Dr. Thomas Koy: „Rückverfolgung ist eine Frage der Authentizität“
30. September 2017, Zwiesel. Wie weit treiben wir in der Nachhaltigkeit die Transparenz? Sehr weit… Die Holzmanufaktur Liebich – der bekannte Holzverpackungshersteller aus Zwiesel – teilte jetzt mit, dass ab sofort alle Kunden automatisch erfahren, woher ihr Holz im Bayerischen Wald genau stammt. Allemal Grund genug, um mit dem Inhabergeschäftsführer Thomas Koy darüber zu sprechen, warum er die GPS-Daten zum Holz auf jede Verpackung druckt.
Die Rückverfolgung – das Tracking – des Holzes bis zurück zum einzelnen Baumstumpf im Wald – wofür ist das wichtig?
Rückverfolgung ist eine Frage der Authentizität. Die Marketingbegriffe dazu sind Traceability – Rückverfolgbarkeit – und Sustainability – Nachhaltigkeit. Die kann man im Marketing gut formulieren – aber wenn man das am Gegenstand nachweisen kann, und zwar nicht bloß bis ins Bundesland, sondern bis in den Wald, ist es eben eine Art der Ehrlichkeit, die man uns als Manufaktur unheimlich abnimmt. Wir haben das für den japanischen Markt angefangen, weil die Japaner großen Wert auf die deutsche Qualitätsarbeit legen – das war für uns ein Versuch und Test, ob es funktioniert und ob es wirklich jemanden interessiert. Dann haben wir das auf die Produkte für Dubai ausgeweitet, dann auf Iran – und schließlich nun für alle. Wir staunen, aber wir kriegen eMails, in denen steht, dass die Kunden sich das tatsächlich auf Google Earth anschauen, den Wald erkunden und sich darüber freuen, dass eine weitere Beziehung zu unseren Produkten entsteht. Sie sehen München, kennen das Hofbräuhaus… und dann ist da dieser riesige schwarze Fleck daneben – das ist der Bayerische Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas. Und da gibt es dann diesen Punkt – da stand wirklich dieser Baum, aus dem dann die Verpackung ist, die sie in der Hand halten.
Kam die Idee aus den einzelnen Märkten? Wollten die Kunden das wirklich wissen?
Nein, denk mal andersherum. Wir wollten mit unserer Manufaktur – sie war ja früher einmal eine Holzwarenfabrik, die sogar Tropenholz mit verbaut hat – ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten. Wir verarbeiten nur Massivholz aus Bayern. Und wenn man diesen Anspruch nicht nur behaupten will, dann muss man die Aussage auch nachweisen können. Selbst bei Verpackungen schaut heute Foodwatch drauf und kuckt, ob sie IPPC-getrocknet sind oder ob es nach Chemie riecht und aus China kommt.
Und da haben wir also gesagt – um uns vom Wettbewerb abzugrenzen – wir werden nur heimisches Holz verwenden.
Spielt der Holzpreis keine Rolle? Ich kann mir vorstellen, dass der Wildeinschlag in Rumänien oder Weißrussland doch viel günstiger auf den Markt kommen kann…
Ja, das ist so. Das nehmen wir in Kauf. Da wir aber unser Holz auch LKW-Zugweise kaufen, reden wir vielleicht über sechs Prozent beim Rohholz. Das ist nicht so entscheidend, wie die sonstigen höheren Produktionskosten aus Personal und deutschen Löhnen, Behördenauflagen, Steuern und Overhead.
Aber du machst es, weil du die Garantien geben willst und die Kunden drauf stehen.
So ist es. Die Kunden finden ‚made in Germany‘ gut. Aber ‚made in Bavaria‘ noch besser. Und noch besser: ‚product of a German manufactory‘. Eine deutsche Manufaktur – das ist das, auf was die Kunden stehen. Und wenn die Kunden dann zu uns kommen, wie zum Beispiel Japaner, und unsere 15 000 Quadratmeter Holzgebäude sehen, sehen die hundert Hände, die mit ihren Produkten zu tun haben, die sie so oft in die Hand nehmen, bis sie perfekt und fertig sind, wie es auch nicht vollautomatisiert sein kann, wie sie durch die Handarbeitsanteile ihre Wertsteigerung erfahren – dann sind sie erst richtig glücklich und zufrieden mit ihrer Bestellung.
Gibt es auch Kunden oder Lieferanten, die es als ‚überdreht‘ empfinden, den Baumstumpf der einzelnen Tanne im Wald aufspüren zu können? Ist es für die Holzlieferanten ein Mehraufwand?
Wir haben drei Sägewerke als Holzlieferanten. Wenn sie Waren anliefern, dann müssen sie mir heute die Koordinaten jedes Einschlaggebietes geben. Da das Holz oft aus den Bayerischen Staatsforsten stammt, gibt es diese Daten dort schon, denn die brauchen das aufgrund ihrer Zertifizierung und für ihre Statistiken und die Landesämter. Die müssen sowieso nachweisen, woher das Holz, das sie verkaufen, ganz genau stammt. Der Mehraufwand für die Lieferanten besteht nur darin, mir diese Daten zu organisieren und weiterzuleiten.
Buche, Esche, Erle und Eiche kommen zu uns aus dem Spessart oder dem Main-Franken-Gebiet. Die Fichte kommt hier aus dem Bayerischen Wald aus einem maximalen Radius von 20 Kilometern rund um unsere Manufaktur. Das ist doch toll, oder? Und bei der Fichte exerzieren wir es soweit durch, dass wir mit den Kunden in ‚ihr‘ Waldstück fahren.
Aber das ist ja – in Anführungsstrichen – eine Show. Andererseits ist es aber auch ein starker Nachweis und eine Zusicherung, oder? Wenn man einen Augenblick nachdenkt, dann ist es doch nicht so albern, wie es im ersten Moment klingt.
Danke. Wir hatten amerikanische Kunden zu Gast. Mit denen bin ich in den Wald gefahren: Der Förster hat mit Hund und Stock schon auf uns gewartet. Das Waldstück wurde vorgestellt, alle Fragen beantwortet – dann sind wir zwei Kilometer gewandert, haben in einer Waldhütte gegessen und getrunken, alle haben sich nach und nach auf diesen Wald eingelassen. Sowas ist eine Geschäftsverhandlung in einer ganz anderen Stimmung. Die Kunden arbeiten ja meistens in Industriezentren – die sind schon sehr beeindruckt, die kennen doch sowas gar nicht. Wir haben dann endlich die Chance, die Stereotype wie ‚made in Bavaria‘ und ‚Manufaktur‘ mit Leben zu erfüllen.
Es gab ja mal den Werbespruch einer Bank: „Vertrauen ist der Anfang von allem“. Würdest Du eher dem Satz zustimmen: „Am Ende steht Vertrauen“?
Zutreffend ist doch auch der Klassiker: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“.
Lenin. Aber da ist auch viel Wahres dran. Unsere Geschäftspartner vertrauen ja darauf, dass wir auch nach vielen Jahren unsere Produkte immer noch in ihrem Sinne für sie produzieren. Deshalb ist es für Manufakturen doch viel wichtiger, dass sie sich einen guten Namen erarbeiten, dass die handelnden Personen eine starke Glaubwürdigkeit haben, damit die Geschäftsbeziehungen laufen – statt zuviel Kraft in eine Marke zu stecken…
Hervorragend formuliert. Wenn man sich das Vertrauen erarbeitet hat, dann braucht man auch nicht wegen einer Preiserhöhung von 3 Prozent miteinander diskutieren. Weil der Kunde unseren Aufwand kennt, es versteht. Unsere Firma hat seit anderthalb Jahren keine einzige Reklamation – und das beim Naturprodukt Holz! Das arbeitet doch immer weiter… Das ist doch der Hammer!
Und das mit dem Namen ist genau richtig. Der Geschäftspartner muss blind wissen, dass er sich auf uns und mich verlassen kann. Diese Rückverfolgbarkeit des Holzes bis in den Wald halte ich für keine Überhöhung des Themas, sondern das ist ein Öffnen des Unternehmens hin zu Kunden und ein Werben um das Vertrauen. Und um die Geschäftsbeziehung weiterzuentwickeln, die nicht mehr auf Preisverhandlungen basiert.
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Der Berliner Thomas Koy, Jahrgang 1964, ist seit sieben Jahren Inhaber des traditionsreichen Holzpackungsherstellers Liebich im Bayerischen Wald. Der promovierte Journalist aus dem „Roten Kloster“ – so nannte man die DDR-Journalistenschule an der Universität Leipzig – änderte aufgrund der Wende-Erlebnisse seine Weltsicht radikal, geriet Anfang der 1990er Jahre in die Getränkeindustrie, hatte ein ganze Reihe von internationalen Jobs, zuletzt als Europa-Vertriebschef in Genf für einen amerikanischen Konzern.
Vor sieben Jahren stieg er aus – zog mit seiner Familie in den Bayerischen Wald nach Regen und trat per Kauf die Unternehmernachfolge an. Seitdem blüht Holz-Liebich wieder richtig auf: 50 feste Mitarbeiter, weltweite Aktivitäten bis Japan und Iran; das alte Werk wurde zu klein – Koy baute im benachbarten Zwiesel das größte Werk in Holzbauweise in Deutschland (15 000 Quadratmeter); gerade wurde die Baugenehmigung zur Erweiterung erteilt. Die Marke heißt nun auch ‚HOLZ.LIEB.ICH‘. Inzwischen ist er ‚Botschafter Niederbayerns‘, darf mit auf die großen wirtschaftspolitischen Podien…
Als CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer seinen Betrieb besuchte, hatte er einen Mitgliedsantrag für die CSU dabei. Koy: „Sie wissen schon, dass ich als Stundent Mitglied in der SED war?“ Scheuer: „Frühere Kommunisten werbe ich am Liebsten!“
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