Der Verband Deutsche Manufakturen stellt die neue Begriffsdefinition ‚Manufaktur‘ vor

21. Oktober 2017, Bremen. Schon lange schwelt die Frage, wie der Begriff ‚Manufaktur‘ für heutige Unternehmen definiert werden kann – zeitgemäß, anwendbar, authentisch und überprüfbar. Nicht als bloße werbliche Idee und Verbrauchertäuschung. Klar ist: Der Begriff macht nur Sinn, wenn er nicht Synonym mit Handwerk ist. Er macht nur Sinn, wenn die Unternehmen, die ihn für sich verwenden, auch unterscheidbar von Unternehmen sind, die in der gleichen Branche tätig sind – aber eben anders, eben nicht als ‚Manufaktur‘. Der Verband Deutsche Manufakturen e. V. hat in einem umfangreichen Abstimmungsprozess den Begriff ‚Manufaktur‘ neu definiert.

Zur leichteren Auffindung wurde für die Definition eine eigene Mikroseite eingerichtet. Auf dieser können sich Unternehmen zu dieser Verwendung des Manufaktur-Begriffs bekennen und dessen Verwendung als Subskribent unterstützen.

Durch die Veröffentlichung soll auch überprüft werden, ob die Definition ‚allumfassend‘ ist – Manufaktur-Unternehmer und Öffentlichkeit sind herzlich eingeladen, sich mit ihr zu beschäftigen und gegebenenfalls Veränderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu machen.

Bewusst wurde auf das Adjektiv ‚Deutsche‘ verzichtet, da der Begriff ‚Manufaktur‘ zwar eine besondere Produktions- und Organisationsform beschreibt, aber nicht an besondere Länder gebunden ist – Manufakturen gibt es auf der ganzen Welt.

Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘

1. Die Manufaktur ist ein Vollproduktionsbetrieb von Konsumgütern, technischen Gütern oder Lebensmitteln – in jedem Fall physischen Produkten.

2. In Abgrenzung zu Handwerksbetrieben fertigt die Manufaktur Produkte in Serien, d. h. diese sind über einen längeren Zeitraum und mehrfach beziehbar. Sie ergeben ein Sortiment dieses Herstellers. Die Produkte der Manufaktur zeichnen sich durch eine hohe Fertigungstiefe aus – in der Regel vom Rohstoff den gesamten Produktionsweg zum fertigen Produkt unter einem Dach für den Handel oder Auftraggeber; die Manufaktur ist im Kerngeschäft weder Zulieferbetrieb von Halbfertigteilen für die Industrie noch reiner Dienstleister, der nur nach Kundenauftrag fertigt oder nur kundenspezifizierte Produkte herstellt.

3. In der Produktion der Manufaktur entscheidet der Mensch über die Fertigstellung der einzelnen Arbeitsschritte; verfolgt wird das Ziel der Perfektion des Produkts, über die der Mensch entscheidet. Im Gegensatz zur Industrie, in der die Vorgaben durch den industriellen Zeittakt das Arbeiten prägt und es um das Erreichen einer preis-optimalen Relativ-Perfektion eines unbedingten Massen-Produkts geht. Die Handarbeit bzw. der Anteil des Menschen an der Produktion nimmt in der manufakturellen Fertigung einen hohen Anteil ein. Der Einsatz von Maschinen ist in einer Manufaktur seit je her gebräuchlich und wird auch für eine moderne Manufaktur in Zukunft unumgänglich bleiben, dies schließt aber eine Vollautomation allgemein gesehen aus.

4. Die Manufaktur zeichnet sich dadurch aus, dass in ihrer Produktion verschiedene Gewerke – also mehrere Mitarbeiter mit unterschiedlichen Berufsausbildungen – zusammenarbeiten, damit die Produkte hergestellt werden können. Die Manufaktur verfügt in Abgrenzung zum Kunsthandwerker über mehrere Mitarbeiter, in der Regel mehr als fünf.

Diskussionsstand: 2. Mai 2017

Der Diskussionsstand vom 2. Mai 2017 ist auch der, der auf dem 9. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen in Fürstenberg besprochen und diskutiert wurde – er wurde seitdem nicht mehr verändert.

Links zum Thema ‚Manufaktur-Definition‘:

Mikroseite mit der Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘ des Verbandes Deutsche Manufakturen

Wikipedia

Gabler Wirtschaftslexikon

Duden

Foto: Benzinger Uhrenunikate

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Sie haben eine Idee, sehen noch eine Präzisierungsmöglichkeit oder möchten eine Idee zur Diskussion beitragen? Bitte gehen Sie über die Mikroseite und verwenden Sie die angegebene eMail-Adresse oder tragen Sie ihren Kommentar hier auf dieser Seite ‚öffentlich‘ vor

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RAL versucht sich am Begriff ‚Manufaktur‘

18. Oktober 2017, Bonn. Glauben Sie, dass man den Begriff ‚Manufaktur‘ in drei knappen Hauptsätzen hinlänglich definiert bekommt? Bei diesem Manufakturen-Hype, bei der Diskussion um Missbrauch und Verbrauchertäuschung durch Dienstleister und Handwerker? Nein? RAL, das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V., hat unter der Registrierungsnummer RAL-RG 991 diesen Versuch unternommen. Ergebnis: wie erwartet – ‚ungenügend‘.

RAL ist schon eine gewisse Zeit rund um die Thematik befasst. Im Jahr 2016 hat sich der Berliner Unternehmer Ulrich Welter (Welter Manufaktur für Wandunikate) an den Bonner Gütesicherungs- und Kennzeichnungsverein gewandt, um eigentlich ‚Handmade in Germany‘ registrieren zu lassen. Das wurde damals nach Auskunft von RAL abgelehnt. Heraus kam dann ein Definitionsversuch für ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Handgefertigt in Deutschland‘ – und zur Überraschung der deutschen Wirtschaftsverbände auch für ‚Made in Germany‘. Zehn Tage, nachdem ich hier im Blog am 18. Januar 2017 über die „vorläufige Endversion“ von RAL berichtete („Noch mit Macken: RAL-Definition der Begriffe „Deutsche Wertarbeit“, „Handgefertigt in Deutschland“ und „Made in Germany“ liegt jetzt in der Endfassung vor), zog dieser aufgrund meiner Kritik die Begriffsbestimmung zurück.

Dann war einige Zeit nichts dazu zu hören – bis RAL unter dem Datum 23. Mai 2017 überraschend die Registrierung RAL-RG 991 mit dem neuen Inhalt ‚Deutsche Wertarbeit‘, ‚Deutsche Handarbeit‘, ‚Deutsche Manufakturen‘ ‚(Handmade in Germany)‘ verschickte. Diesmal nicht als „vorläufige Endversion“ im Verkehrskreis, sondern gleich als „anerkannte Registrierung“.

Nun haben die RAL-Mitarbeiter damit gegen ihre eigenen Verfahrensgrundsätze verstoßen, denn nach diesen bezieht RAL in der Erarbeitung der Registrierungen laut Eigenbekundung „die direkt von den Festlegungen berührten Fach- und Verkehrskreise wie Hersteller, Handel und Behörden ein“ – und schließlich heißt es an gleicher Stelle auch: „RAL-Registrierungen sind eine Selbstverpflichtung der jeweiligen Wirtschaftszweige.“

„Selbstverpflichtung“ setzt Beteiligung und ein Übereinstimmen wenigstens eines Großteils der Beteiligten und Betroffenen voraus. Die Beteiligung hat nicht stattgefunden – damit ist eigentlich schon alles gesagt. Und RAL räumt selbst ein, dass die „maßgebliche Mitarbeit“ nur durch Unternehmer Welter und einen Assistant Professor of Luxury Marketing an der EMLYON Business School in Shanghai, Klaus Heine, erfolgte.

Trotzdem soll noch der Blick auf die neue RAL-Registrierung geworfen werden. RAL behauptet in ihr, die „Definition des Begriffes Manufaktur“ sei:

In einer Manufaktur werde Wertarbeit geleistet (Kriterium 1). Die Endmontage der Produkte erfolge zum größten Teil in Handarbeit (Kriterium 2). ‚Deutsche Manufaktur‘ sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘.

Das war’s nach RAL zur Definition des Begriffs ‚Manufaktur‘. Nichts zum arbeitsteiligen Arbeiten, nichts zur seriellen Fertigung, nichts zur Abgrenzung zu Dienstleistern, Handwerkern und Industrie, nichts zur besonderen Arbeitsform in der ‚Manufaktur‘.

Ähnlich unpräzise wird auch über einen Begriff wie ‚Deutsche Handarbeit‘ hinweggebügelt – auch diese sei eine besondere Form von ‚Deutscher Wertarbeit‘ und deshalb außerdem identisch mit der englischen Übersetzung ‚Handmade in Germany‘…

Apropos ‚deutsch‘: Auch für die Verwendung dieses Adjektivs werden Thesen aufgestellt, die sich noch beweisen müssten. Zum Beispiel, dass die Endmontage des Produkts von einem deutschen Unternehmen erfolgen müsse. Was ist gemeint? In Deutschland ansässig, wie es auch viele Konzerntöchter weltweit tätiger und ihren Sitz in einem anderen Land habender Firmen sind? Oder deutsche Gesellschafter oder Aktionäre? Oder geht es um deutsche Firmenkultur? Alles denkbar, jedoch unklar…

Und dann wird für die oben genannten und registrierten Begriffe auch noch postuliert, die Produkte, die unter diesen Begriffen gefertigt und in den deutschen Markt gebracht würden, „sollten regionale deutsche Kultur verkörpern“… als würden beispielsweise Porzellan und Glas, Schreibgeräte und Maßschuhe trotz globalisierter Welt von deutscher Region zu deutscher Region so unterschiedlich designt und gefertigt…

Irgendwie ist es traurig, der guten alten Tante RAL (gegründet im Jahr 1925 als ‚Reichsausschuss für Lieferbedingungen‘) dabei zuzusehen, wie sie unter der mangelnden Sorgfalt und dem fehlenden Verantwortungsbewusstsein dieser Mitarbeiter leidet.

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RAL-RG 991 ist zum Preis von EUR 20,54 (gedruckt) / EUR 32,13 (Download als PDF) zu beziehen über:

Beuth-Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin

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Name versus Marke: Immer mehr junge Menschen skeptisch gegenüber Marken

8. Oktober 2017, Bremen. Die Marke sinkt im Ansehen. Der Name des Herstellers wird wieder wichtiger – und wer sein Produkt empfiehlt.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens A. T. Kearney, das 7000 junge Menschen weltweit nach ihrem Vertrauen in Marken und Konzerne befragt hat. Im Vergleich mit der gleichen Befragung vor fünf Jahren ist die Skepsis in Deutschland Marken und Konzernen gegenüber von 33 auf 55 Prozent gestiegen. In anderen Regionen der Erde noch stärker. Dafür ist der Name des Herstellers (wieder) und der externe ‚Bürge‘ für ein Produkt – zum Beispiel ein bekannter Blogger oder sogenannter ‚Influencer‘ – stark im Kommen, also: Wer steckt hinter einem Produkt, wer hat es geprüft – und wer empfiehlt es?

Meiner Meinung nach ist das eine gute Nachricht für Manufakturen (und alle anderen Mittelständler und ‚Einzelkämpfer‘). Ich lese aus den Untersuchungsergebnissen heraus, dass es eine empfehlenswerte Strategie für Manufakturen ist, die Kraft weiter in die Qualität des Produkts und danach in das Polieren des eigenen Namens zu stecken; durch Transparenz und Verlässlichkeit an der Glaubwürdigkeit zu arbeiten – statt an der bloßen Bekanntheit – weil sich die zukünftigen Erwachsenen als potentielle Kunden dafür interessieren.

Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob nicht jeder Name auch immer gleichzeitig Marke sei – heruntergebrochen bis auf jeden einzelnen Menschen als Marke seiner selbst (ich erinnere mal an Jon Christoph Berndt auf dem 2. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen mit seinem Buchbestseller ‚Die stärkste Marke sind Sie selbst!‘).

So, wie das Deutsche Marken-Lexikon es seinerzeit ablehnte, Namen-Marken – wie die unserer Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld im Gegensatz zu den Kunst-Markennamen, wie Haribo – aufzunehmen, kann man auch leicht die unterschiedliche Ausrichtung erkennen: Die ‚Namen‘ verfügen über ihren individuellen Bekanntheitsgrad hinaus über eine besondere Aufladung durch die Namensgeber – in der Regel die Firmengründer.

Offensichtlich ist es den Kunden wichtig, bei uns Herrn Koch oder Herrn Bergfeld kennenzulernen – und ich muss sie dann leider immer enttäuschen, dass ich weder der Eine, noch der Andere sei. Ich erkenne darin den Wunsch, sich mit demjenigen zu unterhalten, der für das Produkt steht.

Bei den reinen Produktmarken verhält es sich anders. Ich habe kaum jemanden getroffen, der wirklich gerne den regulären Preis uvp bezahlt – es ist gar nicht mal der Wunsch, unbedingt Geld zu sparen, sondern die oft geäußerte Skepsis, dass man viel zu viel für das Marken-Marketing mitbezahlen müsse – „Mindestens die Hälfte des Preises ist reine Luft!“, sagen viele. Sehr viele Menschen entscheiden also genau zwischen Herstellername in Verbindung mit dem Produkt und der Produktmarke aus dem Konzern.

Coca-Cola ist ja wahrscheinlich immer noch die bekannteste Produktmarke der Welt, weil sie mit ihren Dosen und Flaschen ‚analog‘ ist und vielen Menschen, die zu arm für die digitale Welt sind, bekannter ist, als die ‚Digital‘-Marken Microsoft, Alphabet (Google) und Facebook. Und welcher Manufakturunternehmer träumt nicht auch einmal davon, dass sein Produkt genau so berühmt, so bekannt werde? Mich hat es auf meiner Reise mit einem Privatjet eines Auftraggebers durch Afrika sehr beeindruckt, dass die Flughafenbediensteten bei der Betankung in allen Ländern, in denen wir landeten, – vor die Wahl gestellt – jeder Einzelne statt Trinkgelds lieber eine kalte Dose Coca-Cola aus der Flugzeugnase haben wollte. Man könnte jetzt natürlich darüber spekulieren, ob die Marke ‚US-Dollar‘ einfach im Verhältnis zu ‚Coca-Cola‘ gesunken sei – aber es führt uns auch immer weiter weg vom Thema…

Junge Leute interessiert also stärker, als ihre Altersgenossen zuvor, von wem und wie ein Produkt erzeugt wird. Sie verstehen, dass die Marke in der Regel überhaupt nichts über vertretbare Produktionsbedingungen (besonders eklatant in der Mode und bei der Produktion von Lebensmitteln), ethisches Handeln der weltweit agierenden Multi-Konzerne – und noch nicht einmal über perfekte Qualität aussagt, da insbesondere weltweit tätige Einkaufsabteilungen dazu neigen, traditionelle Zutaten des Ursprungsprodukts durch Ähnliche – aber vor allem Günstigere, wie Palmöl und Soja – zu ersetzen und so das Produkt in der Marge für den Konzern immer weiter zu optimieren.

Sie sind offensichtlich nicht bereit, zu glauben, dass das bekanntere Markenprodukt automatisch das Bessere sei. Und wo auf einmal Qualitätsfragen wieder interessieren – da schlägt die Stunde der Argumente. Und wenn es um Argumente geht, dann können auch kleine Hersteller wieder zum Zuge kommen. Denn der interessierte Kunde recherchiert selbst, liest und interessiert sich für Vor- und Nachteile der jeweiligen Fertigungsart, die Eigenschaften des Produkts. Er bildet sich seine eigene Meinung und überlegt, mit wem er das Tauschgeschäft Geld gegen Ware eingeht.

„Wir erleben zurzeit eine radikale Verschiebung der Marktmechanismen hin zu einer Welt, in der Vertrauen, Personalisierung und einzelne Influencer den Ausschlag geben“, analysiert Dr. Mirko Warschun, Handels- und Konsumgüterexperte bei A.T. Kearney, die eigenen Untersuchungsdaten für die Pressemitteilung des Unternehmens. Die zentrale Botschaft sei, dass die großen Player eklatanten Nachholbedarf beim Zukunftsthema ‚Vertrauen‘ hätten. Außerdem seien die meisten Kunden digital vernetzt, an Nachhaltigkeit interessiert – und wollten immer öfter personalisierte Angebote, also Angebote, die direkt auf sie als einzelne Kunden zugeschnitten seien.

Gerade personalisierte Angebote bedeuten Aufwand – aber der ist immerhin für alle Hersteller (und auch Händler), für Konzerne und Manufakturen, unabhängig von der Größe gleich: Daten erfassen, in Kontakt bleiben, Angebote machen, Fans einbinden, mit Bloggern ins Gespräch kommen…

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