Nachlese ‚Ambiente 2019‘: Die verbliebenen Manufakturen zeigen Interessantes
2. März 2019, Frankfurt am Main. Wohin geht es mit der ‚Ambiente‘, der „größten Konsumgütermesse der Welt“? Viele Manufakturen mit so klangvollen Namen wie KPM und Fürstenberg, sind ihr zum zweiten Mal ferngeblieben, waren nur noch in Paris. Poschinger, Koch & Bergfeld, Wilkens, Mühle – die Liste derjenigen ist lang, die schon länger weg sind, weil die Besucher nicht zu den Erwartungen passen. Aber die, die ausstellten, hatten interessante Neuheiten und Neuigkeiten, Infos und Design mitgebracht…
Allen voran die Porzellanmanufaktur Meissen, die sich mit ihrem zweiten spektakulären Stand präsentierte – nach der ‚Porzellanwerkstatt‘ nun die ‚Tropen‘ mit Urwaldgrün und farbenfrohen Tiermalereien und natürlich Skulpturen. Am Beeindruckendsten fand ich die asiatischen Besucher, die vor der großen Porzellanwand mit dem Vogelschwarm standen; sie reisen aus der Ursprungsregion des Porzellans an – und doch bringen die Sachsen sie zum Staunen (siehe Titelfoto)!
Radikal anders tritt der Porzellanhersteller Könitz aus Thüringen auf. Er stand diesmal statt in der Luxus-Tischkulturhalle 4.1 neu in der Halle 4.0 (dort, wo Mono steht). Natürlich spürt man dem Team eine gewisse Erschöpfung nach den Sorgen des Jahres 2018 an. Aber Könitz präsentiert sich innovativ, wie lange nicht: Für den Handel wurde ein modulares Rack entwickelt, das außer der individuellen Beplanung mit Porzellanbechern auch noch einen Tablet-Computer enthält, auf dem der Kunde im Laden (am ‚Point of Sale‘) aus dem riesigen Sortiment direkt online bei Könitz ordern kann. Abgewickelt wird die Bestellung vom Werk aus direkt zum Kunden – der Händler wird finanziell am Geschäft beteiligt. Außerdem: Neue Haptiken bei den Glasuren. Ob Holzstruktur oder Betonartiges, Karbon oder Strukturlacke – auf die Kunden kommen ganz neue Erlebnisse zu. Erste Kunden – wie die Automarke Bentley – hat individuell gerfertigte Becher schon im Programm.
Und dann ist da natürlich noch ‚100 Jahre Bauhaus‘. Könitz bietet u. a. auch vier Becher mit bekannten Bauhäusler-Zitaten. Alle auf Englisch – „weil die Zitate alle erst nach der Vertreibung der bekannten Größen nach Amerika entstanden“, erklärt Inhaber Turpin Rosenthal. Und zur Auflösung stehen die Zitatgeber unter dem Becher, wenn man ausgetrunken hat…
Manufakturen & Design – Mark Braun (zuvor u. a. schon tätig für Nomos, Mühle, Lobmeyr, Mono) durfte wieder ran: Für den Feingerätebau K. Fischer aus dem erzgebirgischen Drebach (wohin das Unternehmen im Krieg von Hamburg aus hin ausgelagert wurde und blieb) hat der Designer neue Wettermessgeräte entworfen. Perfekte Technik von Fischer – nun auch in schlichtem modernen Design à la Braun. Eine gute Ergänzung zu den Profigeräten für Containerriesen und U-Boote, den Semi-Professionals für Segler und Havelkapitäne, den klassischen Wetterstationen für den Garten und die Messinggeräte für das Wohnzimmer.
Ein anderer Profi ist jetzt für die Solinger Messermanufaktur Gehring (in Halle 3.1) tätig: Johann Lafer hat dort nun eine schicke neue Messer-Serie am Start – mit Holzgriffen und einem eher klassischen Design. Während Güde zwei Gänge weiter den Ansatz von „The Knife“ vorantreibt: Die neue Serie ‚Synchros‘ mit Holzgriffen, die sich von oben in den Stahl einschmiegen; die Messer sehen spaceig aus!
Am neuen Platz in der 3.1 stand erstmals die Kupfermanufaktur Weyersberg – von zwei Seiten begehbar. Neu sind ovale Kupferbratpfannen (keramik-innenbeschichtet, induktionsherdgeeignet, 3 mm starkes Kupfer) und ein großer Kochtopf sowie Filzüberzieher gegen heiße Griffe; der heimliche Star sind jedoch die Kupferbecher für den In-Drink ‚Moscow Mule‘ – ein Produkt entwickelt zur Verwendung von Schnittresten, von denen es im Moment noch nicht mal genug gibt.
Ein bisschen Romantik zum Schluss aus der Halle 9.1: Die Reichels stehen für ihr Hauptprodukt, die hölzernen ‚Schutzengel‘, ein vieltausendfach jedes Jahr ausgeliefertes Geschenk oder Sammlerstück, das weltweit seine Abnehmer hat. Im Gegensatz zu den Figuren von Wendt & Kühn (in den 1920er Jahren als Design-Objekte recht ernsthaft gestaltet) haben Reichels Figuren überwiegend ‚Witz‘ – ob der schwarze Hund den Engel anspringt oder der Engel zum Geburtstag gratuliert, man sieht ihnen an, dass sie aus der ‚Heute-Zeit‘ sind. Ganz neu sind die Adventspyramiden zum Selberbestücken; ob mit den witzigen Schutzengeln oder aus dem Reifen geschlagenen Designer-Krippenfiguren – das bleibt dem Kunden überlassen. Die Pyramiden-Flügel sind übrigens aus einer Metalllegierung und damit brandsicher. Alles zusammen ein großer Schritt von der sogenannten „erzgebirgischen Volkskunst“ (die heute sehr von stark industrialisierten Playern geprägt ist, deren Teilefertigung und Zulieferung über die ganze Welt verstreut sind) hin zu neuem erzgebirgischen Design und modernem Wohngefühl.
Mein Fazit: Diese ausstellenden Manufakturen wollten etwas erzählen.
Fotos: Wigmar Bressel
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