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Strickkrawatten ‚Made in Germany‘ – von Ascot in Krefeld

3. Februar 2021, Krefeld. Ich bin ein großer Fan von Strickkrawatten. Mit ihrer Struktur und ihrem lässigen Aussehen geben sie einem Outfit das gewisse Etwas. Gleichzeitig wirken sie förmlich genug, um sie zu einem Anzug zu tragen. Sie werden aus verschiedenen Materialien wie Seide, Wolle, Kaschmir, Baumwolle oder Mischgeweben hergestellt. Ich persönlich mag es auch in diesem Punkt klassisch und bevorzuge Strickkrawatten aus Seide. Ich habe viele Hersteller probiert, um die richtige Krawatte zu finden, aber einer ist und bleibt mein Favorit … und er befindet sich ganz in der Nähe von meinem Zuhause. Ich spreche vom Krawattenhersteller Ascot aus der deutschen Seidenstadt Krefeld. Das Unternehmen fertigt seit über 100 Jahren Krawatten von Hand. Es verfügt darüber hinaus über die erforderlichen Maschinen zur Herstellung von Strickkrawatten, die sie seit Jahrzehnten für zahlreiche namhafte Modehäuser produzieren.

Karl Moese, der Urgroßvater der heutigen Eigentümer, war ein Mann mit einem ausgeprägten Sinn für Qualität und Schönheit. Er war sehr elegant, doch gleichzeitig etwas reserviert und kein besonders guter Geschäftsmann. Trotzdem gründete er im Jahr 1908 ein Unternehmen mit dem Ziel, die besten Krawatten der Welt herzustellen. Doch ohne seine Frau Gertrud hätte es wohl nicht lange bestehen können. Sie war eine clevere Geschäftsfrau und wusste, wie man ein Unternehmen führt. So entstand die perfekte Kombination eines brillanten kreativen Kopfes und eines ausgeprägten Geschäftssinns. Es war Gertrud, die das Unternehmen durch zwei Weltkriege hindurchbrachte, und Karl, der stets dafür Sorge trug, dass die Qualität der Krawatten erstklassig blieb.

Trotz der harten Arbeit hatte das Paar natürlich auch ein Familienleben. Ihr Sohn Erwin teilte die Leidenschaft und den Enthusiasmus für Krawatten mit seinen Eltern. Auf einer Reise nach England, die Erwin Ende der 1940er-Jahre unternahm, besuchte er das berühmte Royal-Ascot-Pferderennen und war angesichts der gutgekleideten Briten dort begeistert. Nachdem er all die elegante Bekleidung und insbesondere zahlreiche tolle Krawatten erleben durfte, entschied er, dass Ascot der ideale Markenname wäre. So kam es dann auch und der Name ist bis heute geblieben.

Das Unternehmen wuchs und entwickelte sich weiter. Erwin entpuppte sich als guter und empathischer Verkäufer und die Kunden verbrachten gern Zeit mit ihm und kauften mit Freude seine Produkte. Erwin war mit Hilde verheiratet und sie hatten gemeinsam zwei Kinder. Eines davon war Wolfgang, Erwins Nachfolger. Doch bevor er die Geschäfte übernahm, sandte ihn Erwin nach Lyon und Como, um das Handwerk zu erlernen. Lyon und Como waren – wie Krefeld – europäische Zentren der Seidenweberei und ideale Orte dafür. Nach seiner Rückkehr übernahm er das Unternehmen mit dem Ziel, es zu großen Erfolgen zu führen. Zusammen mit seiner Frau Helga hatte er zwei Kinder: Jan und Barbara, die das Unternehmen heute führen.

Wolfgang tat sich mit Hermann-Kurt Schwartz zusammen und gemeinsam schafften sie es, das Unternehmen auf der internationalen Bühne zu etablieren. Es waren diese beiden, die damit begonnen haben, an Messen wie der SEHM in Paris und der ‚Pitti Uomo‘ in Florenz teilzunehmen, um internationale Kunden und Vertreter zu treffen. Dies wird auch heute noch fortgeführt. Jan und Barbara bringen die Krawatte mit innovativen Ideen ins 21. Jahrhundert.

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…das Garnlager…

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Ein Mitarbeiter kontrolliert die Einstellung am Strickstuhl

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Manufakturen-Blog: „Knit Ties“ – Strickkrawatten kommen aus Deutschland nur noch von Ascot (Foto: Ascot)

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich das erste Mal die Manufaktur in Krefeld betreten habe. Genau genommen begann das Erlebnis bereits auf dem Parkplatz, von wo aus ich den Prozess der Krawattenherstellung bereits durch das Fenster hindurch beobachten konnte. Im ersten Bereich, in den Jan mich führte, werden die Seidenstoffe für die klassischen Krawatten zugeschnitten. Es stehen verschiedene Schnittmuster für Fliegen, Krawatten, Krawattenschals und sogar siebenfach gefaltete Krawatten zur Verfügung. Die Stoffe werden zugeschnitten. Bei teilautomatisiert gefertigten Krawatten wird die Einlage von einer Maschine mit dem Seidenstoff vernäht und dieser anschließend von einer Näherin nach außen gestülpt. Im Anschluss ist die Krawatte – nach einigen letzten Detailarbeiten und dem Bügeln – für den Versand bereit. Wenn der Stoff in der Abteilung für vollständig handgemachte Krawatten weiterverarbeitet wird, legt eine Näherin zunächst die Einlage ein, faltet den Stoff um diese herum und sichert diesen mit Stecknadeln, sodass alles an seinem Platz bleibt. Anschließend verschließt sie die Krawatte mit einer von Hand platzierten Naht. Hierbei handelt es sich um einen sehr arbeitsintensiven Prozess, der in einem ruhigen Raum bei vollster Konzentration erfolgt. Sowohl die teilautomatisiert als auch die komplett von Hand gefertigten Krawatten von Ascot sind von exzellenter Qualität und ich trage sie seit vielen Jahren mit großer Freude. Doch das ist noch nicht alles, was Ascot zu bieten hat. Ein ganz besonderes Produkt des Unternehmens ist eines meiner Lieblingsaccessoires. Ich spreche von den Strickkrawatten.

Strickkrawatten werden aus Seide, Wolle oder sogar Kaschmir hergestellt und sind in verschiedenen Strukturen, Farben und Dessins verfügbar. Und alle von ihnen werden auf eindrucksvollen alten Maschinen gefertigt, die noch aus den 1950er-Jahren stammen und seitdem nicht verändert wurden. Denn warum sollte man etwas ändern, wenn eine neue Maschine die Aufgabe auch nicht besser erledigen kann? Die alten Maschinen stehen für die Qualität aus der guten alten Zeit, als Strickkrawatten den klassischen Krawatten fast den Rang abliefen. Ascot wurde so berühmt für die Herstellung von Strickkrawatten, dass viele renommierte Modehäuser und -marken ihre Strickkrawatten bei Ascot produzieren lassen. Schauen Sie sich die Strickkrawatten, die Sie besitzen, einmal genau an: Wenn auf dem Etikett „Made in Germany“ steht, können sie nur von Ascot stammen. Das gilt unabhängig davon, bei welchem Modehaus, Geschäft oder von welcher Marke Sie diese erworben haben. Ascot ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das noch Strickkrawatten herstellt.

Nachdem die Krawatten langsam auf den großen alten Maschinen aus Seiden-, Woll- oder Kaschmirgarnen gestrickt wurden, werden sie von Näherinnen verschlossen. Dabei handelt es sich um eine Arbeit, die viel Präzision erfordert. Anschließend wird noch ein Etikett aufgebracht und das Produkt ist für den Versand bereit.

Die Vielfalt an Texturen ist der interessanteste Aspekt dieser Strickkrawatten. Mein Favorit ist eine dicke Textur mit knirschendem Griff, die den schönen französischen Namen „Cri de la soie“ trägt. In der Hand fühlt sie sich knirschend und steif an, doch sie ermöglicht einen traumhaften Knoten. Weiterhin gibt es einige flachere Texturen, bei denen sich eine leichte Zickzack-Struktur auf der Krawatte erkennen lässt. Die Optik der klassischen Strickkrawatte ist häufiger anzutreffen, während glattere Stricktexturen vornehmlich mit Woll- oder Kaschmirstoffen realisiert werden. Natürlich gibt es eine große Vielfalt an Dessins. Ein Beispiel sind Punkte, die üblicherweise nach dem Stricken mit einer dem Sticken ähnelnden Technik aufgebracht werden, sowie Streifen oder Birdseye-Muster, die in die Krawatte eingewebt werden.

Das ist eine der Spezialitäten von Ascot in Krefeld geworden. Es handelt sich dabei nicht nur um den letzten deutschen Hersteller von Strickkrawatten, sondern auch um eines von weniger als 10 Unternehmen weltweit, die diese Technik noch beherrschen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Strickkrawatten im letzten Jahr deutlich gestiegen.

Ascot unterhält einen der allerletzten Produktionsstandorte für Krawatten in Deutschland. Viele Unternehmen haben ihre Produktion über die Jahre verlagert oder aufgegeben. In Deutschland gibt es nur noch zwei Krawattenhersteller. Ascot ist freilich der einzige davon, der Strickkrawatten anbietet. Auch zahlreiche der lokalen Zulieferer des Unternehmens haben ihre Tätigkeit aufgegeben oder sind ins Ausland gegangen. Im Gespräch mit Jan über die heutige Bedeutung des Standorts Krefeld als Seidenstadt erzählte er mir, dass es vor Ort nur noch eine Seidenweberei gibt. Ascot arbeitet natürlich mit ihr zusammen, aber inzwischen kommt der überwiegende Teil der eingesetzten Seidenstoffe und Garne aus Italien und England, wo es noch eine Seidenindustrie gibt. Bei Ascot handelt es sich also um eines der letzten Unternehmen in Krefeld, das im Seiden- und Krawattenhandwerk tätig ist.

Fotos: Ascot


Dieser Text über Ascot erschien zuerst im Blog von Tim Mureau. Er wurde aus dem Englischen von Wieners + Wieners übersetzt.

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