Name versus Marke: Immer mehr junge Menschen skeptisch gegenüber Marken
8. Oktober 2017, Bremen. Die Marke sinkt im Ansehen. Der Name des Herstellers wird wieder wichtiger – und wer sein Produkt empfiehlt.
Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens A. T. Kearney, das 7000 junge Menschen weltweit nach ihrem Vertrauen in Marken und Konzerne befragt hat. Im Vergleich mit der gleichen Befragung vor fünf Jahren ist die Skepsis in Deutschland Marken und Konzernen gegenüber von 33 auf 55 Prozent gestiegen. In anderen Regionen der Erde noch stärker. Dafür ist der Name des Herstellers (wieder) und der externe ‚Bürge‘ für ein Produkt – zum Beispiel ein bekannter Blogger oder sogenannter ‚Influencer‘ – stark im Kommen, also: Wer steckt hinter einem Produkt, wer hat es geprüft – und wer empfiehlt es?
Meiner Meinung nach ist das eine gute Nachricht für Manufakturen (und alle anderen Mittelständler und ‚Einzelkämpfer‘). Ich lese aus den Untersuchungsergebnissen heraus, dass es eine empfehlenswerte Strategie für Manufakturen ist, die Kraft weiter in die Qualität des Produkts und danach in das Polieren des eigenen Namens zu stecken; durch Transparenz und Verlässlichkeit an der Glaubwürdigkeit zu arbeiten – statt an der bloßen Bekanntheit – weil sich die zukünftigen Erwachsenen als potentielle Kunden dafür interessieren.
Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob nicht jeder Name auch immer gleichzeitig Marke sei – heruntergebrochen bis auf jeden einzelnen Menschen als Marke seiner selbst (ich erinnere mal an Jon Christoph Berndt auf dem 2. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen mit seinem Buchbestseller ‚Die stärkste Marke sind Sie selbst!‘).
So, wie das Deutsche Marken-Lexikon es seinerzeit ablehnte, Namen-Marken – wie die unserer Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld im Gegensatz zu den Kunst-Markennamen, wie Haribo – aufzunehmen, kann man auch leicht die unterschiedliche Ausrichtung erkennen: Die ‚Namen‘ verfügen über ihren individuellen Bekanntheitsgrad hinaus über eine besondere Aufladung durch die Namensgeber – in der Regel die Firmengründer.
Offensichtlich ist es den Kunden wichtig, bei uns Herrn Koch oder Herrn Bergfeld kennenzulernen – und ich muss sie dann leider immer enttäuschen, dass ich weder der Eine, noch der Andere sei. Ich erkenne darin den Wunsch, sich mit demjenigen zu unterhalten, der für das Produkt steht.
Bei den reinen Produktmarken verhält es sich anders. Ich habe kaum jemanden getroffen, der wirklich gerne den regulären Preis uvp bezahlt – es ist gar nicht mal der Wunsch, unbedingt Geld zu sparen, sondern die oft geäußerte Skepsis, dass man viel zu viel für das Marken-Marketing mitbezahlen müsse – „Mindestens die Hälfte des Preises ist reine Luft!“, sagen viele. Sehr viele Menschen entscheiden also genau zwischen Herstellername in Verbindung mit dem Produkt und der Produktmarke aus dem Konzern.
Coca-Cola ist ja wahrscheinlich immer noch die bekannteste Produktmarke der Welt, weil sie mit ihren Dosen und Flaschen ‚analog‘ ist und vielen Menschen, die zu arm für die digitale Welt sind, bekannter ist, als die ‚Digital‘-Marken Microsoft, Alphabet (Google) und Facebook. Und welcher Manufakturunternehmer träumt nicht auch einmal davon, dass sein Produkt genau so berühmt, so bekannt werde? Mich hat es auf meiner Reise mit einem Privatjet eines Auftraggebers durch Afrika sehr beeindruckt, dass die Flughafenbediensteten bei der Betankung in allen Ländern, in denen wir landeten, – vor die Wahl gestellt – jeder Einzelne statt Trinkgelds lieber eine kalte Dose Coca-Cola aus der Flugzeugnase haben wollte. Man könnte jetzt natürlich darüber spekulieren, ob die Marke ‚US-Dollar‘ einfach im Verhältnis zu ‚Coca-Cola‘ gesunken sei – aber es führt uns auch immer weiter weg vom Thema…
Junge Leute interessiert also stärker, als ihre Altersgenossen zuvor, von wem und wie ein Produkt erzeugt wird. Sie verstehen, dass die Marke in der Regel überhaupt nichts über vertretbare Produktionsbedingungen (besonders eklatant in der Mode und bei der Produktion von Lebensmitteln), ethisches Handeln der weltweit agierenden Multi-Konzerne – und noch nicht einmal über perfekte Qualität aussagt, da insbesondere weltweit tätige Einkaufsabteilungen dazu neigen, traditionelle Zutaten des Ursprungsprodukts durch Ähnliche – aber vor allem Günstigere, wie Palmöl und Soja – zu ersetzen und so das Produkt in der Marge für den Konzern immer weiter zu optimieren.
Sie sind offensichtlich nicht bereit, zu glauben, dass das bekanntere Markenprodukt automatisch das Bessere sei. Und wo auf einmal Qualitätsfragen wieder interessieren – da schlägt die Stunde der Argumente. Und wenn es um Argumente geht, dann können auch kleine Hersteller wieder zum Zuge kommen. Denn der interessierte Kunde recherchiert selbst, liest und interessiert sich für Vor- und Nachteile der jeweiligen Fertigungsart, die Eigenschaften des Produkts. Er bildet sich seine eigene Meinung und überlegt, mit wem er das Tauschgeschäft Geld gegen Ware eingeht.
„Wir erleben zurzeit eine radikale Verschiebung der Marktmechanismen hin zu einer Welt, in der Vertrauen, Personalisierung und einzelne Influencer den Ausschlag geben“, analysiert Dr. Mirko Warschun, Handels- und Konsumgüterexperte bei A.T. Kearney, die eigenen Untersuchungsdaten für die Pressemitteilung des Unternehmens. Die zentrale Botschaft sei, dass die großen Player eklatanten Nachholbedarf beim Zukunftsthema ‚Vertrauen‘ hätten. Außerdem seien die meisten Kunden digital vernetzt, an Nachhaltigkeit interessiert – und wollten immer öfter personalisierte Angebote, also Angebote, die direkt auf sie als einzelne Kunden zugeschnitten seien.
Gerade personalisierte Angebote bedeuten Aufwand – aber der ist immerhin für alle Hersteller (und auch Händler), für Konzerne und Manufakturen, unabhängig von der Größe gleich: Daten erfassen, in Kontakt bleiben, Angebote machen, Fans einbinden, mit Bloggern ins Gespräch kommen…
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