André Scheffler wird Geschäftsführer der Besteckmanufaktur von Koch & Bergfeld

21. Januar 2023, Bremen. Geduld ist keine Tugend – aber sie ist wichtig, wenn man eine der interessanten Positionen in der deutschen Wirtschaft erreichen will. Oder wie würden Sie es bezeichnen, wenn es um ein mehr als 190 Jahre altes und unabhängiges Familienunternehmen geht? André Scheffler ist alt genug. Er ist 61. Jung und dynamisch im Kopf. Es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Er hat anderthalb Jahre auf seine Einstellung gewartet. Er hat locker durchgehalten. Nun wird der langjährige Vertriebsleiter der Porzellanmanufaktur Fürstenberg neuer Geschäftsführer der Besteckmanufaktur von Koch & Bergfeld in Bremen. Es geht für ihn vom Porzellan ins Silber. Er verspricht uns allen: „Ich werde mein gesamtes Herzblut in die Weiterentwicklung dieses Unternehmens stecken.“ Gründungsjahr 1829 – aber jede Generation muss es erhalten und in die nächste weitertragen.

Scheffler kommt aus Bad Zwischenahn, die Gemeinde mit eigenem „Meer“, das der drittgrößte See Niedersachsen ist. Die Region heißt Ammerland, wird durch Baumschulen geprägt und bereichert durch deren privat-öffentliche Rhododendron-Parks – berühmt ist sie auch für den ‚Ammerländer Löffeltrunk‘ aus dem Zinnlöffel in der linken Hand und dem Spruch, den die beiden sich Zuprostenden im Wechsel sprechen: „Ick seh di! Dat freit mi! Ik sup di to! Dat do! Ik heb di tosapen! Hest’n Rechten drapen! So hebt wi dat immer doh‘n! So schall dat ok wieter goh’n!“ Plattdeutsche Kultur, immer noch gesprochen, Prost dem, der im Ammerland mit dem Zinnlöffel unterwegs ist – Achtung: in der linken Hand, die rechte jederzeit frei für den Griff zur Waffe gegen mögliche Unterknechter aus dem Süden… im Grenzland zu den Friesen, die übergriffigen und respektlosen Missionaren notfalls mal den Kopf abschlagen, solche Menschen sind das da halt.

Manufakturen-Blog: So verliert man offensichtlich talentierte Mitarbeiter - Gottfried Kochs 'Spaten', den Wilkens nicht produzieren wollte, weswegen Koch kündigte und dessen Entwurf immer noch einen größeren Anteil am Umsatz von Koch & Bergfeld ausmacht (Foto: Koch & Bergfeld Besteckmanufaktur GmbH)

So verliert man offensichtlich talentierte Mitarbeiter – Gottfried Kochs ‚Spaten‘, den Wilkens nicht produzieren wollte, weswegen Koch kündigte und dessen Entwurf heute immer noch einen größeren Anteil am Umsatz von Koch & Bergfeld ausmacht.

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Der sehr viel feinsinnigere und sehr viel weniger bäuerliche Scheffler hat in den 1980er Jahren Betriebswirtschaftslehre in Münster studiert, ist Diplom-Kaufmann. Seine Stationen waren unter anderem Parfums Christian Dior, der Strumpfhersteller Falke und hier wieder die Marken Dior sowie Joop, die Sara-Lee-Group, Carl Albani in Augsburg, EganaGoldpfeil – und dann eben die historische Porzellanmanufaktur Fürstenberg, gegründet im Jahr 1747 von Karl dem Ersten (1713-1780), Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, die Nummer Drei der berühmten Vier bestehend aus Meissen, KPM und Nymphenburg.

Nun also Koch & Bergfeld. Die Silberschmiede wurde von Gottfried Koch, der bei Wilkens gelernt hatte, im Jahr 1829 gegründet, weil sein Lehrherr die von ihm entworfene Alternative zur bestehenden Wilkens-Version des berühmten ‚Spaten‘-Bestecks (die älteste europäische Besteckform gleich nach dem geschnitzten Holzlöffel) nicht produzieren wollte. Koch kündigte, ging nochmal auf Wanderschaft, lernte Ludwig Bergfeld kennen, man heiratete auf dem Durchweg in Hannover zwei Schwestern – voilà. Aus ‚G. Koch‘ wurde Koch & Bergfeld.

Die Kinder der Firmengründer beschafften eine Dampfmaschine, erfanden um das Jahr 1860 herum das Verfahren, wie man Stahlwerkzeuge herstellte und zum Schneiden und Prägen des weicheren Silbers einsetzte – die Preise für Silberbesteck stürzten auf ein Zehntel ab, wer von den Mitbewerbern nicht nachmachte, ging pleite. Große Teile des Bürgertums konnten sich auf einmal das begehrte Besteck der Superreichen der bisherigen Zeiten leisten. Bestens für die Gründerzeit, die viele Menschen viel besser situierte. Zwanzig Jahre später hatte man 800 Beschäftigte und war reich.

Bergfelds schieden nach hundert Jahren aus, Kochs verkauften im Jahr 1989, kehrten jedoch nochmal als Minderheitsgesellschafter in den 2000er Jahren in die Immobilienbesitzgesellschaft (Stichwort: „Neustädter Schlösschen“) für 12 Jahre zurück.

Keine deutsche Besteckmarke steht so für Echtsilber (925er Sterling), wie diese: rund 92,5 Prozent der gefertigten Bestecke sind aus Sterlingsilber; Koch & Bergfeld entwarf im Jahr 1967 den UEFA Champions-League-Pokal, die Korpuswerkstatt inzwischen viele weitere Pokale und Trophäen. Das Besteck reiste früher auf den Ozeandampfern des Lloyd, liegt heute in vielen deutschen Botschaften auf dem Tisch, wurde von den Vereinigten Arabischen Emiraten vor einigen Jahren als Gastgeschenk verwandt – und auch US-Präsident Barack Obama speiste auf Deutschland-Besuch mit Gottfried Kochs ‚Spaten‘. Von 1829.

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Fotos & Videos: Wigmar Bressel

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Zehnmal Weimar-Porzellan-PopArt jetzt im Projektraum ‚unverloren‘

Manufakturen-Blog: Im Projektraum 'unverloren' gibt es jetzt zehn Bilder, die sich mit 'Weimar-Porzellan' beschäftigen, zu kaufen. (Foto: Wigmar Bressel)

Im Projektraum ‚unverloren‘ gibt es jetzt zehn Bilder, die sich mit ‚Weimar-Porzellan‘ beschäftigen, zu kaufen.

7. Januar 2023, Hamburg. Zum Ende des Jahres 2018 wurde Weimar-Porzellan, die Porzellanmanufaktur aus Blankenhain bei Weimar, nach 228 Jahre geschlossen, die 60 Mitarbeiter wegen Ratlosigkeit und zu wenigen Aufträgen entlassen. Die Fotoredakteurin Susanne Katzenberg aus Hamburg stieß ihm Rahmen einer Recherche zu Porzellan aus Thüringen auf das traurige Schicksal dieses deutschen Traditionsunternehmens. Sie erwarb die Rechte zur Produktion der Vase ‚Tini‘ aus der Insolvenzmasse und lässt sie von der Porzellanmanufaktur Reichenbach sehr erfolgreich wieder produzieren. Für diese – und anderes ostdeutsches Design – schuf sie im September 2022 den Projektraum ‚unverloren‘ in der Hospitalstraße 91 in Hamburg-Altona; seit dem 7. Januar 2023 werden dort auch zehn Grafiken auf Hahnemühle-Kunstdruckpapier zu Weimar-Porzellan von mir aus dem Manufakturen-Blog-PopArt-Projekt gezeigt und zu Preisen ab EUR 45,00 verkauft.

Zur Geschichte der ‚Tini‘ im Manufakturen-Blog geht es hier.

Das Buch zur Rettung der Vase ‚Tini‘ gibt es hier (Weiterleitung zum Projekt ‚unverloren‘).

Zum Manufakturen-Blog-PopArt-Projekt im Manufakturen-Blog geht es hier.

Zur Homepage des Manufakturen-Blog-PopArt-Projekts geht es hier.

Den Katalog zum Manufakturen-Blog-PopArt-Projekt im Manufakturen-Blog kann man hier bestellen.

Die Geschichte von Weimar-Porzellan kann man im Manufakturen-Blog hier nachlesen – es ist übrigens einer der meistgelesenen Beiträge…

Fotos: Wigmar Bressel

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