Cuvee aus fünf Reben (darunter Spätburgunder, Regent und Merlot) als Edition Nummer 2 für EUR 15,00 bei den ersten Händlern, ein Sommerwein namens „Sömmertied“ aus der Weißburgunder-Rebe zum freundlichen Preis von EUR 7,00 vom selben Partner hat sich hinzugesellt.

Vermarktet wird alles unter Güldenhaus – und der Name stand natürlich für Schnaps, ob „Alter Senator“ (früher 1,2 Mio. Flaschen im Jahr) oder „Eiswett-Korn“. Aber damit hat das neue Güldenhaus von Koschnick und Eimann eher weniger zu tun. Obwohl man inzwischen den früheren Güldenhaus-Brennmeister aufgespürt hat, entsteht der neue Güldenhaus-Korn in der renommierten Dampfkornbrennerei R. Lüning (die sich derzeit zur ‚Ritterguts-Manufaktur Lüning‘ verändert) in Sulingen, die schon seit dem Jahr 1779 Korn brennt und auch früher ein Partner von Güldenhaus war. Von der eigenen Brennblase wird einstweilen nur geträumt.

Was ist das Geheimnis hinter dem neuen Korn? Hauke Eimann: „Weizen und Wasser – sonst nichts.“ Zweimal gebrannt, in die Flasche dann mit 32 % abgefüllt. Aber es gibt doch eine weitere relative Besonderheit: mindestens acht Wochen Lagerung zuvor in 150-Liter-Feinsteinzeug-Gefäßen (das machen angeblich überhaupt nur noch drei Kornbrennereien in Deutschland) – und na ja, da ist natürlich die designige neue Flasche.

Und wie schmeckt der neue Korn? Ich sage: Fein nach Weizen, wie es eigentlich immer sein sollte. Der Alkohol ist gut eingebunden und mild – also perfekt.  Alles zusammen zum Preis von EUR 14,00. Sorgfältig und fein gemacht, ist er eine wahre Ergänzung zu Wodka und Aquavit.

Zu erwarten ist, dass sich beide Projekte gut entwickeln und wachsen – und vielleicht wird man später einmal im Rückblick mit der milden Verklärung der Vergangenheit über den „Makers Market“ sagen, dass immerhin zwei Manufakturen dort ausgestellt hätten…

Fotos: Stefanie Bressel, Wigmar Bressel

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„Manufaktur 4.0“ – Überlegungen nach der ersten Podiumsdiskussion

21. Oktober 2016, Potsdam. Am 16. September 2016 fand der 1. Brandenburger Manufakturentag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam statt. Organisiert von der Deutschen Manufakturenstraße e. V. sowie der Kulturland Brandenburg Gesellschaft – eine Auftaktveranstaltung für die Manufakturenstraße in Brandenburg. Gezeigt wurde eine kleine, feine Ausstellung von 20 Brandenburger Manufakturen und manufakturartig arbeitenden Designern, Handwerkern und Herstellern von Konsumgütern, Baustoffen und Lebensmitteln – die Hersteller für die Besucher zum Anfassen, die Geschäftsführer als Gesprächspartner.
Im Rahmen der Ausstellung fand eine Podiumsdiskussion zu Überlegungen nach der „Manufaktur 4.0“ statt, die natürlich auch für die Fachhochschule Potsdam und ihre Absolventen interessant ist. „4.0“ steht in der Industrie für Software-Einsatz in der gesamten Produktionskette vom Designer über den Hersteller bis zum Händler und dem Endkunden, aber auch Beteiligung der Kunden am Design, Transparenz bei den Materialien, Herkunft und Arbeitsbedingungen. Das wird von der Bundesregierung großzügig gefördert. Was könnte analog die förderfähige „Manufaktur 4.0“ werden?

Auf dem Podium saßen neben den Moderatoren Pascal Johanssen und Brigitte Faber-Schmidt drei Hochschulprofessoren der Fachhochschule Potsdam – Prof. Dr. Rainer Funke (Designtheorie), Prof. Alexandra Martini (Gestaltungsgrundlagen), Prof. Hermann Weizenegger (Industrial Design) -, Necdet Yildirim von Carta Forma (Hersteller von Papierwaren aus Oberkrämer), sowie ich als Vorsitzender des Verbandes Deutsche Manufakturen und Silberwarenhersteller (Koch & Bergfeld) aus Bremen.
Ehrlichgesagt warf die Diskussion noch mehr Fragen auf, als sie Antworten ergab – aber vielleicht liegt das auch in der Natur der Sache, wenn es sich um eine Auftaktdiskussion handelt.

Klar ist: Es gab in den vergangenen Jahren wieder große technische Fortschritte. Theoretisch können sich Kunden, Lieferanten, Zulieferer und Hersteller über Software verknüpfen – jeder könnte Einblick in den Produktionsprozess nehmen. Maschinen aus aktuellen Baujahren haben oft eine Computerschnittstelle. Die Frage ist nur: Interessiert das irgendjemanden in der Manufakturenbranche? Die Antwort lautet vermutlich: eigentlich nein. Eigentlich. Und zwar nicht, weil man technikfeindlich wäre – sondern weil häufig schlicht die Anwendbarkeit fehlt.

Man braucht sich nur die Grundsatzfrage zu stellen: Was ist der größte Unterschied zwischen Industrie und Manufaktur? Das ist neben der geringen Mitarbeiterzahl bei Manufakturen auch die geringe Losgröße in der Produktion. Gerade die Losgröße 1 (Sonderanfertigung) stellt die Frage nach der Amortisation jedes Investitionsschrittes.

Geht man einmal optimistisch von einer industriellen Soft- und Hardware-Lebenszeit von zehn Jahren aus (bei Apple- oder Microsoft-Produkten reden wir erfahrungsgemäß von einem Jahr), so bedeutet dies, dass mit der Investition in eine Soft- und Hardware diese sich in diesen zehn Jahren bezahlt gemacht haben muss. Denn dann ist der Fortschritt drum herum so groß, dass neue Investitionen erfolgen müssen.

Nehme ich unseren eigenen Betrieb als Beispiel – die Silberbesteckproduktion -, so rede ich über vermutlich 250 000 bis 400 000 produzierte Besteckteile in zehn Jahren – allerdings aus einer Palette von rund 1500 verschiedenen Stücken (das wäre schon der Optimalfall – insgesamt haben wir rund 15 000 verschiedene Besteckteile seit Bestehen unseres Unternehmens entworfen und gefertigt). Von dem einen Löffel werden mehr gefertigt, von dem anderen sehr viel weniger. Das heißt, mein Aufwand muss für viele unterschiedliche Produkte mit teilweise sehr geringen Stückzahlen passen. Ist das realistisch? Wohl eher nicht. Wir reden ja nicht von einem Warenwirtschaftssystem (haben wir), Internetseite, eMail und Facebook (haben wir), Smartphones und Automobile haben wir natürlich auch schon – also stellt sich die Frage, worauf die Veränderung „4.0“ abzielen könnte.

Auf den Händler-Kontakt? Der Händler ruft an, benötigt die Gravur-Kombination „F“ und „D“ für seinen Kunden, der gerade im Geschäft beraten wird. Schnellste Lösung: drei Seiten Gravur-Kombination aufs Fax gelegt, er kann diese dem Kunden zeigen und nach zehn Minuten ist das Rückfax da – eine Kombination in einer Zierschrift ist angekreuzt. Fertig.

Ich frage mich: Wäre er besser dran, wenn er die Kombinationen im Internet hätte abrufen können, während er den Kunden im Geschäft berät? Ich frage mich mal zurück: Hat der Händler seinen Acrobat Reader für PDFs aktuell – oder macht er jetzt vor den Kunden-Augen erstmal ein Update, damit er nach zwanzig Minuten (Java war auch veraltet und aktualisiert sich schnell noch mit) dann auch noch die richtige Kombination aus den etwa 500 Seiten mit jeweils 20 bis 50 Möglichkeiten herausgesucht hat, endlich etwas vorzeigen kann? Oder will er das doch lieber dem Fachmann – hier: seinem Lieferanten, der sich längst den Ladenöffnungszeiten im Büro angepasst hat – mit der veraltet scheinenden, aber fehlergeringen Fax-Technik überlassen?

Zielt die Veränderung vielleicht auf die Lieferanten-Kommunikation? Gegenfrage: Wieviel Material benötigt wohl eine Manufaktur so im Monat? Reicht die Bestellung per eMail oder Fax (wegen der geforderten Unterschrift) nicht aus?

Bleibt der Endkunde… Der Endkunde ist überglücklich mal alle seine Fragen an den Hersteller stellen zu dürfen. Benötigt der Endkunde einen Zugang in die Produktion der Manufaktur? Nein, benötigt er wohl kaum, da den meisten Endkunden eh die Vorstellungskraft für Produktionsprozesse und die Menge der Möglichkeiten fehlt, es die allermeisten auch nicht interessiert.

Geht es um einen Konfigurator für Bestellungen? Nach meiner bald 20jährigen Tätigkeit für Manufakturen, denke ich: nicht. Denn: Vom Typ her möchte der Endkunde ein bisschen fachsimpeln, feststellen, ob er bei genau diesem Hersteller ‚richtig‘ ist, dort seinen Kauf nach reiflicher Überlegung und Beschäftigung zu tätigen. Er möchte nochmal von einem Menschen am anderen Ende der Telefonleitung versichert bekommen, dass das Bestellte zum gewünschten Termin geliefert wird. Er liebt einfach den Kontakt mit den Menschen ‚dahinter‘, mit den Menschen, die die Produkte herstellen und alles so genau wissen…

Die Diskussion verlief an diesem Nachmittag in Potsdam an der Diskussionsfront 3-D-Druck versus Handarbeit.

3-D-Druck ist faszinierend. Aber relativ langsam. Und hängt von der Qualität der Programmierung ab. Zeit ist Geld. Programmierung kostet Geld. Und es gibt da den zusätzlichen entscheidenden Unterschied: Der Schmied verformt manuell und erhält am Ende einen Stahl mit besonderer Schnitthaltigkeit – der Drucker verschweißt oder verklebt Pulver. Heraus kommt so etwas wie: Eisen, nicht so sehr schnitthaltig. Das ist zwar nur ein Bild – aber es scheint mit irgendwie passend.

Die Bremerhavener Biozoon Food Innovations GmbH wurde gerade mit dem Schütting-Preis, dem Innovationspreis der Bremer Handelskammer, ausgezeichnet für sein Spezialessen aus dem 3-D-Drucker – ein geliertes Lebensmittel, dass Menschen mit Kau- und Schluckstörungen helfen soll: Bohnen im Speckmantel an Lammrücken? Schmeckt so, ist aber Gel. Das Unternehmen hat 24 Mitarbeiter und macht 1,2 Millionen Euro Umsatz. Haken an der Sache: Das Essen ist relativ teuer, denn es muss auf den jeweiligen Patienten und seine Kau- und Schluckfähigkeiten zugeschnitten sein. Da haben wir wieder die Losgröße 1… Und die Frage, warum wir Manufakturen eben doch eher mit Slowfood harmonieren und in einem Boot sitzen, als mit ‚Smoothfood 1.0‘, wie der derzeitige Fachbegriff für das Gel-Essen derzeit ist.

Das größte Problem der „4“ vor der „0“ ist jedoch, dass es die Manufakturen von ihrer DNS wegführt – der Handarbeit und dem Menschen, der im Manufakturprodukt zu finden ist und vom Kunden gesucht wird. Denn die Renaissance der Manufakturen begann vor 20 Jahren nicht in der Faszination der Betreiber für immer vertieftere Technik – sondern in der Begeisterung der Kunden für die Handarbeit, für den Menschen, der trotz seriellen Fertigung im einzelnen Produkt zu finden ist.

Der Mensch – und seine Kompetenz. Seine Meisterschaft in vielen Dingen, vor allem in seiner Urteilskraft. Wann ist ein Produkt ‚gut‘? Kann das ein Roboter entscheiden?

Das unterscheidet Manufaktur und Industrie. Serielle Fertigung – jedoch in Verantwortung des Menschen und nicht der Vorgabe. Nicht das Fließband, das unnachgiebig weiterläuft. Sondern das Auge und die Entscheidung des Mitarbeiters. Und das ist auch das, was der Kunde will – es sei denn, eine Maschine könnte es besser. Dann wäre der Arbeitsplatz futsch, das ist klar.
Kurzes Fazit: Der Charme der Manufakturen liegt gerade in der arbeitsteiligen Handarbeit und im Erkennen der Handarbeit und des Menschen im Produkt. Das Programmieren von Software kostet noch zuviel Zeit und damit Geld, Drucker sind zu langsam und scheinen – wenn überhaupt – im Prototypenbau interessant. Neue Techniken sind dann interessant, wenn sie neue Möglichkeiten und neue Produkte für die Hersteller eröffnen, das ist klar. Reine Automatisationen laufen dem Manufakturgedanken zuwider und bringen noch nicht mal die körperlichen Entlastungen, die dem Außenstehenden interessant erscheinen (Betriebssport und -yoga erübrigt sich beim Konsumgüterhersteller möglicherweise, wenn man eh körperlich arbeitet und ab und an mal die Halbfertigteile zum Kollegen bringt und die Muskulatur ‚abweichend‘ durchblutet wird). Auch digitale Kundennähe ist beim doch recht häufigen Endkunden-Kontakt in der Regel eher ein Wunsch der Hersteller als der Kunden…
Trotzdem finde ich die Diskussion und die Gedankenspiele interessant. Und auch deshalb veranstaltet der Verband Deutsche Manufakturen alljährlich das „Zukunftsforum Deutsche Manufakturen“… Wer eine Idee zur weiteren Zukunft der Manufaktur-Idee hat, bringe sich ein!

Fotos: Deutsche Manufakturenstraße e. V.

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Hier einige Eindrücke vom 1. Brandenburger Manufakturentag:

ZEITmagazin kritisiert missbräuchliche Nutzung des Manufaktur-Begriffs durch Dienstleister – zu Recht

28. Februar 2016, Hamburg. Im letzten Heft des vergangenen Jahres (Nr. 51/2015) setzte sich das ZEITMAGAZIN unter dem Titel „Wie von Hand gemacht“ mit der missbräuchlichen Nutzung des Manufaktur-Begriffs durch Dienstleister und Handwerker auseinander. Obwohl die Kritik von Matthias Stolz schon am 6. Januar 2016 erschien, will ich sie nachreichen, da sie lesenswert ist und im Gegensatz zum Versuch der FAZ (siehe Manufakturen-Blog vom 5. Februar 2016, auch im „Marktplatz“) den Finger an der richtigen Stelle in die Wunde legt:

„Warum heißen so viele Firmen Manufakturen?“ fragt Stolz ganz zu Recht und präsentiert eine kleine Auswahl der Unsinnigkeiten: „Manufaktur für Ihr Vermögen“, „Manufaktur für Erlebnismarketing Dresden“, „Manufaktur für Beziehungsgestaltung“, „Manufaktur für Apps und Web“ und immer so weiter und so fort – ein Grusel-Kabinett der Dämlichkeiten.

Sein ironisches Fazit: „Apps etwa, die noch von Hand gemacht werden, so wie vor 300 Jahren, haben in diesen Zeiten etwas ungemein Beruhigendes.“

Matthias Stolz erinnert auch an den Begriff „Werkstatt“ und dessen „kreativen“ Einsatz, der vor einigen Jahrzehnten plötzlich und schwemmeartig auftrat und mutmaßt: „Ein Vorgänger der Manufakturen waren die Werkstätten, vor allem kulturelle Einrichtungen nannten sich einst so (Tanz-, Kino-, Theaterwerkstatt), vermutlich, um der Kunst etwas Bodenständiges abzugewinnen. Heute wird dagegen der umgekehrte Versuch unternommen, aus etwas halbwegs Bodenständigem (Büroarbeit am Computer) etwas Kunstfertiges zu machen.“


Der Manufaktur-Begriff macht für Dienstleister überhaupt keinen Sinn. „Manufaktur“ ist immer mit der Herstellung von realen Dingen verknüpft. Diese werden auch nicht am Computerbildschirm erzeugt, sondern in einer Kombination aus Handarbeit und Maschinenkraft. Die Serie ist eine Grundvoraussetzung, um sich vom Dienstleister abzuheben, eine andere ist das arbeitsteilige Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Gewerken (z. B. von Werkzeugmachern mit Stahlgraveuren, Schleifern und Polierern, Ziseleuren und Galvaniseuren – in der Erwartung des Endverbrauchers alle unter einem Dach, also in einer Firma gemeinsam beschäftigt). Der gemeine Tischler ist eben keine Manufaktur; in der Regel ist er noch nicht einmal ein Kunsthandwerker – sondern ein Handwerker, weshalb er ja auch in der Handwerkskammer Mitglied ist.

Etwas Anderes ist dagegen die Möbelmanufaktur (die in der Regel Mitglied der Industrie- und Handelskammer sein wird): mit ihren Möbel-Serien, mit der Zusammenarbeit von Tischlern, Lackierern, Designern, Kauf- und Marketingleuten – und dem Handel als wichtigem Verbündeten. Man kann sich auch merken: Ohne Produktion für den Handel in der Regel keine Manufaktur, sondern Dienstleistung. Denn der Handel verkauft heute zwar notgedrungen auch Dienstleistung mit – aber eben vor allem doch Produkte.

Der Manufaktur-Begriff ist auf der Homepage des Verbandes Deutsche Manufakturen e. V. definiert.

Foto: ZEITmagazinOnline

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Frankfurter Allgemeine reiht „Manufaktur“ unter ihre Unworte des Jahres 2016

5. Februar 2016, Frankfurt am Main. Erst hüh, nun hott. Im Sommer des Jahres 2010 machte die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit einer mehr als zwanzigteiligen Serie unter der Verantwortung der Redakteurin Julia Löhr über das Erstarken der Manufakturen auf sich aufmerksam („Deutsche Manufakturen“), berichtete sogar im ersten Teil von der Gründung des Verbandes Deutsche Manufakturen e. V. in Bremen. Jetzt die 180-Grad-Wende: Löhrs Kollegin Karin Truscheit schreibt am 2. Januar 2016, warum „Manufaktur“ nun in der FAZ zum Unwort erklärt wird: „Das Wort Manufaktur wird inflationär gebraucht.“

Auf 34 Zeilen regt sich die Autorin darüber auf, dass der Preis für das Eis aus der fälschlicherweise sich selbst „Eismanufaktur“ nennenden Eisdiele „um die Ecke“ aus ihrer Sicht „reine Willkür“ sei – Erdbeereis sogar 50 Cent teurer als Mango. Donnerwetter! Und das nur, weil Erdbeereis aus natürlichen Zutaten nunmal teurer herzustellen ist, als Mangoeis?

Harje Kaemena, Geschäftsführer des Bio-Eis-Pioniers „Snuten Lekker“ aus dem Bremer Blockland: „Bio-Erdbeeren kommen bei uns aus Deutschland. Die werden einzeln gepflückt. Das kostet. Mangos kommen auch als Bio-Ware schon püriert aus Billiglohn-Ländern. Das macht die Mango im Eis viel billiger, als die Erdbeere im Eis. Das führt zu Preisunterschieden.“

Und so könnte man die FAZ immer weiter widerlegen: bei den kritisierten Hemden-Manufakturen (da gibt es ja nun mal nur „Campe & Ohff“ aus Lauterbach und „Müller“ aus Hof), bei den angeblichen Pfeifen-Manufakturen (da gibt es nur eine, nämlich „Vauen“ aus Nürnberg) – diese tragen die Bezeichnung mit Fug und Recht.

Nee, da springt die FAZ verdammt kurz, ehrlichgesagt: enttäuschend zu kurz.

Die missbräuchliche Nutzung des Manufaktur-Begriffs durch Kunsthandwerker, Handwerker, Dienstleister und Hobby-Enthusiasten darf ja durchaus als Verbrauchertäuschung angeprangert werden. Aber auch nur dafür. Denn ansonsten beschreibt der Begriff ‚Manufaktur‘ eine Produktionsform – neutral und sinnvoll wie ‚Handwerk‘ oder ‚Industrie‘. Für die Einordnung bedarf es immer der Bildung und Recherche des Journalisten, der ja die Verantwortung dafür trägt, was er im Einzelfall so schreibt. Letzten Endes adeln Journalisten  auch häufig den Handwerker fahrlässig zur Manufaktur.

Frau Truscheit ist mir ansonsten unbekannt, über ihren Rechercheaufwand für ihren kleinen Beitrag kann ich nichts sagen. Sagen kann ich aber: Ihr Text passt nicht zu ihrer Anklage, der Überschrift. Da ihre Beispiele diese nicht belegen und schon gar nicht stützen.

Als wäre die Zeitung ihr privater Blog, stützt sie die Unwort-Anklage leider vor allem nur mit ihrer ganz persönlichen Meinung und stützt darauf auch ihre ganz persönliche Hoffnung – original Truscheit: „Gut, im Sinne von ‚herausragend‘ sind auf jeden Fall immer die Preise in den Manufakturen. Und manchmal passt auch die Qualität zum Preis. Wenn das nicht so ist, kann man nur hoffen, dass sich die Geschichte wiederholt und die Manufaktur bald wieder von der Fabrik abgelöst wird.“

Wie gut, dass auch die FAZ von gestern so gut zum Fischeinwickeln ist – oder im Altpapier landet. Schade, FAZ – echt underperformt.

Foto: Wigmar Bressel

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