„Made in Dithmarschen“: die Supermatratzen der Familie Wulff
23. Juli 2018, Fedderingen. Welche Produkte können aus Manufakturen kommen? Gibt es Produkte, die nicht von Manufakturen produziert werden können? Vielleicht eine Weltraumrakete (zuviele Beteiligte und Zulieferer). Oder ein selbstfahrendes Auto (auch zuviele Beteiligte und Zulieferer). Aber ansonsten? Zu Besuch bei einem Spezialisten in der sprichwörtlichen „Pampa“: bei Wulff Med Tec in Fedderingen in Dithmarschen. Dort, in der gemütlich wirkenden schleswig-holsteinischen Hügellandschaft, werden auf dem Gelände des ehemaligen Bauernhofs der Gründerfamilie Wulff jährlich zwischen 25 000 und 30 000 Spezialmatratzen für Krankenhäuser und den schlafbewussten Privatkunden gefertigt – mit ziemlich viel Handarbeit. Jetzt ausgezeichnet mit dem ‚Deutschen Manufakturen-Siegel‘.
„Nein“, sagt Heino Wulff, zweite Geschäftsführer-Generation im elterlichen Familienbetrieb, „Probleme, Leute für den Betrieb und das weitere Wachstum zu finden, haben wir hier nicht. Wir bemühen uns, den Mitarbeitern ein guter Arbeitgeber zu sein. Wir haben eher das Problem, dass andere Arbeitgeber sich bei uns beschweren, wenn wieder einer ihrer Leute zu uns wechselt.“ Gute Arbeit im ländlichen Raum – begehrt. Niemand möchte gerne täglich die 100 Kilometer nach Hamburg pendeln. Der Traum vom günstigen Bauland, von günstigen Wohnhäusern, vom Dorf zum Aufwachsen für die Kinder. Idylle. Aber wo ist die Arbeit?
„Wir bieten jedenfalls etwas“, sagt Wulff. Kostenloses Mittagessen, zum Beispiel. Eintrittskarten für und Erlebnisse mit den Handball-Spezialisten vom THW Kiel oder dem TSV Weddingstedt, die von Wulff Med Tec gesponsert werden. Oder: Wer einen Wulff-Aufkleber auf dem Privatauto fährt, bekommt 21 Euro im Monat vom Betrieb gezahlt. Es gibt ein E-Auto für die 60 Mitarbeiter. Zum Austesten. Ein E-Auto? Auf dem Land? „Ja, ich fahre ja selbst auch ein E-Auto“, sagt Wulff. Einen Nissan Leaf. Sein Vater, der Firmengründer Hinrich Wulff, hat sich jetzt auch ein E-Auto bestellt. Auf dem Hof sieht man die E-Tankstelle mit vier Ladeplätzen, vom Bund gefördert, auf den Dächern der Produktion glänzen die Photovoltaik-Module. Ein eigenes Windrad ist in Planung. Die Luft-Wärme-Pumpe hat die Gas-Brennwert-Therme ersetzt. „Autark werden“, sagt Wulff. Nächstes Jahr ist erstmal die Bank raus. Man ist dann schuldenfrei. Trotz Neubaus eines Verwaltungsgebäudes mit Werkverkauf an der Hauptstraße vor zwei Jahren. Bis zum nächsten Investment.
Mehr als sieben Millionen Euro Umsatz generiert Wulff Med Tec inzwischen. Aber der Weg dahin war natürlich mühsam und vom Fleiß der Familie geprägt. Im Jahr 1985 startete der Chemie-Außendienstler Hinrich Wulff seinen genehmigten Nebenjob mit Produktion und Handel von Schonbezügen für Matratzen in Krankenhäusern. Irgendwann wurde ihm klar, dass man Krankenhäusern besser gleich gesamte Matratzen anböte. Da das „Wundliegen“ von Patienten ein großes Thema ist, begann er also an Anti-Dekubitus-Matratzen zu forschen, gewann die Technische Universität Berlin als Partner, eine Schlafexpertin kam hinzu – im Jahr 2002 war die erste perfekte Matratze entwickelt: im Kern bestehend aus einem stabilisierenden Kaltschaum sowie einem viskoelastischen Schaum, der das Körpergewicht auf eine größere Fläche verteilt und so Druckstellen vorbeugt.
Da immer öfter auch Anfragen von zufriedenen Patienten eingingen, entwickelte Wulff schließlich die sogenannten „Viskolastic Komfortmatratze“ in verschiedensten Härtegraden und für unterschiedliche Körpergewichte, für Kinder, fürs Wohnmobil und die LKW-Kabine. Seit einige Zeit auch für Hotels – eigentlich naheliegend. Klar ist, dass alle „optimal“ sein müssen, wenn sie in Deutschland – pardon: Dithmarschen – produziert werden: hochwertige Steppung der Bezüge, Belüftungsband, Öko-Tex-100-Zertifizierung, Trikot-Schonstrumpf um die Matratze, Bewegungskräfte aufnehmender Wellen-Zahn-Schnitt in der Verbindung der Materialien, Spiralreißverschlüsse, Anti-Allergen-Ausstattung, verstärkte Randzone (damit man besser auf der Bettkante sitzen kann). Bei Verkaufspreisen für die Top-Modelle ab 725 Euro – vertrieben über den Facheinzelhandel (das am Weitesten entfernte Geschäft ist in China und nimmt immerhin rund hundert Matratzen im Jahr ab) und die zwei eigenen Geschäfte in Heide und Lübeck.
Der Liegetest im Werkverkauf in Fedderingen macht schnell klar, was Wulffs Prospekte versprechen, stimmt: Wer besser liegt, bewegt sich im Schlaf seltener – nämlich statt bis zu hundertmal vielleicht nur zwanzigmal. Und das ist für die Schlafqualität entscheidend. Von Wulffs Kooperationspartnern in der Schlafforschung nachgewiesen. Heino Wulff: „Wir wollen die beste Matratze, die es gibt – dafür forschen wir immer weiter.“ Und dementsprechend selbstbewusst klebt auf den Wulff-Produkten ein selbstentworfener Aufkleber: „Made in Dithmarschen“.
Fotos: Wigmar Bressel
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