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Ambiente 2023 stellt für Manufakturen mehr Fragen, als sie Antworten gibt

8. Februar 2023, Frankfurt am Main. Nach der ‚Ambiente‘ ist vor der ‚Ambiente‘ – die von der Messegesellschaft als „größte Konsumgütermesse der Welt“ bezeichnete Ausstellung über alle 12 Hallen des Messegeländes präsentierte sich über das vergangene Wochenende nach zwei Jahren Corona-Pause gemischt: Die Hallen waren neu verteilt – die berühmte 3.1 rund ums Kochen ist nun in der 8, die hochwertige Halle 4.1 war nun in die Halle 12.1 umgesiedelt – entsprechend groß war die Skepsis bei den Frankfurt-bereiten Ausstellern unter den Manufakturen. Da der Aussteller-Katalog nicht rechtzeitig zur Messe-Eröffnung fertiggestellt war, herrschte entsprechend großes Durcheinander und viele Aussteller wurden von Besuchern nicht gefunden und für „ist nicht da“ erklärt; das immer wieder abstürzende Kassensystem und überhaupt nur vier geöffnete Kassen für Eintrittskarten im Messeturm sorgten am ersten Messetag für lange Schlangen und Wartezeiten von mehr als einer halben Stunde am Eingang. Für eine so traditionsreiche Messegesellschaft irgendwie blamabel.

Die Porzellanmanufaktur Dibbern – die letzte verbliebene große deutsche Porzellanmanufaktur auf der Ambiente – steht jetzt zwar nicht mehr linksversetzt zum Haupteingang der Halle 4.1, sondern direkt und gleichwertig neben dem Silberwarenhersteller Robbe & Berking aus Flensburg in der 12.1 frontal zu Eingang – jedoch zum rückwärtigen. „Wir sind mit dem Standplatz sehr zufrieden“, sagte Jan Dibbern am ersten Messetag.

Dibbern wurde von Bernd T. Dibbern im Jahr 1972 gegründet. Eigentlich hatte er Architekt werden wollen, hat er mir einmal erzählt – seine Eltern wollten das nicht. Er wurde Kaufmann, interessierte sich für skandinavisches Design, arbeitete für Georg Jensen in New York, erhielt die Greencard – kehrte jedoch aufgrund seiner Einberufung zum US-Militär zur Zeit des Vietnam-Krieges nach Deutschland zurück. Dort machte er sich selbständig, vertrat Itala sehr erfolgreich auf dem deutschen Markt. Als ihm der Vertrag gekündigt wurde, begann er sein eigenes Porzellan zu entwerfen: ‚Solid Color‘ entstand, wurde und wird dem Unternehmen von Schönwald produziert – knackige Farben, frei kombinierbar, seit dem Jahr 1982 erfolgreich bis heute im Handel. Für die Produktion bei Hutschenreuther, dem ältesten deutschen privaten Porzellanhersteller (seit 1814) entwickelte er seinen ganz großen Wurf – ein geradliniges Geschirr aus Fine Bone China; doch Hutschenreuther machte genau zum Produktionsbeginn im Jahr 1996 zu. Wie reagierte Dibbern? Er kaufte im Jahr 1997 mutig das stillgelegte Werk, rekrutierte rund 130 ehemalige Hutschenreuther-Mitarbeiter für Hohenberg an der Eger. Diesmal unter Dibbern. Der Rest ist Geschichte: Beim deutschen Bundeskanzler tafelt man inzwischen mit seinem Geschirr, in Hotels überall auf der Welt, auf bedeutenden Kreuzfahrtschiffen. Dibbern bekam als Retter der Porzellanfertigung im Nirgendwo von Hohenberg das Bundesverdienstkreuz. Das Unternehmen macht heute rund 20 Millionen Euro Umsatz und wird von seinen Söhnen Jan und Ben geführt – Manufaktur ist es allemal. Im März des Jahres 2022 ist Bernd T. Dibbern im Alter von 80 Jahren gestorben. Es war die erste ‚Ambiente‘ nach ihm.

Die große Frage in allen produzierenden Branchen ist natürlich auch: Welche Veränderung, welche Chancen bringt der 3-D-Druck, der seit etwa 15 Jahren in der Entwicklung ist? Das Studio ‚Migration of matter‚ aus Berlin zeigte es auf der Messe anhand von Blumenvasen: Die Schichten wurden wie bei einer Aufbaukeramik in etwa fünf Millimeter starken Strängen aufmontiert. Der Energieverbrauch ist nicht das Problem – jedoch die Zeit, die das Ganze benötigt.

Manufakturen-Blog: Gehrings neue Kochmesser-Serie 'Hugo H1' (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings neue Kochmesser-Serie ‚Hugo H1‘

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Manufakturen-Blog: Das Geschirr 'Solid Color' von Dibbern in frischen Farben für das Jahr 2023 (Foto: Wigmar Bressel)

Das Geschirr ‚Solid Color‘ von Dibbern in frischen Farben für das Jahr 2023

Manufakturen-Blog: Ein Teil von Dibberns Produktion in Hohenberg an der Eger (Foto: Wigmar Bressel)

Ein Teil von Dibberns Produktion in Hohenberg an der Eger

Manufakturen-Blog: Vasen aus dem 3-D-Drucker von Matter of Migration Studio (Foto: Wigmar Bressel)

Vasen aus dem 3-D-Drucker von Matter of Migration Studio

Der Vorteil: Man muss nicht töpfern können, um die Vase herzustellen – dafür jedoch computeraffin sein und sich für Auto-CAD interessieren. Gebrannt wird klassisch. Mit vergleichbaren Preisen um die 120 Euro für die Endkunden ist 3-D also keine Gefahr für die Porzellanmanufakturen und schon garnicht für die Industrie mit ihrer Ausbeuter-Keramik aus dem sogenannten ‚Globalen Süden‘ oder Asien; eher eine Ergänzung. Die Entwürfe dieses Studios zeigen ihre Drucker-Herkunft ganz deutlich – es erinnert einstweilen an Termiten-Hügel und passt zum beliebten Ethno-Look.

In der neuen ‚Kochen‘-Halle 8 fand man die baden-württembergische Kupfermanufaktur Weyersberg. Marc Weyersberg ächzst mit seinem Acht-Mitarbeiter-Unternehmen unter den Messekosten, insbesondere der Messebau hat sich preislich verdoppelt: „Das darf nicht so weitergehen, das können wir sonst nicht mehr stemmen.“ Die Kupfermanufaktur hat gemeinsam mit der Messerschmiede Güde aus Solingen (Weyersberg ist selbst Solinger) eine Messerserie mit Kupfergriffen entwickelt. Sieht wunderbar aus, ist antibakteriell. Haken an der Sache: Das kleine Unternehmen kann die Nachfrage wieder einmal nicht befriedigen. Und: Güde – dorthin hätte man ungeduldige Händler ja verweisen können – passte die neue Halle und ihr Standplatz nicht, war erst gar nicht vertreten.

Dagegen erste Zufriedenheit am Stand der Solinger Messermanufaktur Gehring, die mit eigenem Standbau reist: Zu Ehren des Firmengründers Hugo Gehring wurde von den Söhnen Volker und Hartmut (seit dem Jahr 2007 Geschäftsführer) eine Messerserie ‚Hugo – H1‘ mit geschwungenem schwarzen Holzgriff entworfen, prompt vom ‚Rat für Formgebung‘ für sein chices Design mit dem ‚German Design Award Special 2023‘ ausgezeichnet.

Aber auch in der ehemaligen ‚Kochen‘-Halle 3.1 gab es ‚Manufaktur‘ zu entdecken: Die Textildruckerei Frohstoff (gegründet im Jahr 2002, inzwischen zwölf Mitarbeiter) aus Hamburg mit ihren poppigen Geschirrtüchern, Kissen und Bettwäschen stand jetzt ungefähr dort, wo immer Güde gestanden hatte. Frohstoff-Mitinhaber Jörg Vogt ließ am Messestand Einkaufsbeutel mit einer kleinen Handsiebdruck-Anlage vor aller Augen show-bedrucken – wer solchen Aufwand betreibt, hat die Aufmerksamkeit der Messebesucher.

Fotos & Video: Wigmar Bressel

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Die Manufakturen-Trends der ‚Ambiente 2018‘: Designer, Namen, Lebensgefühl

10. März 2018, Frankfurt am Main. Peter Raacke ist wieder da – und Mark Braun allerorten in der Manufakturen-Branche unterwegs. Das ist eine Möglichkeit, den Rückblick auf die ‚Ambiente 2018‘ zu beginnen… Manufakturen und Designer – auch kleine Unternehmen nutzen die Ideen bekannter Produktentwerfer. Nehmen das Geld in die Hand, und lassen sich neue Dinge kreieren, die ihnen auf dem schnellebigen Markt der Konsumgüter ein Standing verschaffen sollen. Das Produkt soll perfekt sein – und vom eigenen Betrieb in Deutschland gefertigt. Manchmal wird auch ‚nur‘ der große Name eingekauft und genutzt oder ein Lebensgefühl entworfen und gezeigt – Händler und Kunden wollen Geschichten, das ist nun einmal so.

Peter Raacke (Jahrgang 1928) ist der Designer des Bestecks „Mono A“ – es war das erste Besteck von Mono, das aus einem Blech gestanzt wurde. Mono wurde mit dem Besteck berühmt – es erhielt sogar im Jahr 1999 seine eigene Briefmarke. Im Jahr 1962 entwickelte Raake mit dem Großonkel Herbert des heutigen Firmenchefs Wilhelm Seibel das Besteck „Mono Ring“, das Besteck zum Aufhängen am eigenen Ständer, der auf dem Esstisch stehen bleiben kann, – mehr als eine Million Besteckteile wurden in den folgenden dreißig Jahren verkauft; bis das Besteck mit seinem Kunststoffgriffen an der Inkopatibilität mit Geschirrspülmaschinen scheiterte.

Es folgte eine lange Pause. Im vergangenen Jahr erfolgte die Auftragsvergabe an den in Berlin arbeitenden Designer Mark Braun (Jahrgang 1975): „Mono Ring“ neu entwickeln, von Peter Raacke abgesegnet. Braun ist inzwischen für eine ganze Reihe von Manufakturen tätig geworden – Nomos („Metro“-Reihe, „At work“), Lobmeyr („Fortune“, „TS283“), Mühle (Rasierset „Hexagon“ – Manufaktur-Produkt des Jahres 2017), derzeit auch für Feingerätebau K. Fischer tätig – und eben auch für Mono.

Heraus kam ein voll-geschirrspüler-taugliches Besteck. Verändert wurde auch die Klinge (damit man mit ihr besser Brote schmieren kann) sowie leicht veränderte Griffe in fünf Farben; raffiniert mit Glasfasern verstärkter Polymer sowie unsichtbare Glaskugeln, die für mehr Gegengewicht zum Stahlvorderteil sorgen. Diese fertigt Mono in der bekannten sorgfältigen Weise selbst – für den Kunststoffgriff suchte man sich einen Spezialisten als Partner, der in Velbert sitzt.

Manufakturen-Blog: "Mono Ring" ist wieder da - die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

„Mono Ring“ ist wieder da – die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

Das Gewinnen von Design-Wettbewerben ist auch eine Spezialität der Brüder Hartmut und Volker Gehring. Die Schneidwaren-Manufaktur Gehring hat den heute allerorten anzutreffenden Damaststahl vor vielen Jahren in die Kochmesser-Produktion eingeführt und ist der größte deutsche Importeur japanischen Hochleistungsdamaststahls. Im Solinger Familienunternehmen ist Volker Gehring der Produktdesigner „inhouse“. Und er hat immer neue Ideen – auf der Ambiente wurde das frisch vom Rat für Formgebung – German Design Council prämierte Messerset „Wave“ gezeigt: German Design Award Winner 2018. Herzlichen Glückwunsch!

Manufakturen-Blog: Gehrings Messerserie "Wave" gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings Messerserie „Wave“ gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Einmal um die Ecke rum in Halle 3.1 steht Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur. Der hat die neue gerade Linie jetzt aus drei Millimeter starkem Kupferblech geformt – nochmehr Masse gegen das mögliche Problem des Verformens in der Produktion.

Auch im Porzellan-Bereich wurde ein großer Name lizensiert: Bei Pablo Picasso (1881 – 1973) durfte die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1799) nun Anleihen machen – die Serie heißt „Dinner with Picasso„; aber auch zwei sehr auffällig dekorierte Becher der Serie „Wunderbar“ (0,4 l Inhalt, ca. EUR 39,00 uvp.) stachen mir ins Auge.

Manufakturen-Blog: Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit "Wunderbar" aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit „Wunderbar“ aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Ein paar Gänge weiter der eindrucksvolle neue Stand von Meissen – eine Leistungsshow aus Großteilen umrundet zwei Seiten, während scheinbar achtlos zusammengestelltes Porzellan auf einem langen Tisch den Kontrapunkt setzte. In der Mitte ein Besprechungsraum in Werkstattoptik – soviel Humor war mir bisher bei der Ur-Manufaktur aus Sachsen nicht aufgefallen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Manufakturen-Blog: Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos - folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos – folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Dann natürlich Dibbern: Die gut 50 Jahre junge Gründung aus Bargteheide mit eigenem großen Werk in Hohenberg an der Eger (Ex-Hutschenreuther) bot auf der einen Standseite die Serie „Pastell“ an, deren Name Programm ist, auf der anderen Standseite ein neues Dekor für die Fine-Dining-Linie: „Palm Beach“; die Weiterentwicklung des von den Händlern unverstandenen „Miami“.

Auch ein neues Accessoire probiert Dibbern aus – den Champagner-Becher, z. B. im Innendekor „Purple Titanium“. Champagner und Becher – das kennt man von Fürstenberg, bei denen die wahnsinnig zarten Becher Champagner viel besser unterstützen, als man es beschreiben kann; und bei Fürstenberg sind die Becher das bestverkaufte Geschenk. Nun also auch Dibbern. Nach zwei großzügigen Bechern Champagner kann ich sagen, dass das dunkle Innenleben des Bechers meine Geschmacksnerven animierte, mich stärker auf die angenehm herben Aromen des Getränks zu fokussieren – in der Hitze der Messehalle 4 eine köstliche Erfrischung!

Manufakturen-Blog: Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier "Purple Titanium" (Foto: Wigmar Bressel)

Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier „Purple Titanium“ (Foto: Wigmar Bressel)

Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch die Show am Stand der Solinger Messermanufaktur Böker Baumwerk: Das im Jahr 1869 gegründete Unternehmen (das älteste Warenzeichen ist aus dem Jahr 1674 verbrieft) der heutigen Eigentümerfamilie Felix-Dalichow bietet ja eine große Bandbreite an Produkten – 356 Seiten hat allein der Hauptkatalog in Dünndruck. Böker hat ein weiteres eigenes Werk für Jagd- und Outdoormesser in Argentinien – diese Messer laufen unter der Marke Böker Arbolito. Sehr günstige Linien lässt man in Europa, Amerika oder Asien für die eigene Marke ‚Magnum by Böker‘ produzieren und kommuniziert das auch. Dann gibt es natürlich neben Kochmessern die Jagdmesser, die die meisten Menschen mit Böker verbinden – für 50 bis 1000 Euro, erkennbar an den Markennamen ‚Böker Plus‘ und ‚Böker Manufaktur‘. Aber ebenfalls bei Böker selbst gefertigt werden Rasiermesser (die passenden Pinsel kommen übrigens von Mühle); für das Thema Rasur gibt es einen eigenen 60-seitigen Katalog. In ihm heißt es: „Was die Böker Manufaktur mit dieser Szene teilt, ist die Tradition, der unbedingte Wille zur handwerklichen Perfektion und die Leidenschaft für das, was wir tun. Ein wichtiger Bestandteil hiervon ist der ständige Austausch mit anderen Fachleuten und Liebhabern über den Gegenstand, der uns verbindet.“

Und auf der Ambiente hatte man bei Böker am Stand zur Ankurbelung dieses Segments einen eigenen Barbershop aufgebaut – wer wollte, konnte sich vom professionellen Barber rasieren lassen. Es wurde reger Gebrauch gemacht… und zeigt, dass man auch ohne große Namen auskommen kann, wenn man es versteht, ein Lebensgefühl genau auszudrücken und die Menschen, die darin leben, zielgenau anzusprechen.

Manufakturen-Blog: Der Meister bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

Barbier Santos bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

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Ambiente 2017: Kochen, essen, schreiben – was Sie Neues von deutschen Manufakturen gesehen haben sollten

13.02.2017, Frankfurt am Main. Die größte Überraschung auf der Konsumgütermesse Ambiente 2017 bescherte mir Römertopf: Wenn die Manufaktur aus Ransbach-Baumbach im Westerwald im 50. Jahr ihres Bestehens für ein neues Produkt gleich die Tongrube wechselt, genau genommen statt ausschließlich in Moschheim Ton einzukaufen, nun auch noch in Niederahr ordert, dann bleibt der Besucher verdutzt am Stand stehen und fragt sich, was los ist. 50 Jahre Terracotta – und nun dies.

Michel Rouland ist immer noch der Frontmann, auch die anderen Mitarbeiter am Stand in Halle 3.1 sind vertraut. Aber da stehen rechts und links der Gesprächszone mit den vielen terrakottafarbenen, offenporigen und im Betrieb zu wässernden Römertöpfen – die berühmten Töpfe für das fettfreie Braten gegen die Kalorien des deutschen Wirtschaftswunders – anthrazitfarbene Kochgeschirre, die glasiert glänzen, und hinzu kommt eine große Grillstation sowie Plakate, auf deren Fotos die neuen Töpfe im Feuer stehen: „Römertopf goes BBQ“.

Okay. Die neuen Kochgeschirre sind aus einem anderen Ton – der feuerfest ist. Und das konnte eben der bisherige terrakottafarbene Ton nicht. Außerdem hat der neue Ton eine ganz feine Beschaffenheit, fühlt sich seidig matt an (z. B. auf der Innenseite des Deckels) – und ist cremeweiß. Damit der Topf diesmal keine Feuchtigkeit aufnimmt und im Feuer platzt, wurde er glasiert. In einer faszinierenden Farbe – es ist anthrazit. Erinnert jedoch gerade bei den runden Töpfen sehr an Stahlhelme. Gemüse anbraten, Chilli vom Grill – ich glaube, Männer werden diese Farbe lieben und die Töpfe zum In-die-Glut-stellen – mit ihrer ursprünglichen Art, vielleicht am ehesten zu beschreiben als: Nomaden-Art – zum Renner machen. Verkaufspreise ab 34 Euro.

Noch eine neue Idee zum Thema Kochen kommt von Mono in Halle 4.0. Die Besteckmanufaktur aus Mettmann (mit der weiteren Marke Pott und Sarah Wiener als Aushängeschild für eine Pott-Messer-Serie) hat ihren Messestand neu in geschmackvollem Moosgrün eingerichtet – trotz blauschwarzen Mono-Logos (gut!). Und sich etwas Neues zum Thema Topfdeckel ausgetüftelt. Wohlgemerkt zum Deckel – denn „Mono steigt nicht in die Topfproduktion ein“, sagt Geschäftsführer Wilhelm Seibel.

Aber der neue Deckel kann etwas: Auf der Unterseite sind feine Silikonringe angebracht. Da der Deckel nach unten gewölbt ist, kann man ihn praktisch in jedem Winkel auf verschiedenste Töpfe aufsetzen – das Wasser tropft nach innen ab, er kommt danach auch tropffrei aus der Geschirrspülmaschine. Außerdem verfügt er über einen Kaltgriff und man kann auf ihm – besser: in ihm – den Kochlöffel ablegen sowie alternativ dort das Schnittgut aufbewahren, bis alles geschnippelt ist und in den Topf soll. Bezeichnend ist auch der Produktname: mono multitop. Verkaufspreise: 48 bzw. 58 Euro (22cm/26 cm).

Für den Handel gibt es eine raffinierte Kampagne unter wasistdas.mono.de, in der der Endverbraucher sich in der Zeit vom 24. April bis 26. Mai 2017 Gedanken machen soll, was das neue Teil wohl sei, seine Ideen dazu bei Mono einreichen und Einkaufsgutscheine gewinnen kann.

Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur aus Starzach baut sein Sortiment weiter aus. Zu den induktionsherdgeeigneten und keramikbeschichteten Bratpfannen und Backformen gibt es weitere Größen, die Mini-Stielcasserole für die Vorspeisen, Tarteform, jetzt kommt ein sehr großer Bräter hinzu. „Ich habe inzwischen zwölf Töpfe und Pfannen zu einem Preis von mehr als 500 Euro Verkaufspreis im Handel – damit bin ich hier in der Halle 3.1 sicherlich einzigartig“, grübelt Weyersberg offen nach. Halle 3.1 – das ist die mit den großen deutschen und europäischen Koch-Marken. Teuer scheint kein Problem: Die Kupfermanufaktur Weyersberg hat den Stückumsatz bei diesen teuren Luxus-Geräten vervierfacht, hat überhaupt einen tollen Lauf.

Auch die Gehring-Brüder Hartmut und Volker aus Solingen haben sich dem Kochen verschrieben – genaugenommen dem Schneiden. 2000 verschiedene Kochmesser entstanden im Laufe der bisher 60jährigen Firmengeschichte. Ganz neu aus der Manufaktur, die ja in Deutschland der Vorreiter der Damaststahl-Messer ist: Messer aus Damaststahl mit teilgeprägten und polierten Klingen. Das Muster – eine Gras-Struktur – ist geschützt; eine andere, aussehend nach Hammerschlag (aber geprägt), wurden gerade mit dem Design-plus-Preis 2017 für Nachhaltigkeit ausgezeichnet, die Messer sind auch in der sogenannten ‚Galleria 1‘ ausgestellt.

Ein Arbeitsgang mehr – und das Interesse der großen Händler ist riesig. Solche Messer hat man noch nicht gesehen. Verkaufspreis ab 50 Euro.

Neuester Promi-Koch mit Gehring-Messern ist Johann Lafer.

Einen anderen Weg geht die ebenfalls Solinger Messermanufaktur Güde. Inhaber Dr. Peter Born treibt das ‚intellektuelle‘  Damastmesser weiter auf die Spitze. Deutscher Damaststahl in der Version ‚Wilder Damast‘ wird 300-lagig zwei Tage geschmiedet. Die Griffhölzer sind aus bis zu 1500 Jahre altem Wüsten-Eisenholz. Das Holz ist genauso toll strukturiert wie der ‚Wilde Damast‘, schwer zu bearbeiten, wie es der harte Name schon sagt, eine Kostbarkeit. Das neue Messer mit extrem breiter Klinge – eine Mischung aus chinesischem Kochmesser und Fleischerbeil – bleibt demensprechend etwas für den Liebhaber oder fanatischen Koch – es kostet 1800 Euro.

Dafür hat sich Peter Born einmal hingesetzt und die Geschichte des Messers aufgeschrieben – von der Steinzeit bis heute: Herstellung, Stahl, Holz, Messer, Pflege und Aufbewahrung. Zweisprachig deutsch-englisch: „Die Messer. The Knives.“ Bestellenswert!

Von der Herstellung zum Dinieren. Am Stand der Porzellanmanufaktur Dibbern aus Bargteheide in der Halle 4.1 ist immer was los. Dibbern geht nicht zur Messe ohne neue Vorschläge an Handel und Gastronomie. Ben Dibbern: „Wir haben Art déco im Angebot, skandinavisches Design und eine vielleicht als Retro empfundene neue Form mit dem Namen ‚Heritage‘.“ Alles aber in Fine Bone China, weiß und bunt natürlich zum Mixen.

Viele Händler waren überrascht – schon öfter war Dibbern seiner Zeit voraus. Manches Projekt wurde meiner Meinung nach zu schnell abgebrochen (ich sag nur: ‚Miami‘). Abwarten ist jedoch nicht die Art der drei Herren, die die Geschäfte sehr erfolgreich lenken. Vielleicht geben sie Handel und Kunden diesmal eine Chance, sich hinterher zu entwickeln. Oder auch wieder nicht.

Eine ganz andere Strategie verfolgt die Porzellanmanufaktur Fürstenberg im Parallelgang, im Jahr 1747 gegründet und in der gleichnamigen Burg oberhalb Höxters zu Hause. Mitte März 2017 eröffnet dort das neue Porzellanmuseum mit Mitmachbereich. Nachdem die Manufaktur im niedersächsischen Staatsbesitz (gehalten über die NordLB) sich über die Jahrhunderte ihren besonderen Ruf für ihre Porzellanmalerei erarbeitet hat, gibt es jetzt eine radikale Erweiterung: Mit der Beauftragung des argentinisch-schweizerischen Designers Alfredo Häberli gelangen weitere neue Formen, die nach meinem Eindruck noch mehr auf die Gastronomie abzielen. Unter dem Namen ‚Fluen‘ entstand echtes Gebrauchsporzellan. Gebrauchsporzellan auch deshalb, weil die Preise echt verträglich sind und gastronomiefähig. Auch die gedruckten Dekore als Alternative zum ewigen Weiß sind gut: Strahlenringe in Braun und Beige (Dekor ‚Fine Lines‘) oder geschwenkte Kreise in Mint und Gold und Blau auf dem Tellerrand – bei weißen Essflächen (Dekor ‚Shifting Colors‘) . Los geht’s bei untypischen 20 Euro.

Ich möchte Sie noch zu einem Gang in die Halle 11.1 animieren. Es hat sehr entfernt auch noch etwas mit essen und trinken zu tun. Dort möchte ich Ihnen einen Gang zur  renommierten Schreibgeräte-Manufaktur e+m holzprodukte aus Neumarkt in der Oberpfalz empfehlen. Wolfram Mümmler und seine Frau Brigitte leiten ein seit vier Familiengenerationen bestehendes Unternehmen, das die tollsten Schreibgeräte aus Holz drechselt. Hört sich nach ‚regional‘ an? Nein, hingehen! Neueste Kracher: Kugelschreiber aus dem Holz alter Weinreben gedrechselt (250 Euro). Oder aus dem Holz bisheriger Barrique-Fässer (190 Euro). Oder hauchdünne Kugelschreiber (1 cm Durchmesser) namens ‚Style‘ und ‚Style.us‘ aus Wildkirsche, Wenge, Zebrano oder Walnuss, mit deren Kappe man Handys bedienen kann (z. B. wenn man Handschuhe trägt oder das Gefühl hätte, man hätte zu dicke Finger) – ab 35 Euro.

Das mittelständische Unternehmen war mal der große deutsche Federhalter-Hersteller. Im Krieg schwerst getroffen, hatte es sich vierzig Jahre nach ’45 wieder so weltweit verbreitet, dass ein amerikanischer Präsident namens Ronald Reagan einen wichtigen Vertrag mit einem Holzschreibgerät der Familie Mümmler unterschrieb – und auf einem Foto reckte er den Kugelschreiber hinterher in die Kamera.

Die Ambiente 2017 geht noch bis zum 14. Februar, 17.00 Uhr, Tageskarte 37 Euro.

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Die Backform mit den weltbesten Backeigenschaften – ist aus Kupfer

19. Februar 2016, Starzach. Sie hat außen diese wunderbar warme Farbe, tolle, klassische Rundungen – die Backform „Frankfurter Kranz“ aus massivem Kupfer. Innen ist sie praktisch und geschmacksneutral keramikbeschichtet. Schwer und gediegen liegt sie in der Hand. Die Wand der Backform ist aus eineinhalb Millimetern Kupfer, das diese phantastische Wärmeleitfähigkeit hat. Eine Backform mit weltbesten Backeigenschaften.

Backen in Kupfer – das ist der neueste Ansatz von Marc Weyersberg, geschäftsführender Gesellschafter der Kupfermanufaktur Weyersberg aus dem württembergischen Starzach. Weyersberg ist berühmt für seine Innovationskraft.

Die kleine Manufaktur im Schloss Weitenburg hat vor drei Jahren mit der Rettung des Kupfergeschirrs schlechthin auf sich aufmerksam gemacht. Weyersberg, einziger deutscher Kupfergeschirrhersteller, stand vor der Frage, wie es weitergehen sollte, nachdem die Europäische Union beschlossen hatte, den Kontakt von Kupfer zu heißen Lebensmitteln „stark einzuschränken“ – um es vornehm zu formulieren und nicht von einem Teil-Verbot zu sprechen. Weyersberg entwickelte daraufhin die erste keramikinnenbeschichtete Kupferbratpfanne der Welt – die von ihm als Obergipfel der technischen Erneuerung auch noch induktionstauglich gemacht wurde: mit hochmagnetischen Eisenmolekühlen, die unter die Kochfläche gespritzt werden. Marc Weyersberg: „Das war mehrere Jahre Tüftelei und die Suche nach dem richtigen Partner für diese teure Technik. Aber es musste sein. Denn viele unserer Kunden sind inzwischen auf Induktionsherde umgestiegen – und da funktioniert Kupfer halt nicht.“

Manufakturen-Blog: Die neue Gugelhupf-Backform aus Kupfer - sie hat durch die spitzenmäßige Wärmeleitfähigkeit eine deutlich verringerte Backzeit (Foto: Wigmar Bressel)

Die neue ‚Frankfurter-Kranz‘-Backform aus Kupfer – sie hat durch die spitzenmäßige Wärmeleitfähigkeit eine deutlich verringerte Backzeit

Manufakturen-Blog: Die Keramikinnenbeschichtung der Backform der Kupfermanufaktur Weyersberg bietet unter anderem den Vorteil, dass der Kuchen nicht am Kupfer anbackt (Foto: Wigmar Bressel)

Die Keramikinnenbeschichtung bietet unter anderem den Vorteil, dass der Kuchen nicht am Kupfer anbackt


Manufakturen-Blog: Backformen aus Kupfer der Kupfermanufaktur Weyersberg in verschiedenen Formen (Foto: Wigmar Bressel)

Backformen aus Kupfer in verschiedenen Formen

Manufakturen-Blog: Wie bei vielen Metallen, lassen sich auch Kupfer-Koch- und -Backgeschirre mit spezialisierter Politur besser pflegen - auch die Kupfermanufaktur Weyersberg hat sich ein Produkt entwickeln lassen (Foto: Wigmar Bressel)

Wie bei vielen Metallen, lassen sich auch Kupfer-Koch- und -Backgeschirre mit spezialisierter Politur besser pflegen

Aus Schachmatt wurde der Phönix: Diese Bratpfanne wurde im Jahr 2014 als deutsches „Manufaktur-Produkt des Jahres“ von der Jury des Verbandes Deutsche Manufakturen e. V.  ausgezeichnet, hat sich seitdem sensationell verkauft – und machte Weyersberg berühmt. Die Farbe Kupfer – seit einem Jahr wieder sehr „in“ – tat ein Übriges. Klar: Inzwischen sind fast alle Kochgeschirre, die für höhere Temperaturen in Frage kommen, von Weyersberg umgerüstet auf Induktionstauglichkeit und EU-Kompatibilität.

Nun also Backformen. Marc Weyersberg: „Wir hatten auf der Ambiente 2016 in Frankfurt ein phantastisches Feedback von Händlern bis nach Japan. Und das bei unseren Preisen, die ja im Küchensegment auch gerne als jenseits von Gut und Böse eingestuft werden. Sie haben nichtmal gezuckt.“

Preise – das bedeutet 149 bis 189 Euro für die Backformen, je nach Größe. Die inzwischen  berühmte, ausgezeichnete Bratpfanne kostet zum Beispiel 339 Euro. Weyersberg: „Ich stelle fest, dass es sich bei den Käufern größtenteils gar nicht um die Schönen und Reichen handelt, sondern um ausgesprochene Koch-Enthusiasten – viele sparen sich unsere Töpfe richtig zusammen, höre ich aus dem Handel.“

Auch für die Pflege hat sich Weyersberg inzwischen etwas überlegt. Auf der Messe stellte er sein erstes Kupfer-Pflegemittel (Preis: 19,95 Euro) vor. Es enthält ordentlich Schleifpartikel – Weyersberg: „Das muss man sich vorstellen wie Peeling beim Duschgel.“ –, die das Kupfer wieder schön kupferrot bekommen. Für die verkupferten Kochgeschirre aus dem Import ist es allerdings nicht geeignet. Marc Weyersberg:  „Die dünnen galvanischen Verkupferungen sind mit meinem Putzmittel schnell runter.“ So trennt das Putzmittel halt Kupfernes von Verkupfertem – like the man from the boy.

Fotos: Wigmar Bressel


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Manufakturen-Blog: Die Kupfermanufaktur Weyersberg hat jede Form von Schalen, Pfannen, Bratpfannen im Angebot (Foto: Wigmar Bressel)

Die Kupfermanufaktur Weyersberg hat jede Form von Schalen, Pfannen, Bratpfannen im Angebot