Manufakturen-Blog: Produktion einer Vase - Lalique steht immer noch für Art Déco und Jugendstil; hier zu sehen in der Bildschirminstallation in Wingen-sur-Moder (Foto: Wigmar Bressel)

Aus einfachstem Material Kostbarkeiten machen – ein Besuch im Werksmuseum der Glasmanufaktur Lalique

14. November 2019, Wingen-sur-Moder. Man kann schon sagen: Ja, das ist ein Teil des Geheimnisses des Erfolges – nimm etwas ganz Preiswertes, wie Quarzsand, misch es mit Pottasche und vielleicht auch Bleimennige, erhitz es stark und verschmelz es… aber dann, aber dann! Dann braucht es eben die Magie des Künstlers, des Designers oder Erfinders, damit daraus etwas als kostbar Empfundenes wird. Damit aus zwei-drei Kilo Glas oder Bleiglas zum Beispiel eine Blumenvase wird, die von den Liebhabern und Fans jedoch als Kunstobjekt betrachtet wird. Für das sie bereit sind, viele tausend Euro zu bezahlen. Ein Magier seiner Zunft war der französische Juwelier René Lalique, der irgendwann die Edelsteine vergaß – und sich ganz auf die Produktion von künstlerischem Glas konzentrierte; und von seinem Genie Generationen leben lässt – bis heute.

Eine Ausfahrt in die Nord-Vogesen. Glas wurde traditionell dort hergestellt, wo es Wald gab für Holzkohle und Pottasche. So geriet auch René Lalique von Paris aus in die Vogesen – im Jahr 1921 durch ein französisches Wirtschaftsförderungsprogramm angelockt, aufgelegt für das bedürftige Elsass, das gerade erst aus dem Deutschen Kaiserreich in die Republique zurückgekehrt war und nun wieder den Rand zum Nachbarn bildete. Randlagen-Besiedelung mit hunderttausend Franzosen war angesagt – und für die wurden französische Arbeitgeber gesucht.

Lalique wurde im Jahr 1860 in Ay in der Champagne geboren, wuchs jedoch in Paris auf, wo er Lehren zum Zeichner und Schmuckgestalter durchlief. Ein zweijähriges Studium in London förderte seine Begeisterung für die Natur – und so wurde René Lalique schnell zu einem bekannten Entwerfer von Schmuck nach Art des französischen Jugendstils. Bekannte Juweliere wie Cartier und Varenne nahmen ihn unter Vertrag – im Jahr 1885 machte er sich mit einer Werkstatt selbständig. „Anders“ an Lalique war: sein wachsendes Desinteresse an klassisch-wertvollen Materialien wie Gold und Edelstein; stattdessen kombinierte er Horn und Emaille – mit Glas.

Es folgte das erste eigene Geschäft, die Einladung zu Ausstellungen wie beispielsweise die Teilnahme an der Weltausstellung in St. Louis in den USA im Jahr 1904 – dann kam es zum ersten großen Schritt: Der Pariser Parfümeur Francois Coty beauftragte ihn mit Entwurf und Produktion von Parfümflakons, Lalique musste expandieren, mietete eine erste Glasproduktion in Combs-la-Ville. Weitere Parfümeure schlossen sich an – im Jahr 1911 stellte Lalique seine Schmuckproduktion ein und konzentrierte sich fortan auf Glas. Und stieg in das Objekt-Geschäft ein: Ozeandampfer, Orientexpress, Pullman-Reisewagen, Kirchenfenster, der Palast des japanischen Prinzen Asaka Yasuhiko, Skulpturen für Brunnen und Motorhauben von Bentley und Rolls-Royce und, und, und…

Schließlich also der Gang ins Elsass, das ihn gar nicht so gerne aufnehmen wollte. Die ortsansässigen Größen wie Saint Louis Kristallglas und die Glashütte in Meisenthal verweigerten die Zusammenarbeit – so musste er Glasmacher um Glasmacher einzeln anwerben, um seine vielen Aufträge souverän abarbeiten zu können. In der Spitze bis zu 300 Mitarbeiter.

Künstlerisch erfolgte sein nächster Schwenk, er wechselte vom romantischen Jugendstil zum strengeren Art Déco mit seinen Linien und Mustern – das er maßgeblich mitprägte.

Manufakturen-Blog: René Laliques Parfüm-Flakons mit dem Weinreben-Stopfen (Foto: Wigmar Bressel)

René Laliques Parfüm-Flakons mit dem Weintrauben-Stopfen

Manufakturen-Blog: Marie-Claude Laliques Skulptur von 1988 und ihre Medaillen für die Olympischen Spiele 1992 im Museum in Wingen-sur-Moder_Foto_Wigmar_Bressel

Eine Skulptur von 1988 und die Medaillen für die Olympischen Winterspiele 1992 nach dem Entwurf von Renés Enkeltochter Marie-Claude Lalique

Manufakturen-Blog: René Lalique auf einem Foto um das Jahr 1925 herum im Werksmuseum in Wingen-sur-Moder (Repro: Wigmar Bressel)

René Lalique auf einem Foto um das Jahr 1925 herum im Werksmuseum in Wingen-sur-Moder

Manufakturen-Blog: Die Glashütte von Lalique in Wingen-sur-Moder (Foto: Wigmar_Bressel)

Die Glashütte von Lalique in Wingen-sur-Moder

Was war Laliques Geheimnis? René Lalique hatte schnell die Bedeutung von Patenten erkannt. So entwickelte er in Wingen ein Verfahren, wie eine Maschine Glas in Metallformen bläst – die meisten Lalique-Produkte sind dementsprechend „maschinengeblasen“ und gegossen. Und ein anderes Verfahren war das des Ätzens von Glas – dementsprechend sind viele Lalique-Produkte „mattgeätzt“. Man könnte sagen: eigentlich einfach! Aber: Irgendjemand musste es erst heraustüfteln und den Mut haben, mattgeätztes Glas dem berühmten glitzernden Kristallschliff entgegenzusetzen – und dieses Verdienst gebührt eben René Lalique.

Nach der deutschen Besetzung im Jahr 1940 wurde die Glashütte Lalique geschlossen, die kriegstauglichen Männer eingezogen in den Dienst. Als der Unternehmensgründer am 1. Mai 1945 starb, waren die Alliierten zwar schon durch die Vogesen hindurch – aber die Wiedereröffnung durch seine Kinder erlebte er nicht mehr.

Die Manufacture Lalique wurde noch zwei weitere Generationen lang von der Familie geführt. Das Programm wurde größer, Schmuck kehrte zurück, dann auch eigenes Parfüm in eigenen Flakons, natürlich.

Im Jahr 1994 erfolgte der erste Verkauf – an Pochet, einen berühmten französischen Glashersteller (und inzwischen Multi-Konzern), gegründet im Jahr 1623. Rote Zahlen bei Lalique führten jedoch zum Weiterverkauf: Seit dem Jahr 2008 ist Lalique jetzt in erfolgreicherer Schweizer Hand (Art & Fragrance SA, heute Lalique Group SA). Das Unternehmen erwirtschaftet immer noch den größten Teil seines Jahresumsatzes von 81 Millionen Euro (2016) im Bereich der Dekorationsobjekte.

In Wingen unterhält das Unternehmen in einem Neubau seit dem Jahr 2011 das sehr besuchenswerte Werksmuseum. In ihm wird die Produktion und der Werdegang der Künstler aus der Lalique-Familie gut dargestellt; außerdem zeigt es Produkte aus allen Epochen: Schmuck, die Parfümflakons – und natürlich die geätzten Vasen und Lampen, für die Lalique heute vor allem steht. Das eigentliche Werk kann man nicht so einfach besichtigen – es liegt versteckt hinter dem Bahndamm etwa drei Kilometer vom Museum entfernt; wer es einmal von außen sehen möchte, folge den diskreten Schildern ‚LR Manufacture‘ ab dem Verkehrskreisel im Ort…

Fotos und Repros: Wigmar Bressel

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Manufakturen-Blog: Bildschirminstallation im Musée Lalique - in der Gießerei (Foto: Wigmar Bressel)

Bildschirminstallation im Musée Lalique – in der Gießerei

 

Manufakturen-Blog: Bildschirminstallation im Musée Lalique - in der Gießerei (Foto: Wigmar Bressel)

Bildschirminstallation im Musée Lalique – in der Gießerei

 

Manufakturen-Blog: Bildschirminstallation im Musée Lalique - im Glühofen wird das Glas heruntergekühlt (Foto: Wigmar Bressel)

Bildschirminstallation im Musée Lalique – im Glühofen wird das Glas heruntergekühlt

 

Manufakturen-Blog: Bildschirminstallation im Musée Lalique - Schleifen des Glases (Foto: Wigmar Bressel)

Bildschirminstallation im Musée Lalique – Schleifen des Glases

 

Manufakturen-Blog: Bildschirminstallation im Musée Lalique - Endkontrolle der Produkte und Nacharbeit (Foto: Wigmar Bressel)

Bildschirminstallation im Musée Lalique – Endkontrolle der Produkte und Nacharbeit

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