„Made in Dithmarschen“: die Supermatratzen der Familie Wulff

23. Juli 2018, Fedderingen. Welche Produkte können aus Manufakturen kommen? Gibt es Produkte, die nicht von Manufakturen produziert werden können? Vielleicht eine Weltraumrakete (zuviele Beteiligte und Zulieferer). Oder ein selbstfahrendes Auto (auch zuviele Beteiligte und Zulieferer). Aber ansonsten? Zu Besuch bei einem Spezialisten in der sprichwörtlichen „Pampa“: bei Wulff Med Tec in Fedderingen in Dithmarschen. Dort, in der gemütlich wirkenden schleswig-holsteinischen Hügellandschaft, werden auf dem Gelände des ehemaligen Bauernhofs der Gründerfamilie Wulff jährlich zwischen 25 000 und 30 000 Spezialmatratzen für Krankenhäuser und den schlafbewussten Privatkunden gefertigt – mit ziemlich viel Handarbeit. Jetzt ausgezeichnet mit dem ‚Deutschen Manufakturen-Siegel‘.

„Nein“, sagt Heino Wulff, zweite Geschäftsführer-Generation im elterlichen Familienbetrieb, „Probleme, Leute für den Betrieb und das weitere Wachstum zu finden, haben wir hier nicht. Wir bemühen uns, den Mitarbeitern ein guter Arbeitgeber zu sein. Wir haben eher das Problem, dass andere Arbeitgeber sich bei uns beschweren, wenn wieder einer ihrer Leute zu uns wechselt.“ Gute Arbeit im ländlichen Raum – begehrt. Niemand möchte gerne täglich die 100 Kilometer nach Hamburg pendeln. Der Traum vom günstigen Bauland, von günstigen Wohnhäusern, vom Dorf zum Aufwachsen für die Kinder. Idylle. Aber wo ist die Arbeit?

„Wir bieten jedenfalls etwas“, sagt Wulff. Kostenloses Mittagessen, zum Beispiel. Eintrittskarten für und Erlebnisse mit den Handball-Spezialisten vom THW Kiel oder dem TSV Weddingstedt, die von Wulff Med Tec gesponsert werden. Oder: Wer einen Wulff-Aufkleber auf dem Privatauto fährt, bekommt 21 Euro im Monat vom Betrieb gezahlt. Es gibt ein E-Auto für die 60 Mitarbeiter. Zum Austesten. Ein E-Auto? Auf dem Land? „Ja, ich fahre ja selbst auch ein E-Auto“, sagt Wulff. Einen Nissan Leaf. Sein Vater, der Firmengründer Hinrich Wulff, hat sich jetzt auch ein E-Auto bestellt. Auf dem Hof sieht man die E-Tankstelle mit vier Ladeplätzen, vom Bund gefördert, auf den Dächern der Produktion glänzen die Photovoltaik-Module. Ein eigenes Windrad ist in Planung. Die Luft-Wärme-Pumpe hat die Gas-Brennwert-Therme ersetzt. „Autark werden“, sagt Wulff. Nächstes Jahr ist erstmal die Bank raus. Man ist dann schuldenfrei. Trotz Neubaus eines Verwaltungsgebäudes mit Werkverkauf an der Hauptstraße vor zwei Jahren. Bis zum nächsten Investment.

Mehr als sieben Millionen Euro Umsatz generiert Wulff Med Tec inzwischen. Aber der Weg dahin war natürlich mühsam und vom Fleiß der Familie geprägt. Im Jahr 1985 startete der Chemie-Außendienstler Hinrich Wulff seinen genehmigten Nebenjob mit Produktion und Handel von Schonbezügen für Matratzen in Krankenhäusern. Irgendwann wurde ihm klar, dass man Krankenhäusern besser gleich gesamte Matratzen anböte. Da das „Wundliegen“ von Patienten ein großes Thema ist, begann er also an Anti-Dekubitus-Matratzen zu forschen, gewann die Technische Universität Berlin als Partner, eine Schlafexpertin kam hinzu – im Jahr 2002 war die erste perfekte Matratze entwickelt: im Kern bestehend aus einem stabilisierenden Kaltschaum sowie einem viskoelastischen Schaum, der das Körpergewicht auf eine größere Fläche verteilt und so Druckstellen vorbeugt.

Manufakturen-Blog: Geschäftsführer Heino Wulff (Foto: Wulff Med Tec)

Geschäftsführer Heino Wulff (Foto: Wulff Med Tec)

Da immer öfter auch Anfragen von zufriedenen Patienten eingingen, entwickelte Wulff schließlich die sogenannten „Viskolastic Komfortmatratze“ in verschiedensten Härtegraden und für unterschiedliche Körpergewichte, für Kinder, fürs Wohnmobil und die LKW-Kabine. Seit einige Zeit auch für Hotels – eigentlich naheliegend. Klar ist, dass alle „optimal“ sein müssen, wenn sie in Deutschland – pardon: Dithmarschen – produziert werden: hochwertige Steppung der Bezüge, Belüftungsband, Öko-Tex-100-Zertifizierung, Trikot-Schonstrumpf um die Matratze, Bewegungskräfte aufnehmender Wellen-Zahn-Schnitt in der Verbindung der Materialien, Spiralreißverschlüsse, Anti-Allergen-Ausstattung, verstärkte Randzone (damit man besser auf der Bettkante sitzen kann). Bei Verkaufspreisen für die Top-Modelle ab 725 Euro – vertrieben über den Facheinzelhandel (das am Weitesten entfernte Geschäft ist in China und nimmt immerhin rund hundert Matratzen im Jahr ab) und die zwei eigenen Geschäfte in Heide und Lübeck.

Der Liegetest im Werkverkauf in Fedderingen macht schnell klar, was Wulffs Prospekte versprechen, stimmt: Wer besser liegt, bewegt sich im Schlaf seltener – nämlich statt bis zu hundertmal vielleicht nur zwanzigmal. Und das ist für die Schlafqualität entscheidend. Von Wulffs Kooperationspartnern in der Schlafforschung nachgewiesen. Heino Wulff: „Wir wollen die beste Matratze, die es gibt – dafür forschen wir immer weiter.“ Und dementsprechend selbstbewusst klebt auf den Wulff-Produkten ein selbstentworfener Aufkleber: „Made in Dithmarschen“.

Fotos: Wigmar Bressel

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„Noch besser als ein schönes Hemd, ist ein schönes Hemd, das passt“ – zu Besuch in der Hemdenmanufaktur Campe & Ohff

16. April 2018, Lauterbach. Allein das Wort ist etwas Besonderes. Haifisch-Kragen. Ein Hemdkragen. Das Merkmal des Haifisch-Kragens ist, dass die beiden Kragenspitzen sehr weit auseinander liegen, gewissermaßen nach außen streben. Einen breiten Krawattenkonten mit Volumen bringt das exzellent zur Geltung. Wer genau sich, vor mehr als einhundert Jahren, die Bezeichnung ausgedacht hat, ist nicht zuverlässig überliefert. Jedenfalls ist diese spezielle Kragenform im Englischen – weit weniger bildhaft – auch als Cut-Away-Kragen bekannt. Eine Theorie über den Ursprung des ungewöhnlichen Namens besagt, dass der Raum zwischen den Kragenspitzen – einem gleichschenkligen Dreieck ähnlich – an den Umriss eines Haifisch-Gebisses erinnere. Darum: Haifisch-Kragen.

Das Wort ist jedenfalls prägnant, es assoziiert Verwegenheit, Energie und Schnelligkeit. Man hat den Eindruck, dass sein Schöpfer etwas von diesen Attributen –  aber auch der Eleganz des Raubfisches – in die Bezeichnung der Kragenform einfließen lassen wollte. Ob auch Bertold Brecht in seiner 1928 entstandenen, gesellschaftskritischen „Dreigroschenoper“ an den Haifisch-Kragen gedacht hat, als er schrieb: „Und der Haifisch, der hat Zähne. Und die trägt er im Gesicht“, ist zumindest vorstellbar.

„Der Haifisch-Kragen“, sagt Christian von Campe. „Ist ein Klassiker, – aber beim Business-Outfit immer noch aktuell. Da wird verbreitet Krawatte getragen und er passt einfach sehr gut dazu.“ Christian von Campe ist einer der beiden Geschäftsführer der Hemdenmanufaktur „Campe & Ohff“. Hans-Henrik Ohff der andere. Die „von Campe & Ohff GmbH“ wurde 1996 gegründet. Acht Jahre zuvor – im Oktober 1988 – leistete Christian von Campe seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr. „Damals“, so sagt er, „begegnete ich zwei Menschen, zu denen sich im Laufe der Zeit eine sehr innige und intensive Freundschaft entwickelt hat: Christian Ohff und Friedrich von Schönfels.“

Je mehr sich die zweijährige Dienstzeit dem Ende näherte, desto wichtiger wurde das Thema Zukunft in den Überlegungen und Gesprächen der Freunde.

„Wir hatten den Spleen“, sagt Christian von Campe rückblickend, „irgendetwas Selbstständiges zu machen, aber keine konkrete Vorstellung davon, was das sein sollte.“

Nach dem Wehrdienst hielten sie Kontakt, gingen jedoch erst einmal getrennte Wege. Christian von Campe studierte Betriebswirtschaft in Berlin.

„Für ein Praktikum“, sagt er, „brauchte ich die passende Garderobe und wollte Maßhemden bestellen. Ich fand keine geeignete Adresse in Deutschland. Also orderte ich eins bei einer Firma aus Hongkong. Das Erste, das ankam, war ganz in Ordnung. Von zehn weiteren, die ich bestellt hatte, war keines so wie ich es haben wollte. Die konnte man eigentlich nur in die Tonne treten.“

Vielleicht kann man den Zeitpunkt, an dem Christian von Campe diese Erfahrung seinen Freunden mitteilte, als die Geburtsstunde der Hemdenmanufaktur „Campe & Ohff“ bezeichnen. Die Phase in der sich die, bis dahin eher vage Ideenfindung konkretisierte. Gemeinsam mit Christian Ohff entstand der Plan, Maßhemden in Deutschland anzubieten.

„Eine der Vorgaben, die uns dabei wichtig erschienen“, erläutert Christian von Campe. „War, dass das Hemd nicht mehr als 100 D-Mark kosten sollte.“

Als nächstes begann die Suche nach geeigneten Lieferanten, die unter dieser Voraussetzung qualitativ hochwertige Hemden produzieren konnten. „Christian Ohff und ich sind kreuz und quer durch Europa gefahren, um uns Firmen anzuschauen und Messen zu besuchen. Das war sehr intensiv“, erinnert sich Christian von Campe. „Im Jahr 1996 hatten wir dann auf einer dieser Touren einen schweren Verkehrsunfall, den Christian leider nicht überlebte.“

Das gemeinsam begonnene Projekt wäre in dieser tragischen Situation zu einem Ende gekommen, hätten sich die Familien der Beteiligten nicht nachdrücklich dafür ausgesprochen es weiterzuführen. Hans-Henrik Ohff, der jüngere Bruder von Christian Ohff, der in Berlin Geographie studierte, sprang ein und engagierte sich nun ebenfalls in Produktion und Vertrieb von Maßhemden. In den nächsten Jahren bauten sie so einen Versandhandel auf. Produziert wurde an verschiedenen Orten in Europa, unter anderem in Polen.

„Im Spätherbst 1996“, sagt Christian von Campe, „kamen wir mit unserem ersten Katalog heraus. Damals hatten wir eine Schneiderei in der Pfalz, mit der wir zusammengearbeitet haben.“

Schon bald gingen die ersten Bestellungen ein. „Leider“, so Christian von Campe, „stellte sich schnell heraus, dass diese Schneiderei der Sache nicht gewachsen war. Wir – Herr Ohff, meine Frau (Charlotte von Strenge, Schneidermeisterin und technische Leiterin von Campe & Ohff) und ich  – mussten immer öfter selbst hinfahren und bei den Zuschnitten helfen. Ich hatte in Kunst immer eine Vier und war da eher unbeholfen, – aber: Die Idee hat uns zusammengeschweißt!“

In dieser Zeit wurde auch in Hamburg ein erstes Ladengeschäft eröffnet, damit sich die Kunden die Stoffe ansehen, und ihre Maße nehmen lassen konnten. „Ein reiner Online- oder Versandhandel ist mit Maßhemden nicht gut machbar“, erläutert Christian von Campe. „Bei den Stoffen fehlt die Haptik, wenn man sie nur auf dem Bildschirm sieht. Man muss einen Stoff in der Hand haben, um ein Gefühl für die Struktur und Festigkeit zu bekommen. Außerdem sehen die Farben in natura anders aus, als auf einer Abbildung.“

Heute verschickt Campe & Ohff in etwa zweimonatigem Rhythmus Stoffproben an seine Kunden und unterhält neben dem Ladengeschäft in Hamburg ein weiteres in Berlin. „Die meisten Kunden, die heute über unsere Website bestellen“, sagt Christian von Campe, „haben die Stoffe zumindest irgendwann einmal selbst in der Hand gehabt.“

Manufakturen-Blog: Hans-Henrik Ohff und Christian von Campe in der Manufaktur in Lauterbach (Foto: Martin Specht)

Hans-Henrik Ohff und Christian von Campe (v. l.) in der Manufaktur in Lauterbach (Foto: Martin Specht)

Im Oktober 1998 bezog Campe & Ohff eine eigene Produktionsstätte in Lauterbach. Seitdem wird in der nordhessischen Kleinstadt produziert. Insgesamt arbeiten 11 Mitarbeiter im Vertrieb, 25 in der Produktion. Im Jahr 2017 wurden circa 15 000 Maßhemden hergestellt.  Von der anfänglichen Idee eines reinen Versandhandels, sagt Hans-Henrik Ohff, sei man aber im Laufe der Zeit abgekommen.

„Wir haben gemerkt, dass der persönliche Kontakt zu den Kunden das A und O ist. Darum gehen wir auch auf Messen und sind auf Veranstaltungen präsent. Es gibt immer wieder Firmen, die versuchen, im großen Stil Maßhemden über das Internet oder über das Kaufhaus zu verkaufen. Aber ich glaube, das Maßhemd bei Aldi wird es nie geben. Dazu braucht man einfach zu viel Beratung. Es ist viel persönlicher, als einen Artikel nur in den Einkaufswagen zu legen.“

Christian von Campe fügt an: „Die Idee, dass Kunden ihre Maße selbst nehmen und dann über das Internet oder schriftlich mitteilen, funktioniert nicht. Bei uns werden für die Maßanfertigung auch individuelle Haltungsmerkmale berücksichtigt. Wir nehmen die Halsweite, Oberweite, Taillenweite, den Hüftumfang, die Oberarmweite, Schulter- und Rückenbreite, die jeweiligen Armlängen und den Umfang der Handgelenke von rechter und linker Hand.“ Auf den Unterschied zwischen Maßanfertigung und Maßkonfektion, wie sie beispielsweise manche Kaufhäuser anbieten, angesprochen, reagiert Christian von Campe skeptisch.

„Das ist ein strittiges Thema. Es gibt keine juristische Definition für eine Maßanfertigung. Für uns stellt es sich jedoch so dar, dass bei einer Maßkonfektion lediglich Längenmaße verwandt und verändert werden. Zum Beispiel die Rumpf- und Armlänge in Kombination mit der Halsweite. Aber für die Konstruktion des Schnittes werden nur Standardmaße zu Grunde gelegt. Individuelle Haltungsmerkmale werden in der Maßkonfektion definitiv nicht berücksichtigt.“

Hans-Henrik Ohff ist der Ansicht: „In der sogenannten Maßkonfektion steht im Vordergrund, dass der Kunde hinsichtlich der Ausstattung (Kragenform, Manschetten, Knöpfe) frei entscheiden kann. Aber nicht hinsichtlich der Maße, denn es werden Standardmaße verwandt.“

Einen großen Vorteil sehen Christin von Campe und Hans-Henrik Ohff in der räumlichen Nähe von Verkauf und Produktion. Sie legen Wert darauf, heute ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland zu produzieren. Das erlaubt ihnen, auf Änderungswünsche ihrer Kunden schnell und zuverlässig reagieren zu können. Kragen und Manschetten lassen sich auch nach Jahren noch austauschen, Änderungen zeitnah vornehmen. „Das ist ein Vorteil, den wir haben“, so Christian von Campe. „Und der zur Kundenbindung beiträgt. Ich habe das Gefühl, dass unsere Kunden gerne eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Das Produkt ist individuell, die Menschen sind individuell, darum muss man ihnen auch entsprechend begegnen können.“

Überhaupt seien ihre Kunden, sagen die Geschäftsführer von Campe & Ohff, in der Regel Menschen, die großen Wert auf Individualität legen. Viele von ihnen lassen sich die maßangefertigten Hemden monogrammieren, um zu zeigen, dass sie etwas Besonderes und Eigenes tragen. „Das Monogramm“, erläutert einer der Geschäftsführer, „verleiht dem Hemd eine persönliche Note. Die Initialen lassen darauf schließen, dass man sich etwas hat anfertigen lassen. Das hat in der Wahrnehmung eine höhere Bedeutung.“

Spielen angesichts dieser Überlegungen Faktoren wie Mode und Modernität für Campe & Ohff überhaupt eine Rolle? Sie tun es, sagt Hans-Henrik Ohff: „Modernität hat insofern eine Bedeutung, weil mehr jüngere Leute in die Ladengeschäfte kommen. Aber unsere Hauptkunden sind solche, die die Hemden für ihren Beruf brauchen. Darum sind auch die Farben der Stoffe, in denen wir anfertigen, hauptsächlich Weiß oder Blau. Diesen Kunden geht es höchstens mal um eine neue Kragenform (Campe & Ohff bietet über 100 verschiedene Kragenformen an) oder Brusttasche, aber nur selten um einen neuen Schnitt.“

Christian von Campe ergänzt: „Wir machen hauptsächlich Business-Hemden, die in der Kanzlei, dem Büro, der Bank oder wo auch immer getragen werden. Für uns ist es interessant, wenn ein Kunde immer wieder bestellt, um seinen Bedarf zu decken. Darum rennen wir nicht jedem Trend hinterher, verschließen uns aber auch nicht. Wenn der Haifisch-Kragen mal etwas weiter oder enger sein soll, dann machen wir das auch mit.“

Die Kundenstruktur, hauptsächlich im Business-Bereich angesiedelt, erklärt auch die Auswahl an Stoffen, die Campe & Ohff anbietet. Die Manufaktur arbeitet mit Webereien in der Schweiz und Italien zusammen. „Unsere Stofflieferanten gehören zu den besten der Welt“, sagt ein stolzer Christian von Campe. „Wir haben in unseren Musterbüchern ständig etwa 1500 verschiedene Stoffe, die wir verarbeiten können. Wenn ein Kunde ein einzelnes Hemd bestellt und wir dafür circa zwei Meter Stoff brauchen, bestellen wir den auch. Zur Auswahl kann man sagen: Etwa 50 Prozent der Stoffe, die wir anbieten, sind sogenannte Klassiker. Schwerpunkt auf Blau in verschiedenen Farbtönen und Strukturen, sowie Weiß. Beides wird im offiziellen Bereich getragen. Wenn der Bankvorstand aber sagt, er möchte auf dem Golfplatz auch ein Maßhemd tragen, für diesen Fall haben wir zum Beispiel auch karierte Stoffe im Programm.“

Dies gesagt, halten die beiden Geschäftsführer die Eröffnung einer zusätzlichen Luxuslinie von Campe & Ohff nicht für sinnvoll. Die Stoffqualität ist ohnehin schon außergewöhnlich hoch und auf Wunsch werden auch Perlmuttknöpfe verarbeitete. Die Preise für ein Maßhemd bewegen sich in der Regel zwischen achtzig und zweihundert Euro.

„Wenn wir eine noch hochwertigere Linie anbieten wollten“, sagt Hans-Henrik Ohff, „dann müssten wir auch mehr Optionen – beispielsweise von Hand angenähte Knöpfe – bieten. Das aber würde nicht in unsere bestehende Produktion passen. Es ist fraglich, ob der Kunde bereit wäre, den Aufwand zu bezahlen.“

Der Produktionsablauf, von dem Hans-Henrik Ohff spricht, ist so organisiert, dass ein Maßhemd möglichst effizient in etwa 70 bis 75 Minuten hergestellt werden kann. Der Zuschnitt des Stoffes erfolgt automatisch, die Maße des Kunden werden in ein CAD-Programm übertragen. Nach dem Zuschnitt entsteht in etlichen Arbeitsschritten – die Ärmel, Kragen und Manschetten werden genäht und zusammengesetzt, ebenso die Knopfleiste, eventuell ein Monogramm eingearbeitet, das Hemd wird gesäumt – ein Maßhemd. Endkontrolle und Verpackung finden unmittelbar im Anschluss an die Produktion statt.

„Wir bieten“, sagt Christian von Campe, „ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.“

Die Geschäftsführer der Manufaktur – die übrigens Gründungsmitglied des Verbandes Deutsche Manufakturen war – sind sich sicher, dass es auch in Zukunft genügend Kunden geben wird, denen ihr Auftreten und ihre Erscheinung ein maßgefertigtes Hemd wert ist.

„Zum Anzug mit Krawatte“, sagt Christian von Campe. „Gehört meiner Ansicht nach ein Hemd, das mit Manschettenknöpfen getragen wird. Der Konfektionshandel bietet da nur eine stark eingeschränkte Auswahl an Stoffen. Das ist bei uns anders. Ein Hemd mit Manschettenknöpfen ist vielleicht etwa umständlicher anzuziehen, aber ich finde, dafür entschädigt das bessere Aussehen allemal.“

Hans-Henrik Ohff nickt und sagt: „Noch besser als ein schönes Hemd, ist ein schönes Hemd, das passt.“ Auch das ist eine Haltung.

Fotos: Martin Specht

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RTL Nord zu Gast bei BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände

Manufakturen-Blog: Frontfrau der Brenner-Szene - Birgitta Rust Schulze van Loon produziert in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel (Screenshot von: RTL Nord)

12. April 2018, Bremen. RTL Nord zu Besuch in norddeutschen Manufakturen… Da darf die Frontfrau der Brenner-Szene – Birgitta Schulze van Loon – natürlich nicht fehlen. Die frühere Spezialistin in der Finanzbranche nutzte die Wirtschaftskrise im Jahr 2009, akzeptierte ein Abfindung – und erlernte das Obstbrennen in Franken. Seit dem Jahr 2012 produziert sie unter ihrem früheren Namen BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände mit ihrem Team in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel.

Die Urkunde erhielt sie übrigens aus den Händen des heutigen bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner (CSU), der auf dem 10. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen übrigens das Grußwort der Bayerischen Landesregierung spricht.

Birgitta Schulze van Loon nahm auch schon erfolgreich am Wettbewerb zum ‚Manufaktur-Produkt des Jahres 2015‚ teil – mit ihrem dreifach destillierten Gin ‚Triple Peak‘ mit dem Botanical ‚Earl Grey Tee‘ wurde sie Dritte im Lebensmittel-Bereich.

Hier der Link zum Fernsehbeitrag von Roland Rickelmann vom 27. September 2017 – Sie werden weitergeleitet zum Archiv on RTL Nord…

Screenshots vom Beitrag von RTL Nord

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Neuer Inhaber, neuer Geschäftsführer, neues Image – Brillenhersteller Flair erfindet sich selbst neu

14. März 2018, Oelde. Die exklusive Einladung von Flair – der ‚Manufaktur des Jahres 2017‘ – kam überraschend; ob ich nicht kurzfristig Zeit zu einer Reise ins Westfälische hätte… Es gäbe Neuigkeiten, die man via Manufakturen-Blog gerne der Manufakturen-Szene mitteilen würde. Man sei zu beinahe jedem Termin bereit. Als mich Flairs Fahrer vor der Hauptverwaltung absetzte, deutete er auf den großen gläsernen Besprechungsraum und sagte: „Der da mit dem Rücken zum Fenster sitzt, das ist Herr Beck.“ Wenn man weiß, dass Flair eigentlich ‚nur‘ eine Marke ist und Deutschlands berühmter Edel-Brillenhersteller korrekt ‚Dr. Eugen Beck GmbH & Co. KG‘ heißt, dann ahnt man, was dort gelaufen sein könnte.

Der „Abbrand“ der „Knaller“ in der Reihenfolge, die mir präsentiert wurde: Gunter Fink, der Flair bei 140 Mitarbeitern und 12 Mio. Umsatz (derzeit: nichtmal zehn) vom nachfolgerlosgebliebenen Firmengründersohn und 40-Jahre-Geschäftsführer Rainer Beck im Jahr 2005 erworben hat, hat zum 15. Juli 2017 diesen „aus verschiedenen Gründen“ ins Unternehmen zurückgeholt – und zwar als Mehrheitsgesellschafter. Mittels einer Kapitalerhöhung wurde das Gesellschaftskapital vervierfacht, dem Unternehmen ganz neue finanzielle Möglichkeiten eröffnet. Fink ging sehenden Auges in die unternehmerische Minderheit, schied auch aus der Geschäftsführung aus.

Der neue, alte starke Mann im Unternehmen ist 83 Jahre jung – und sprüht vor Energie und Stolz auf den neuen Geschäftsführer Sven Reiß (36, ehemaliger Unternehmensberater, dann Prokurist bei Flair) und dessen Geschäftsleitungsteam.

Manufakturen-Blog: Flairs Kampagne tritt ohne Model-Gesichter an (Grafik: Flair)

Flairs Kampagne tritt ohne Model-Gesichter an

Ergänzt wird alles von einem Beirat unter Führung des früheren „Bertelsmanns“ Professor Dr. Jürgen-R. Haritz. Eine komplette Unternehmensspitze als Gesprächsrunde – das hat man auch nicht oft.

Der sprühende Stolz kommt daher, dass Reiß und seine Topmannschaft aus Ralf Bode (Produktionsleitung), Magida Sali (Designchefin), Volker Schramm (Finanzen) und Miriam Hasselbach (Marketing) – mit Genehmigung von Gesellschafter und Beirat – aber doch ziemlich radikalem Ansatz dem Unternehmensimage eine Frischzellenkur verpasst haben: „Flair wear“ ist der neue selbstironische Claim. Die branchenüblichen Brillen-Models wurden eben mal abgeschafft. Die Kampagne zum jüngeren ‚Flair‘ kommt eher wie Kunst von Andy Warhol daher. War ‚Flair‘ wirklich angestaubt? „Flair war irgendwie angestaubt. Wir müssen moderner und emotionaler werden.“, sagt Geschäftsführer Reiß. Das Ergebnis der Bemühungen in der halbjährigen Neufindungsphase – ich kann es verstehen.

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Das Kampagnen-Video auf youtube – sehenswert…

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…und Flairs Messefilm von der Opti 2018 – auch sehr sehenswert!

 

Interview

Flairs neuer Geschäftsführer Sven Reiß: „Wir müssen moderner und emotionaler werden“

Herr Reiß, sie gehen die Marke Flair noch einmal grundsätzlich an – warum?

Ich würde eher von einem Relaunch sprechen. Für uns als Manufaktur gibt es wahnsinnige Herausforderungen. Die Märkte haben sich gewandelt – und wir müssen uns ein Stück mitwandeln. Und das Asset, das wir mit der Manufaktur haben, auch angemessen nutzen. Das haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig bzw. auf eine nicht dem Zeitgeist angepasste Art. Und nicht intensiv genug. Ein Problem vieler Manufakturen in der heutigen Zeit. Das erfordert natürlich auch Investitionen.

Das ist schon sehr deutlich.

Unser Jetzt-wieder-Gesellschafter Herr Beck hat in seinen mehr als 40 Jahren an der Spitze das Unternehmen mit Qualität und tollen Produkten zum Weltmarktführer für randlose Brillen gemacht. Das hat in den vergangenen Jahren aber nicht mehr gereicht. So, wie sich Kaufentscheidungen bei den Kunden verändert haben. So, wie sich der Markt verändert hat. Die Händler. Es traten sehr viele neue Marken und Importeure auf. Damals gab es vielleicht 200 Brillenmarken – jetzt gibt es mehr als 1500. Und dem Kunden ging die Fähigkeit verloren, die angebotenen Brillen rein sachlich zu bewerten und danach eine Kaufentscheidung zu treffen. Die Unübersichtlichkeit und Informationsüberflutung verändert das Entscheidungskriterium. Die Entscheidungen werden heute viel emotionaler getroffen – das ist eine Herausforderung, der wir uns klar stellen müssen. Das ist ein Phänomen unserer Gesellschaft über alle Branchen hinweg.

Also muss Flair auch viel emotionaler werden.

Also muss Flair auch viel emotionaler werden. Moderner und emotionaler. Es reicht eben nicht mehr zu sagen: Das ist das beste Produkt. Darauf müssen wir reagieren.

Jetzt haben sie also Herrn Beck wieder.

Wir haben die Übergangszeit des Gesellschafterwechsels genutzt und auf unsere Branchen-Leit-Messe, die Opti, zugearbeitet. Heraus kam mehr als eine Kampagne – es ist ein neuer Markenauftritt. Wir haben uns noch einmal alle Stärken unseres Unternehmens deutlichgemacht – und dieses kleine X der zusätzlichen Modernität hinzugefügt. Heraus kam, dass wir die Brille noch stärker in den Vordergrund stellen und durch Darstellung im modischen Kontext dennoch neben den Details der Brille die Themen Design und Mode ansprechen. Und dass wir unsere 50 Jahre alte Marke Flair mit dem Wortspiel „Flair wear“ stärker emotionalisieren wollen. Das ist ein Statement zum Produkt ‚Flair‘, ist nicht einfach nur das gewöhnliche „Eyewear“. Es ist eine Kategorie für sich selbst!

Ich muss auch ganz offen bekennen, dass mich das Wort Flair nicht mehr richtig ansprach – es klingt zu sehr nach 1960er Jahren. Mit denen war ich jetzt selbst irgendwie durch. Aber diese Selbstironie aus dem französischen ‚flair‘ und dem englischen ‚wear‘ lässt mich innerlich lächeln. Franzosen lernen ungern Englisch, Engländer kaum Französisch – als wäre der Hundertjährige Krieg zwischen den beiden Nationen gerade erst zu Ende… So kann es in vielen Märkten funktionieren und verstanden werden.

Wir finden, es funktioniert. Was uns einfach fehlte, ist dieser neue Auftritt beim Kunden: Wenn er das Brillengestell anfasst, es bewertet, sich wohlfühlt, sagt, „damit sehe ich gut aus“. Und genau dort müssen wir ihn über eine emotionale Ansprache aber auch erstmal hinbekommen. Gerade im dichten Wettbewerb. Wir Hersteller kommen ja immer von der technischen Seite, staunen über die Raffinessen, die technischen Lösungen, das Feine… Dieser Aspekt des Modischen, der fehlte uns bisher in der Kommunikation und den haben wir mit „Flair wear“ dort hineingebracht. Trotzdem sind es auch weiterhin die technisch perfekten Brillen – aber eben mit mehr Lifestyle-Gefühl verbunden.

Manufakturen-Blog: Sven Reiß ist neuer Geschäftsführer von Flair (Foto: Flair)

Flair-Geschäftsführer Sven Reiß (Foto: Flair)

Haben sie das mit einer Agentur gemacht?

Ja, eine mit viele Erfolgen in der Modebranche. Die sagte sofort: Ihr müsst es anders machen, als die Anderen. Nun haben wir die Models weggelassen. Dann sogar die Gesichter – aber trotzdem stellt sich jeder Mensch in der weißen Fläche sein oder ein Gesicht vor. Genaugenommen ist es viel flexibler einsetzbar. Und erreicht eine ungemeine Aufmerksamkeit.

Wie kam die Kampagne bisher bei den Optikern und Endverbrauchern an?

Sehr gut. Und wir haben im Januar 2018 bereits etwa 40 Prozent mehr Umsatz gemacht, als im Januar 2017. Das spricht für sich, oder?

Grafiken, Filme und Foto: Flair

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Die Manufakturen-Trends der ‚Ambiente 2018‘: Designer, Namen, Lebensgefühl

10. März 2018, Frankfurt am Main. Peter Raacke ist wieder da – und Mark Braun allerorten in der Manufakturen-Branche unterwegs. Das ist eine Möglichkeit, den Rückblick auf die ‚Ambiente 2018‘ zu beginnen… Manufakturen und Designer – auch kleine Unternehmen nutzen die Ideen bekannter Produktentwerfer. Nehmen das Geld in die Hand, und lassen sich neue Dinge kreieren, die ihnen auf dem schnellebigen Markt der Konsumgüter ein Standing verschaffen sollen. Das Produkt soll perfekt sein – und vom eigenen Betrieb in Deutschland gefertigt. Manchmal wird auch ‚nur‘ der große Name eingekauft und genutzt oder ein Lebensgefühl entworfen und gezeigt – Händler und Kunden wollen Geschichten, das ist nun einmal so.

Peter Raacke (Jahrgang 1928) ist der Designer des Bestecks „Mono A“ – es war das erste Besteck von Mono, das aus einem Blech gestanzt wurde. Mono wurde mit dem Besteck berühmt – es erhielt sogar im Jahr 1999 seine eigene Briefmarke. Im Jahr 1962 entwickelte Raake mit dem Großonkel Herbert des heutigen Firmenchefs Wilhelm Seibel das Besteck „Mono Ring“, das Besteck zum Aufhängen am eigenen Ständer, der auf dem Esstisch stehen bleiben kann, – mehr als eine Million Besteckteile wurden in den folgenden dreißig Jahren verkauft; bis das Besteck mit seinem Kunststoffgriffen an der Inkopatibilität mit Geschirrspülmaschinen scheiterte.

Es folgte eine lange Pause. Im vergangenen Jahr erfolgte die Auftragsvergabe an den in Berlin arbeitenden Designer Mark Braun (Jahrgang 1975): „Mono Ring“ neu entwickeln, von Peter Raacke abgesegnet. Braun ist inzwischen für eine ganze Reihe von Manufakturen tätig geworden – Nomos („Metro“-Reihe, „At work“), Lobmeyr („Fortune“, „TS283“), Mühle (Rasierset „Hexagon“ – Manufaktur-Produkt des Jahres 2017), derzeit auch für Feingerätebau K. Fischer tätig – und eben auch für Mono.

Heraus kam ein voll-geschirrspüler-taugliches Besteck. Verändert wurde auch die Klinge (damit man mit ihr besser Brote schmieren kann) sowie leicht veränderte Griffe in fünf Farben; raffiniert mit Glasfasern verstärkter Polymer sowie unsichtbare Glaskugeln, die für mehr Gegengewicht zum Stahlvorderteil sorgen. Diese fertigt Mono in der bekannten sorgfältigen Weise selbst – für den Kunststoffgriff suchte man sich einen Spezialisten als Partner, der in Velbert sitzt.

Manufakturen-Blog: "Mono Ring" ist wieder da - die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

„Mono Ring“ ist wieder da – die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

Das Gewinnen von Design-Wettbewerben ist auch eine Spezialität der Brüder Hartmut und Volker Gehring. Die Schneidwaren-Manufaktur Gehring hat den heute allerorten anzutreffenden Damaststahl vor vielen Jahren in die Kochmesser-Produktion eingeführt und ist der größte deutsche Importeur japanischen Hochleistungsdamaststahls. Im Solinger Familienunternehmen ist Volker Gehring der Produktdesigner „inhouse“. Und er hat immer neue Ideen – auf der Ambiente wurde das frisch vom Rat für Formgebung – German Design Council prämierte Messerset „Wave“ gezeigt: German Design Award Winner 2018. Herzlichen Glückwunsch!

Manufakturen-Blog: Gehrings Messerserie "Wave" gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings Messerserie „Wave“ gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Einmal um die Ecke rum in Halle 3.1 steht Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur. Der hat die neue gerade Linie jetzt aus drei Millimeter starkem Kupferblech geformt – nochmehr Masse gegen das mögliche Problem des Verformens in der Produktion.

Auch im Porzellan-Bereich wurde ein großer Name lizensiert: Bei Pablo Picasso (1881 – 1973) durfte die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1799) nun Anleihen machen – die Serie heißt „Dinner with Picasso„; aber auch zwei sehr auffällig dekorierte Becher der Serie „Wunderbar“ (0,4 l Inhalt, ca. EUR 39,00 uvp.) stachen mir ins Auge.

Manufakturen-Blog: Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit "Wunderbar" aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit „Wunderbar“ aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Ein paar Gänge weiter der eindrucksvolle neue Stand von Meissen – eine Leistungsshow aus Großteilen umrundet zwei Seiten, während scheinbar achtlos zusammengestelltes Porzellan auf einem langen Tisch den Kontrapunkt setzte. In der Mitte ein Besprechungsraum in Werkstattoptik – soviel Humor war mir bisher bei der Ur-Manufaktur aus Sachsen nicht aufgefallen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Manufakturen-Blog: Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos - folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos – folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Dann natürlich Dibbern: Die gut 50 Jahre junge Gründung aus Bargteheide mit eigenem großen Werk in Hohenberg an der Eger (Ex-Hutschenreuther) bot auf der einen Standseite die Serie „Pastell“ an, deren Name Programm ist, auf der anderen Standseite ein neues Dekor für die Fine-Dining-Linie: „Palm Beach“; die Weiterentwicklung des von den Händlern unverstandenen „Miami“.

Auch ein neues Accessoire probiert Dibbern aus – den Champagner-Becher, z. B. im Innendekor „Purple Titanium“. Champagner und Becher – das kennt man von Fürstenberg, bei denen die wahnsinnig zarten Becher Champagner viel besser unterstützen, als man es beschreiben kann; und bei Fürstenberg sind die Becher das bestverkaufte Geschenk. Nun also auch Dibbern. Nach zwei großzügigen Bechern Champagner kann ich sagen, dass das dunkle Innenleben des Bechers meine Geschmacksnerven animierte, mich stärker auf die angenehm herben Aromen des Getränks zu fokussieren – in der Hitze der Messehalle 4 eine köstliche Erfrischung!

Manufakturen-Blog: Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier "Purple Titanium" (Foto: Wigmar Bressel)

Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier „Purple Titanium“ (Foto: Wigmar Bressel)

Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch die Show am Stand der Solinger Messermanufaktur Böker Baumwerk: Das im Jahr 1869 gegründete Unternehmen (das älteste Warenzeichen ist aus dem Jahr 1674 verbrieft) der heutigen Eigentümerfamilie Felix-Dalichow bietet ja eine große Bandbreite an Produkten – 356 Seiten hat allein der Hauptkatalog in Dünndruck. Böker hat ein weiteres eigenes Werk für Jagd- und Outdoormesser in Argentinien – diese Messer laufen unter der Marke Böker Arbolito. Sehr günstige Linien lässt man in Europa, Amerika oder Asien für die eigene Marke ‚Magnum by Böker‘ produzieren und kommuniziert das auch. Dann gibt es natürlich neben Kochmessern die Jagdmesser, die die meisten Menschen mit Böker verbinden – für 50 bis 1000 Euro, erkennbar an den Markennamen ‚Böker Plus‘ und ‚Böker Manufaktur‘. Aber ebenfalls bei Böker selbst gefertigt werden Rasiermesser (die passenden Pinsel kommen übrigens von Mühle); für das Thema Rasur gibt es einen eigenen 60-seitigen Katalog. In ihm heißt es: „Was die Böker Manufaktur mit dieser Szene teilt, ist die Tradition, der unbedingte Wille zur handwerklichen Perfektion und die Leidenschaft für das, was wir tun. Ein wichtiger Bestandteil hiervon ist der ständige Austausch mit anderen Fachleuten und Liebhabern über den Gegenstand, der uns verbindet.“

Und auf der Ambiente hatte man bei Böker am Stand zur Ankurbelung dieses Segments einen eigenen Barbershop aufgebaut – wer wollte, konnte sich vom professionellen Barber rasieren lassen. Es wurde reger Gebrauch gemacht… und zeigt, dass man auch ohne große Namen auskommen kann, wenn man es versteht, ein Lebensgefühl genau auszudrücken und die Menschen, die darin leben, zielgenau anzusprechen.

Manufakturen-Blog: Der Meister bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

Barbier Santos bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

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RTL Nord zu Gast in der Besteckmanufaktur von Koch & Bergfeld

Manufakturen-Blog: RTL Nord berichtet über die Besteckmanufaktur von Koch & Bergfeld

24. Januar 2018, Bremen. RTL Nord (Hannover) war unterwegs in norddeutschen Manufakturen. Dies ist der Beitrag über die Besteckmanufaktur von Koch & Bergfeld in Bremen. Hier der Link zum Beitrag von Matthias Willhöft vom 10. Januar 2018 auf der Seite von RTL Nord (Sie werden weitergeleitet auf diese Seite). Vor dem Beitrag läuft eine kurze Werbung. Sie müssen möglicherweise auf Nachfrage den ‚Adobe Flash Player‘ aktivieren. Viel Spaß – es lohnt sich!

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Orden, Anstecknadeln, Manschettenknöpfe – Deumer gibt die Antwort auf die Frage nach Manufaktur-Schmuck

29. November 2017, Lüdenscheid. Ich trage ja meistens Manschettenknöpfe. Kunststück – da ich wegen etwas längerer Arme sowieso nur Maßhemden von Campe & Ohff ordere, kann ich mir die Manschettenform für jedes Hemd aussuchen; preislich sind sie gleich, ob mit Umschlag für den Zierknopf, oder die Sportmanschette mit Kunststoff-Perlmutt-Imitat. Also bestelle ich oft „für Manschettenknöpfe“. Da im Knopf-Handel viel minderwertige Gussware angeboten wird, war es also „wenn, dann“ der Gang zum Goldschmied oder Juwelier. Vor einiger Zeit traf ich auf ein faszinierendes Paar in Sterlingsilber mit umlaufendem blauen Emaille-Band – von Deumer. Es wurde für mich Zeit, der Frage nachzugehen, wo serieller Manufaktur-Schmuck aus Deutschland seinen Platz hat, wenn auf der einen Seite billigerer Import aus Fernost drängt, auf der anderen Seite der Goldschmied mit Unikaten lockt. Ich fuhr ins Sauerland.

Lüdenscheid. Von einer Frau in einer Besprechung in Bochum wurde ich zuvor gewarnt, man wolle „dort nicht tot über dem Zaun hängen“. Und so präsentierte sich Lüdenscheid – immerhin oberhalb von 420 Metern über ‚Normal-Null‘ liegend – auch im November bei einem Grad Celsius und Schneefall grau. Deumers Adresse ‚Gartenstraße‘ hatte mich schon lange irritiert – Gewerbebau auf der „grünen Wiese“? Ja, aber irgendwie beruhigt stellte ich fest, dass es sich bei der heutigen Innenstadt-Lage um die namensgebenden Gärten zur Gründerzeit gehandelt haben muss, und mein Bild vom berühmten Produzenten nicht durch einen heutigen Trapezblechbau zu leiden braucht. Deumer produziert immer noch in einem schlichten, mehretagigen Fabrikbau mit Innenhof aus ebenjener Zeit. Innendrin die Faszination aus Altbau, Umbau, Anbau; Holzfußböden, grüne Maschinen, Mitarbeiter, die Raum für Raum an diesen klitzekleinen Anstecknadeln, Schmuckstücken, Orden, Medaillen, Manschettenknöpfen arbeiten. Werkzeuge bauen, vergolden, polieren, Emaille schmelzen, Metall mit dem Pinsel lackieren. Hochkonzentriert. Es duftet nach Schmieröl, es rumst, wenn die Spindelpresse losschlägt, die Stanze die Ronden aus den Blechen haut.

Johan Conze ist allein da. Sein Bruder und Mitgeschäftsführer Friedrich ist unterwegs. Den Conzes gehört das Unternehmen seit vier Generationen, seit ihr Urgroßonkel Wilhelm Conze vor hundert Jahren von der kinderlosen zweiten Deumer-Generation die Geschäftsanteile erwarb.

Manufakturen-Blog: Die Brüder Johan Conze und Friedrich Assmann leiten Deumer seit der Jahrtausendwende (Foto: Deumer)

Die Brüder Johan Conze und Friedrich Assmann (v. l.) leiten Deumer seit der Jahrtausendwende

Eigentlich wäre Wilhelm Deumer im Jahr 1863 auch mit Metallknöpfen für Uniformen gestartet. „In Lüdenscheid ist die Metallbearbeitung seit zweitausend Jahren nachgewiesen. Unsere Stadt war sogar einmal die Welthauptstadt der Metallknopf-Produktion – hier gab es 180 Firmen, die Knöpfe produzierten“, erzählt Johan Conze. Auf einmal hat Lüdenscheid mein Interesse. Und heute? „Gibt es nicht mehr. Wir bieten gerne noch Knöpfe für Smokinghemden an.“ Conze lacht. Es ist klar, dass man die 27 Mitarbeiter des Unternehmens damit nicht auslasten kann. Nicht einen, genaugenommen. Als hätte es Wilhelm Deumer – selbst gelerntet Metallbearbeiter und ursprünglich in der Knopfproduktion zu Hause – geahnt, hörte er von einem neuen Vergoldungverfahren und gewann einen Geschäftspartner zur Gründung seiner Fabrik mit dem Schwerpunkt Medaillen und Abzeichen.

Er bewarb sich erfolgreich um die Fertigung von Orden und Auszeichnungen – selbst heute macht ein ganz schöner Teil vom Umsatz die Fertigung von Schützenmedaillen aus. „Die sind immer noch häufig aus Silber.“ Obwohl selbst Lieferant von Auszeichungen für Armee und Politik zwischen 1933 und 1945, fertigt Deumer ab Kriegsende bis zum Abzug der britischen Truppen nach dem Mauerfall zahlreiche  Auszeichnungen der Britischen Rheinarmee. „Heute wächst der Umsatz mit hochwertigen Firmenauszeichnungen, Anstecknadeln… die können ruhig schon mal etwas kosten!“, Conze zeigt mir Beispiele, die gerade in Produktion sind: Echtgold, mit Brillianten besetzt, für die erfolgreichsten Vertriebsleute eines großen deutschen Mittelständlers. „Für solch eine Nadel brauchen wir schonmal 600 Euro.“ Und – wollen Männer so ausgezeichnet werden (es fehlt ja an Eichenlaub und Schwertern dazu)? „Also mir sagt der Einkäufer: unbedingt! Aber es liegt für die Ausgezeichneten ja auch immer noch ein großer Check für Boni dabei.“

Auf die Emaillewerkstatt ist man bei Deumer natürlich sehr stolz. Conze: „Wir sind die Einzigen in Deutschland, die das noch im seriellen Stil betreiben und können.“ Und so kommen zum Beispiel immer noch die Porsche-Embleme für alle, die sie sich zumeist für ihre historischen 911er leisten wollen und bestellen, von Deumer. Denn werkseitig werden heute in der Herstellung weniger aufwendige Deckelwappen verbaut.

Daher rührt auch die Deumer-typische Verbindung von Emaille und Manschettenknopf. Eigentlich ist dieses Schmelzglas nicht wertvoll – aber die Verarbeitung ist schwierig und aufwendig: Mit einer Flüssigkeit verbinden, schmelzen, Risse und Unebenheiten polieren, wieder überschmelzen, wieder polieren… Dabei ist Emaille schon lange bekannt: Die ältesten Funde stammen aus mykenischen Gräbern und seien 3500 Jahre alt, heißt es im firmeneigenen Blog.

Manufakturen-Blog: Schleifen und polierenen - bis alles schön glatt ist und glänzt (Foto: Wigmar Bressel)

Schleifen und polieren ist die wichtigste Handarbeit – bis alles schön glatt ist und glänzt, wie bei dieser Anstecknadel, die Dennis Busse poliert


Manufakturen-Blog: Manschettenknopf 'Blaues Band' mit blauem Knopf-Gegenstück (Foto: Deumer)

Manschettenknopf ‚Blaues Band‘ in Sterlingsilber mit blauem Knopf-Gegenstück

Der Aufwand, sehr gute Emaille zu erschaffen, ist der Grund, weshalb sie aus der Verarbeitung nahezu verschwunden ist. Der Industrie ist sie – außer als hauchdünne Industrie-Emaille beim Backblech – zu teuer; für Handwerker – wie Goldschmiede und Juweliere – ist sie kaum vorzuhalten: Schmelzofen, Energiebedarf, serielle Fertigung in Stückzahlen – das kann nur die Manufaktur noch leisten. Und da ist Deumer die Einzige. Und es beantwortet auch die Frage zur Notwendigkeit seriellen Manufakturschmucks – nur so können bestimmte kulturelle Handwerkstechniken, wie diese, erhalten bleiben.

Der theoretisch günstige Werkstoff Emaille ist also aufgrund seiner Seltenheit und seiner kulturellen Bedeutung wertvoll geworden – und so geht er bei Deumer eine schöne Symbiose mit Gold, Silber und anderen Metallen ein.

Meine ersten Manschettenknöpfe habe ich mir von meinem Vater geliehen, um im ersten Smoking meines Lebens zum Landespresseball gehen zu können. Es waren wunderbare, jedoch sehr einfach verarbeitet, Emaille-Silber-Knöpfe – eben aus der armen Nachkriegszeit. Ich war 21 Jahre alt. Zwei Jahre später nötigte ich auf Besuch bei meinem Onkel Arturo in Madrid diesen, mit mir in die Innenstadt zu fahren – ich habe mir bei einem Juwelier dann ‚Goldene‘ gekauft, die ich immer noch gerne trage (und an ihn denke). Bei Messeaufenthalten auf der ‚Ambiente‘ kamen Verschiedene aus Silber und Gold eines italienischen Anbieters hinzu. Dann kam der Mut, eigene Manschettenknöpfe zu entwerfen – sie sind gewölbt und rund oder gewölbt und quadratisch, aus Silberblechen ausgesägt und von Hand geschlagen. Hundert Stück mögen wir im Laufe einiger Jahre verkauft haben… Jetzt habe ich mir also nach langer Zeit wieder ein Paar gekauft – natürlich das mit dem blauen Band.

Ja, Manschettenknöpfe… man übersteht das Leben wahrscheinlich auch ohne – jedoch nicht so schön!

Fotos: Wigmar Bressel, Deumer (2)

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Zur Geschichte der Manschettenknöpfe ‚Blaues Band‘ im Unternehmens-Blog bei Deumer…

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‚Style‘ und ‚Style.us‘ – die fantastischen Schreibgeräte der Familie Mümmler

14. November 2017, Neumarkt. Sie sind so filigran. So schön. So praktisch mitzunehmen. Und mit ihnen schreibt sich so geschmeidig… Ich stelle fest, ich schwärme für die nur acht Millimeter dünnen Holzkugelschreiber der im Jahr 1899 gegründeten Holzschreibgerätemanufaktur e+m Holzprodukte aus dem oberpfälzischen Neumarkt!

Zuerst gesehen habe ich die Kugelschreiber aus den Hölzern Wildkirsche, Wenge, Zebrano oder Walnuss als Neuheit auf der Frankfurter Messe ‚Ambiente 2017‘ in Frankfurt. Wieder aufgetaucht sind sie dann mit dem Stylus-Gummi an der Kappe zum Bedienen von Tablets und Smartphones im Wettbewerb um das ‚Manufaktur-Produkt des Jahres 2017‘ – und dort eroberten sie sofort den 2. Platz im Hauptwettbewerb (in der Jury war u. a. Manufactum-Chef Dr. Christopher Heinemann und der ‚Digital-Papst des deutschen Handwerks‘ Christoph Krause).

Holz ist ‚das‘ Gen des Unternehmens der Familie Mümmler: Vor 118 Jahren von Konrad Ehmann gegründet, ging es damals um den perfekten Federhalter – eines der wichtigen Schreibgeräte der Zeit. Und Ehmann entwickelte und tüftelte… Bald hatte er 10 000 verschiedene Federhalter in Form und Farbe im Angebot, wurde der größte Federhalter-Fabrikant des Deutschen Reiches. Es kamen die Kriege, im zweiten wurden die Produktionshallen komplett zerstört… In vierter Familiengeneration trat Wolfram Mümmler in der 1980er Jahren in das von seinem Urgroßvater gegründete Familienunternehmen ein, erwarb nach und nach alle Gesellschaftsanteile von den anderen Familienmitgliedern, aus Ehmann wurde Ehmann + Mümmler, wurde die e+m Holzprodukte GmbH & Co. KG. Seine Frau Brigitte kam hinzu… Jetzt die Töchter, von denen Leonie in Hamburg studierte und in einer Kommunikationsagentur arbeitet, und Dorothee, die inzwischen Produktdesign an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein studiert; beide haben schon am Messestand gejobbt, die Eltern ab und an vertreten und sich der Frage stellen müssen, ob sie einzeln oder gemeinsam die fünfte Familiengeneration im Unternehmen werden möchten…

Manufakturen-Blog: Brigitte Federhofer-Mümmler und Wolfram Mümmler in ihrem Betrieb - seit vielen Jahren denken sie sich immer neue Schreibgeräte aus Holz aus (Foto: e+m Holzprodukte)

Brigitte Federhofer-Mümmler und Wolfram Mümmler in ihrem Betrieb – seit vielen Jahren denken sie sich immer neue Schreibgeräte aus Holz aus (Foto: e+m Holzprodukte)

Manufakturen-Blog: Dorothee und Leonie Mümmler nehmen von Hartmut Gehring auf dem 9. Zukunftsforum Deutsche Mnaufakturen die Urkunde für Style.us entgegen (Foto: Deutsche Manufakturen e. V. / Martin Specht)

Dorothee und Leonie Mümmler nehmen von Hartmut Gehring auf dem 9. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen die Urkunde für Style.us entgegen (Foto: Deutsche Manufakturen e. V. / Martin Specht)

Noch heute werden laut Produktkatalog von e+m Holzprodukte „alle Produkte nach alter Tradition auf klassischen Drechslereimaschinen hergestellt. Ein besonderes Anliegen“ sei „die Bewahrung der alten handwerklichen Traditionen“ sowie deren „Umsetzung in neue Produktionsschritte“.

Mümmlers stehen für Nachhaltigkeit. Die Manufaktur-Mitarbeiter begeistern sich für einheimische Hölzer. Der Betrieb ist seit dem Jahr 2007 FSC-zertifiziert: „Die Zertifizierungskette erstreckt sich vom Wald über das Sägewerk bis hin in die Manufaktur.“

Natürlich ist bei soviel Verständnis für Holz auch eine große Faszination für alle Hölzer dieser Erde da – und so wurden ‚Style‘ und ‚Style.us‘ mit Wenge und Zebrano geadelt. Hauchdünnes Holz mit Wechselminen, deren Schreibpaste besonders gut fließt, da an ein Mini-Lüftungsloch im Griff gedacht wurde, das einen Unterdruck verhindert. Hinzu kommt die stylische Metallkappe aus Messing oder Kupfer, mit oder ohne Stylus-Gummi, die – hinten aufgesteckt -, das Schreibgerät auf gute dreizehneinhalb Zentimeter verlängert und für die meisten Hände ausreichend groß macht. Faszination für EUR 35,00 – 40,00 uvp im guten Schreibwarenhandel oder bei e+m im Onlineshop.

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Der Verband Deutsche Manufakturen stellt die neue Begriffsdefinition ‚Manufaktur‘ vor

21. Oktober 2017, Bremen. Schon lange schwelt die Frage, wie der Begriff ‚Manufaktur‘ für heutige Unternehmen definiert werden kann – zeitgemäß, anwendbar, authentisch und überprüfbar. Nicht als bloße werbliche Idee und Verbrauchertäuschung. Klar ist: Der Begriff macht nur Sinn, wenn er nicht Synonym mit Handwerk ist. Er macht nur Sinn, wenn die Unternehmen, die ihn für sich verwenden, auch unterscheidbar von Unternehmen sind, die in der gleichen Branche tätig sind – aber eben anders, eben nicht als ‚Manufaktur‘. Der Verband Deutsche Manufakturen e. V. hat in einem umfangreichen Abstimmungsprozess den Begriff ‚Manufaktur‘ neu definiert.

Zur leichteren Auffindung wurde für die Definition eine eigene Mikroseite eingerichtet. Auf dieser können sich Unternehmen zu dieser Verwendung des Manufaktur-Begriffs bekennen und dessen Verwendung als Subskribent unterstützen.

Durch die Veröffentlichung soll auch überprüft werden, ob die Definition ‚allumfassend‘ ist – Manufaktur-Unternehmer und Öffentlichkeit sind herzlich eingeladen, sich mit ihr zu beschäftigen und gegebenenfalls Veränderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu machen.

Bewusst wurde auf das Adjektiv ‚Deutsche‘ verzichtet, da der Begriff ‚Manufaktur‘ zwar eine besondere Produktions- und Organisationsform beschreibt, aber nicht an besondere Länder gebunden ist – Manufakturen gibt es auf der ganzen Welt.

Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘

1. Die Manufaktur ist ein Vollproduktionsbetrieb von Konsumgütern, technischen Gütern oder Lebensmitteln – in jedem Fall physischen Produkten.

2. In Abgrenzung zu Handwerksbetrieben fertigt die Manufaktur Produkte in Serien, d. h. diese sind über einen längeren Zeitraum und mehrfach beziehbar. Sie ergeben ein Sortiment dieses Herstellers. Die Produkte der Manufaktur zeichnen sich durch eine hohe Fertigungstiefe aus – in der Regel vom Rohstoff den gesamten Produktionsweg zum fertigen Produkt unter einem Dach für den Handel oder Auftraggeber; die Manufaktur ist im Kerngeschäft weder Zulieferbetrieb von Halbfertigteilen für die Industrie noch reiner Dienstleister, der nur nach Kundenauftrag fertigt oder nur kundenspezifizierte Produkte herstellt.

3. In der Produktion der Manufaktur entscheidet der Mensch über die Fertigstellung der einzelnen Arbeitsschritte; verfolgt wird das Ziel der Perfektion des Produkts, über die der Mensch entscheidet. Im Gegensatz zur Industrie, in der die Vorgaben durch den industriellen Zeittakt das Arbeiten prägt und es um das Erreichen einer preis-optimalen Relativ-Perfektion eines unbedingten Massen-Produkts geht. Die Handarbeit bzw. der Anteil des Menschen an der Produktion nimmt in der manufakturellen Fertigung einen hohen Anteil ein. Der Einsatz von Maschinen ist in einer Manufaktur seit je her gebräuchlich und wird auch für eine moderne Manufaktur in Zukunft unumgänglich bleiben, dies schließt aber eine Vollautomation allgemein gesehen aus.

4. Die Manufaktur zeichnet sich dadurch aus, dass in ihrer Produktion verschiedene Gewerke – also mehrere Mitarbeiter mit unterschiedlichen Berufsausbildungen – zusammenarbeiten, damit die Produkte hergestellt werden können. Die Manufaktur verfügt in Abgrenzung zum Kunsthandwerker über mehrere Mitarbeiter, in der Regel mehr als fünf.

Diskussionsstand: 2. Mai 2017

Der Diskussionsstand vom 2. Mai 2017 ist auch der, der auf dem 9. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen in Fürstenberg besprochen und diskutiert wurde – er wurde seitdem nicht mehr verändert.

Links zum Thema ‚Manufaktur-Definition‘:

Mikroseite mit der Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘ des Verbandes Deutsche Manufakturen

Wikipedia

Gabler Wirtschaftslexikon

Duden

Foto: Benzinger Uhrenunikate

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Sie haben eine Idee, sehen noch eine Präzisierungsmöglichkeit oder möchten eine Idee zur Diskussion beitragen? Bitte gehen Sie über die Mikroseite und verwenden Sie die angegebene eMail-Adresse oder tragen Sie ihren Kommentar hier auf dieser Seite ‚öffentlich‘ vor

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RAL versucht sich am Begriff ‚Manufaktur‘

18. Oktober 2017, Bonn. Glauben Sie, dass man den Begriff ‚Manufaktur‘ in drei knappen Hauptsätzen hinlänglich definiert bekommt? Bei diesem Manufakturen-Hype, bei der Diskussion um Missbrauch und Verbrauchertäuschung durch Dienstleister und Handwerker? Nein? RAL, das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V., hat unter der Registrierungsnummer RAL-RG 991 diesen Versuch unternommen. Ergebnis: wie erwartet – ‚ungenügend‘.

RAL ist schon eine gewisse Zeit rund um die Thematik befasst. Im Jahr 2016 hat sich der Berliner Unternehmer Ulrich Welter (Welter Manufaktur für Wandunikate) an den Bonner Gütesicherungs- und Kennzeichnungsverein gewandt, um eigentlich ‚Handmade in Germany‘ registrieren zu lassen. Das wurde damals nach Auskunft von RAL abgelehnt. Heraus kam dann ein Definitionsversuch für ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Handgefertigt in Deutschland‘ – und zur Überraschung der deutschen Wirtschaftsverbände auch für ‚Made in Germany‘. Zehn Tage, nachdem ich hier im Blog am 18. Januar 2017 über die „vorläufige Endversion“ von RAL berichtete („Noch mit Macken: RAL-Definition der Begriffe „Deutsche Wertarbeit“, „Handgefertigt in Deutschland“ und „Made in Germany“ liegt jetzt in der Endfassung vor), zog dieser aufgrund meiner Kritik die Begriffsbestimmung zurück.

Dann war einige Zeit nichts dazu zu hören – bis RAL unter dem Datum 23. Mai 2017 überraschend die Registrierung RAL-RG 991 mit dem neuen Inhalt ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Deutsche Handarbeit‘, ‚Deutsche Manufakturen‘ ‚(Handmade in Germany)‘ verschickte. Diesmal nicht als „vorläufige Endversion“ im Verkehrskreis, sondern gleich als „anerkannte Registrierung“.

Nun haben die RAL-Mitarbeiter damit gegen ihre eigenen Verfahrensgrundsätze verstoßen, denn nach diesen bezieht RAL in der Erarbeitung der Registrierungen laut Eigenbekundung „die direkt von den Festlegungen berührten Fach- und Verkehrskreise wie Hersteller, Handel und Behörden ein“ – und schließlich heißt es an gleicher Stelle auch: „RAL-Registrierungen sind eine Selbstverpflichtung der jeweiligen Wirtschaftszweige.“

„Selbstverpflichtung“ setzt Beteiligung und ein Übereinstimmen wenigstens eines Großteils der Beteiligten und Betroffenen voraus. Die Beteiligung hat nicht stattgefunden – damit ist eigentlich schon alles gesagt. Und RAL räumt selbst ein, dass die „maßgebliche Mitarbeit“ nur durch Unternehmer Welter und einen Assistant Professor of Luxury Marketing an der EMLYON Business School in Shanghai, Klaus Heine, erfolgte.

Trotzdem soll noch der Blick auf die neue RAL-Registrierung geworfen werden. RAL behauptet in ihr, die „Definition des Begriffes Manufaktur“ sei:

In einer Manufaktur werde Wertarbeit geleistet (Kriterium 1). Die Endmontage der Produkte erfolge zum größten Teil in Handarbeit (Kriterium 2). ‚Deutsche Manufaktur‘ sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘.

Das war’s nach RAL zur Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘. Nichts zum arbeitsteiligen Arbeiten, nichts zur seriellen Fertigung, nichts zur Abgrenzung zu Dienstleistern, Handwerkern und Industrie, nichts zur besonderen Arbeitsform in der ‚Manufaktur‘.

Ähnlich unpräzise wird auch über einen Begriff wie ‚Deutsche Handarbeit‘ hinweggebügelt – auch diese sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘ und deshalb außerdem identisch mit der englischen Übersetzung ‚Handmade in Germany‘…

Apropos ‚deutsch‘: Auch für die Verwendung dieses Adjektivs werden Thesen aufgestellt, die sich noch beweisen müssten. Zum Beispiel, dass die Endmontage des Produkts von einem deutschen Unternehmen erfolgen müsse. Was ist gemeint? In Deutschland ansässig, wie es auch viele Konzerntöchter weltweit tätiger und ihren Sitz in einem anderen Land habender Firmen sind? Oder deutsche Gesellschafter oder Aktionäre? Oder geht es um deutsche Firmenkultur? Alles denkbar, jedoch unklar…

Und dann wird für die oben genannten und registrierten Begriffe auch noch postuliert, die Produkte, die unter diesen Begriffen gefertigt und in den deutschen Markt gebracht würden, „sollten regionale deutsche Kultur verkörpern“… als würden beispielsweise Porzellan und Glas, Schreibgeräte und Maßschuhe trotz globalisierter Welt von deutscher Region zu deutscher Region so unterschiedlich designt und gefertigt…

Irgendwie ist es traurig, der guten alten Tante RAL (gegründet im Jahr 1925 als ‚Reichsausschuss für Lieferbedingungen‘) dabei zuzusehen, wie sie unter der mangelnden Sorgfalt und dem fehlenden Verantwortungsbewusstsein dieser Mitarbeiter leidet.

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RAL-RG 991 ist zum Preis von EUR 20,54 (gedruckt) / EUR 32,13 (Download als PDF) zu beziehen über:

Beuth-Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin

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