Schlagwortarchiv für: Manufaktur

Tutimas Rennyacht ersegelt 8. Platz bei den Weltmeisterschaften

26. Juli 2018, Den Haag. Kleine Manufaktur – große Aktivitäten: Die Rennyacht namens ‚Tutima‘ der Uhrenmanufaktur Tutima hat bei den Segelweltmeisterschaften in Den Haag einen respektablen 8. Platz ersegelt. Das einzige reine Frauenteam im Offshore-Regatta-Segeln hatte ordentlich zu kämpfen, schloss ihren besten der neun Wettkämpfe mit dem 3. Platz ab. Auf ihrer Facebook-Seite zeigte sich das Team zufrieden: „Es war eine großartige Erfahrung, gegen so viele Nationen und neue Boote zu segeln!“

Manufakturen-Blog: Die 'Tutima' zum Start des Offshore Race am 15. Juli 2018 (Foto: Sander van der Borch)

Manufakturen-Blog: Tutima Sailing Team The Hague Offshore Sailing World Championship 2018 (Foto: Sander van der Borch)

Das Tutima-Sailing-Team weist zwei Besonderheiten auf: Erstens gehört die Rennyacht – eine in Malaysia gebaute DK 46 (46 Fuß lang, 23 Meter Masthöhe, 257 qm Segelfläche) – der Uhrenmanufaktur Tutima (‚Manufaktur des Jahres 2018‚) der Familie Delecate und keinem Segelclub; Geschäftsführer Jörg Delecate ist selbst ehemaliger Segelsportler – daher das Engagement.

Zweitens wird die Yacht von einem reinen Frauenteam unter Skipperin Kirsten Harmstorf-Schönwitz vom Mühlenberger Segel-Club gefahren. Diese hat ein Team aus dreißig Frauen zusammengestellt, die als Amateure in Freizeit und Urlaub vom Heimathafen Kiel aus trainieren und an den Wettkämpfen teilnehmen. Jeweils 15 Teammitglieder segeln die Yacht im Wettkampf.

Derzeit ist die ‚Tutima‘ Vize-Europameister, wurde auch bei der Kieler Woche 2018 Zweite über alle Wettkämpfe in der Offshore Racing Class. In diesem Jahr gab es den Versuch, die Weltmeisterschaften gemeinsam in einem Mix aus IRC- und ORC-Standards auszutragen. Durch die Vergabe von künstlichen Handicaps sollten eigentlich die unterschiedlichen Bootsqualitäten ausglichen werden – es hat jedoch nur so mittelmäßig funktioniert, resümmiert die Tutima-Crew in ihrem Fahrtenbericht: „Zusammenfassend lässt sich (…) sagen, dass in unserer Gruppe 1 ein großer Unterschied lag zwischen den Ergebnissen nach IRC und ORC (ORC steht uns definitiv besser, so viel sei gesagt) und das Feld letztendlich in zwei Gruppen gesegelt ist: den schnellen IRC TPs und Kers, und den deutlich langsameren Cruising Racern wie uns. Doch auch diese Erfahrung kann man ruhig mal machen, und wir wollen sie nicht missen!“

Es geht gleich weiter zur nächsten Regatta – ab dem 4. August startet die ‚Tutima‘ bei der Lendy Cowes Week

Noch ein paar Worte zum Fotografen: Auch der Niederländer Sander van der Borch ist ein Promi im Offshore-Segeln – im Jahr 1999 war er Teammitglied der Yacht ‚Mean Machine‘ und gewann den Admiral’s Cup, das Key-West-Rennen im Jahr 2004 und den BreitlingMedCup 2006; heute segelt er Regatten vor allem in den Niederlanden – und ist ein sehr bekannter Regatta-Fotograf.

Fotos: Sander van der Borch

manufakturen-blog_logo

„Made in Dithmarschen“: die Supermatratzen der Familie Wulff

23. Juli 2018, Fedderingen. Welche Produkte können aus Manufakturen kommen? Gibt es Produkte, die nicht von Manufakturen produziert werden können? Vielleicht eine Weltraumrakete (zuviele Beteiligte und Zulieferer). Oder ein selbstfahrendes Auto (auch zuviele Beteiligte und Zulieferer). Aber ansonsten? Zu Besuch bei einem Spezialisten in der sprichwörtlichen „Pampa“: bei Wulff Med Tec in Fedderingen in Dithmarschen. Dort, in der gemütlich wirkenden schleswig-holsteinischen Hügellandschaft, werden auf dem Gelände des ehemaligen Bauernhofs der Gründerfamilie Wulff jährlich zwischen 25 000 und 30 000 Spezialmatratzen für Krankenhäuser und den schlafbewussten Privatkunden gefertigt – mit ziemlich viel Handarbeit. Jetzt ausgezeichnet mit dem ‚Deutschen Manufakturen-Siegel‘.

„Nein“, sagt Heino Wulff, zweite Geschäftsführer-Generation im elterlichen Familienbetrieb, „Probleme, Leute für den Betrieb und das weitere Wachstum zu finden, haben wir hier nicht. Wir bemühen uns, den Mitarbeitern ein guter Arbeitgeber zu sein. Wir haben eher das Problem, dass andere Arbeitgeber sich bei uns beschweren, wenn wieder einer ihrer Leute zu uns wechselt.“ Gute Arbeit im ländlichen Raum – begehrt. Niemand möchte gerne täglich die 100 Kilometer nach Hamburg pendeln. Der Traum vom günstigen Bauland, von günstigen Wohnhäusern, vom Dorf zum Aufwachsen für die Kinder. Idylle. Aber wo ist die Arbeit?

„Wir bieten jedenfalls etwas“, sagt Wulff. Kostenloses Mittagessen, zum Beispiel. Eintrittskarten für und Erlebnisse mit den Handball-Spezialisten vom THW Kiel oder dem TSV Weddingstedt, die von Wulff Med Tec gesponsert werden. Oder: Wer einen Wulff-Aufkleber auf dem Privatauto fährt, bekommt 21 Euro im Monat vom Betrieb gezahlt. Es gibt ein E-Auto für die 60 Mitarbeiter. Zum Austesten. Ein E-Auto? Auf dem Land? „Ja, ich fahre ja selbst auch ein E-Auto“, sagt Wulff. Einen Nissan Leaf. Sein Vater, der Firmengründer Hinrich Wulff, hat sich jetzt auch ein E-Auto bestellt. Auf dem Hof sieht man die E-Tankstelle mit vier Ladeplätzen, vom Bund gefördert, auf den Dächern der Produktion glänzen die Photovoltaik-Module. Ein eigenes Windrad ist in Planung. Die Luft-Wärme-Pumpe hat die Gas-Brennwert-Therme ersetzt. „Autark werden“, sagt Wulff. Nächstes Jahr ist erstmal die Bank raus. Man ist dann schuldenfrei. Trotz Neubaus eines Verwaltungsgebäudes mit Werkverkauf an der Hauptstraße vor zwei Jahren. Bis zum nächsten Investment.

Mehr als sieben Millionen Euro Umsatz generiert Wulff Med Tec inzwischen. Aber der Weg dahin war natürlich mühsam und vom Fleiß der Familie geprägt. Im Jahr 1985 startete der Chemie-Außendienstler Hinrich Wulff seinen genehmigten Nebenjob mit Produktion und Handel von Schonbezügen für Matratzen in Krankenhäusern. Irgendwann wurde ihm klar, dass man Krankenhäusern besser gleich gesamte Matratzen anböte. Da das „Wundliegen“ von Patienten ein großes Thema ist, begann er also an Anti-Dekubitus-Matratzen zu forschen, gewann die Technische Universität Berlin als Partner, eine Schlafexpertin kam hinzu – im Jahr 2002 war die erste perfekte Matratze entwickelt: im Kern bestehend aus einem stabilisierenden Kaltschaum sowie einem viskoelastischen Schaum, der das Körpergewicht auf eine größere Fläche verteilt und so Druckstellen vorbeugt.

Manufakturen-Blog: Geschäftsführer Heino Wulff (Foto: Wulff Med Tec)

Geschäftsführer Heino Wulff (Foto: Wulff Med Tec)

Da immer öfter auch Anfragen von zufriedenen Patienten eingingen, entwickelte Wulff schließlich die sogenannten „Viskolastic Komfortmatratze“ in verschiedensten Härtegraden und für unterschiedliche Körpergewichte, für Kinder, fürs Wohnmobil und die LKW-Kabine. Seit einige Zeit auch für Hotels – eigentlich naheliegend. Klar ist, dass alle „optimal“ sein müssen, wenn sie in Deutschland – pardon: Dithmarschen – produziert werden: hochwertige Steppung der Bezüge, Belüftungsband, Öko-Tex-100-Zertifizierung, Trikot-Schonstrumpf um die Matratze, Bewegungskräfte aufnehmender Wellen-Zahn-Schnitt in der Verbindung der Materialien, Spiralreißverschlüsse, Anti-Allergen-Ausstattung, verstärkte Randzone (damit man besser auf der Bettkante sitzen kann). Bei Verkaufspreisen für die Top-Modelle ab 725 Euro – vertrieben über den Facheinzelhandel (das am Weitesten entfernte Geschäft ist in China und nimmt immerhin rund hundert Matratzen im Jahr ab) und die zwei eigenen Geschäfte in Heide und Lübeck.

Der Liegetest im Werkverkauf in Fedderingen macht schnell klar, was Wulffs Prospekte versprechen, stimmt: Wer besser liegt, bewegt sich im Schlaf seltener – nämlich statt bis zu hundertmal vielleicht nur zwanzigmal. Und das ist für die Schlafqualität entscheidend. Von Wulffs Kooperationspartnern in der Schlafforschung nachgewiesen. Heino Wulff: „Wir wollen die beste Matratze, die es gibt – dafür forschen wir immer weiter.“ Und dementsprechend selbstbewusst klebt auf den Wulff-Produkten ein selbstentworfener Aufkleber: „Made in Dithmarschen“.

Fotos: Wigmar Bressel

manufakturen-blog_logo

 

 

 

Jürgen Betz: „Über das Sponsoring haben wir Ideen für neues Design gesammelt“

11. Juli 2018, Efringen-Kirchen. Borgward ist echt wieder da! Beim Classic-Rennen in Le Mans (Drei Wertungen Tag-Nacht-Tag) belegte ein Borgward Hansa Renncoupé 1500 mit geschätzten 105 PS den überraschenden 4. Platz in der Klasse bis 1500 Kubikzentimeter Hubraum. Und wer hat als Hauptsponsor das 35 000 Euro teure Abenteuer ermöglicht? Die Borgward Zeitmanufaktur aus dem Landkreis Lörrach, ein Sechs-Mann-Betrieb! Höchste Zeit für ein Interview mit deren geschäftsführendem Gesellschafter Jürgen Betz zu den Gründen für dieses „etwas größere“ Engagement.

Der große Wirtschaftswunder-Name Borgward aus Bremen – spektakulärer Nachkriegsaufstieg, dann die genauso überraschende und spektakuläre Pleite. Aufkauf durch Hanomag, Büssing, Faun; das Werk in Bremen-Sebaldsbrück landete schließlich via Hanomag bei Daimler. Wegdämmern in die Geschichte… Schließlich wurde sogar die Marke aufgegeben. Danke dafür! Denn nur so konnte Borgward wieder auferstehen. Es schlug die Stunde des Jürgen Betz: Der Zifferblatt-Spezialist und Besitzer eines historischen Goliath Hansa 1100 schützte sich im Jahr 2003 die freie Marke Borgward und gab ihr neuen Sinn: als Uhr aus seiner neugegründeten Manufaktur. Und inzwischen werden ja auch wieder Borgward-Autos gebaut…

Manufakturen-Blog: Jürgen Betz (M.) mit dem Borgward Zeitmanufaktur Rennteam in Le Mans (Foto: Borgward Zeitmanufaktur)

Jürgen Betz (M.) mit Johann und Jakob Larsson des Borgward Zeitmanufaktur Rennteams in Le Mans

Interview

Es liegt zwar nahe, dass die Borgward Zeitmanufaktur sich auch für Borgward Autos interessiert – aber es ist trotzdem noch ein großer Schritt zum ‚Borgward Zeitmanufaktur Rennteam‘. Warum dieses große Engagement?

Jürgen Betz: Ich hatte vor einiger Zeit von dem Rennwagen gehört und ihn mir auf dem Borgward Welttreffen in Bremen auch angesehen. Er schien mir zwar ziemlich dahingedengelt auszusehen – aber mir war der historische Hintergrund bewusst und mit der Zeit habe ich mich in sein eigentümliches Renndesign hineingeschaut. Als Nächstes hörte ich, dass der Automobilbauer Borgward nicht als Sponsor des Rennwagens für Le Mans zugesagt hätte – da habe ich gesagt: Wir machen das. Eine Bauchentscheidung. Aber sie ist richtig. Denn Event und Rennwagen schlagen die Brücke zu unserer neuen Sportuhren-Linie ‚Forty one‘. Dazu wäre es ohne den Rennwagen nicht gekommen.

Woher stammt der Borgward-Rennwagen?

Er wurde von der Borgward-Rennsportabteilung für das 24-Stunden-Rennen zusammen mit zwei weiteren seiner Art konstruiert und gebaut. Spannend ist, dass er im Jahr 1953 in Le Mans mit der Startnummer 41 antrat – allerdings während des Rennens ausfiel. Als nun letzter seiner Art gelangte er schließlich nach Schweden, gehört heute Lars-Erik Larsson. Die Larssons sind rennbegeistert – im Kindesalter fuhren die beiden Söhne – Johann und Jakob – von Lars-Erik Kart. Und sie haben eine nötige Rennlizenz für Amateurfahrer. Diese wird benötigt, da sich in Le Mans die Fahrer abwechseln müssen und nicht einer allein das Rennen bestreiten kann.

Wie bereitet man sich auf solch ein Rennen vor?

Trainiert haben wir bei der Nürburgring-Classic vor vier Wochen – danach wussten wir: Der Wagen muss nochmal zurück nach Schweden und noch verbessert werden. Aber es hat sich gelohnt. Er ist schneller als ein historischer Porsche 356 und kann damit gegen die Porsche-Konkurrenz gewinnen.

Hat der Wagen komplizierte Technik?

Nein. Aber der Motor wurde schon als Rennwagenmotor entwickelt – er stammt also nicht wirklich aus einem Hansa. Aber er läuft mit normalem Superbenzin.

Manufakturen-Blog: Stoppuhr 'Forty One Le Mans' der Borgward Zeitmanufaktur (Foto: Borgward Zeitmanufaktur)

Stoppuhr ‚Forty One Le Mans‘ der Borgward Zeitmanufaktur

Und hast du das Gefühl, dass sich das Engagement für euch lohnt?

Das Auftauchen eines Borgward-Rennwagens, der auch Rennen fährt, war ein Glücksfall für uns. Wir bauen sportliche Chronographen. Wir wollen aber auch eine gezielte Sportuhren-Serie. Woher soll die Verbindung zum Rennsport kommen? Mit unserem Engagement als ‚Borgward Zeitmanufaktur Rennteam‘ tragen wir in unsere Marke sportive Leidenschaft hinein. Ich habe mich vorher immer gefragt, wie ich das Rennsportfeeling in unsere Uhrenlinie hineinbekomme – jetzt habe ich die Antwort. Und das geht nur, wenn man authentische Geschichten lebt. Ich brauchte Inspiration – ich habe Inspiration bekommen. Über das Sponsoring haben wir Ideen für neues Design gesammelt.

Wie weit ist die Sportuhren-Linie?

Das Design der ‚Borgward Forty One Le Mans‘ steht bereits. Es gibt jeweils auf 41 Stück limitierte Stoppuhren, Chronographen und Handaufzugsuhren – auch mit 24-Stunden-Anzeige.

Fotos: Jürgen Betz

manufakturen-blog_logo

 

 

 

Weimarer Porzellanmanufaktur braucht Hilfe

29. Juni 2018, Blankenhain. Kaum ist die Höchster Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1746) vom Eis wieder runter (ich schrieb darüber vor einigen Tagen), schreitet die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1790) zum Amtsgericht und meldet Zahlungsunfähigkeit an. Glück im Unglück ist vermutlich, dass abermals Rolf Rombach zum Insolvenzverwalter bestellt wurde – der Rechtsanwalt aus Erfurt, der in den 1990er Jahren Weimar-Porzellan schon einmal aus der Insolvenz führte. Und Rombach ist sehr entschlossen: „Es muss einen Weg geben, die Porzellanmanufaktur zu erhalten.“

Der älteste noch produzierende Porzellanhersteller Thüringens (die sogenannte ‚Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur von 1762‘ gehört nur noch als Marke zur Porzellanfabrik Tettau GmbH und damit zu Seltmann Weiden) ist nach eigenem Bekunden an Putins Krim-Eroberung gescheitert: Nach Embargo und dramatischem Rubel-Verfall brachen die noch aus der DDR-Zeit herrührenden guten Geschäftsbeziehungen nach Russland zusammen. Weimars berühmtes und in Russland geliebtes Geschirr „Katharina“ (nach Katharina der Großen, der ursprünglichen Prinzessin aus dem Hause Anhalt-Zerbst) wurde den russischen Händlern und Kunden einfach zu teuer.

Manufakturen-Blog: Weimar-Porzellan hat das Erfolgsmodell 'Katharina' in dekoriert... (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar-Porzellan hat das Erfolgsmodell ‚Katharina‘ in Blumen-Dekor…

Manufakturen-Blog: ...und undekoriert in weiß für den russichen Markt produziert (Foto: Wigmar Bressel)

…und undekoriert in Weiß vor allem für den russischen Markt produziert.

Auch ein weiteres Standbein kriselte – die Zulieferung von Kleinserien für Könitz-Porzellan, die zudem auch noch Eigentümerin von Weimar-Porzellan ist. Einen eigenständigen Vertrieb hat Weimar auf Wunsch der ‚Mutter‘ nicht gehabt. Könitz-Eigentümer Turpin Rosenthal (aus der berühmten Rosenthal-Familie) verordnete im Herbst 2017 zwar einen Strategie-Wechsel gen Westen – zeichnete eine Lizenz zur Nutzung der Marke Pablo Picasso. Und eine üppig dekorierte, moderne Linie von Teegeschirr unter dem Namen „Wunderbar.“ wurde aufgelegt. Aber die Zeit reichte für Weimar-Porzellan einfach nicht. Es häuften sich Schulden beim Energieversorger, zumal für Betrieb und Beheizung der riesigen Produktion in Blankenhain.

Die Messe ‚Ambiente‘ in Frankfurt am Main brachte Weimar-Porzellan keinen Durchbruch beim Handel. Bei der Mutter Könitz lief es auch nicht, wie erhofft. Der Zuschussbedarf für die Tochter Weimar fing an zu drücken. Von 60 000 Euro monatlichem Bedarf ist die Rede. Klar, 70 Weimar-Mitarbeiter brauchen entsprechende Millionen-Umsätze. Bei Könitz selbst sind es um die 200 Mitarbeiter, für die der Vertrieb Aufträge ranschaffen muss. Aufgrund der Haftung für die Energiekosten von Weimar-Porzellan darf Könitz jetzt selbst eine Sanierung durchführen. Turpin Rosenthal: „Aber das sieht ganz gut aus.“

Und Weimar? Rosenthal: „Ich würde schon gerne weiter Aufträge an Weimar vergeben und eng zusammenarbeiten.“ Aber für die Rückkehr als Eigentümer sieht er derzeit keinen Spielraum.

Was ist also zu tun?

Rettungs-Planspiel „Bester Fall“: Dem Insolvenzverwalter Rombach gelingt es, einen Käufer für den Betrieb zu finden, der in Blankenhain am historischen Standort weiter Porzellan produzieren will und einen Plan zur Vergrößerung des Marktes von Weimar-Porzellan hat. In dem Fall müssen Regelungen für die Nutzung der Immobilie (gehört Rosenthal) und Marke (gehört auch Rosenthal) gefunden werden – beide sind nicht Teil der Insolvenzmasse. Das bedeutet: Miete und Lizenzzahlung. Oder Erwerb der Immobilie von Rosenthal durch den neuen Betreiber – oder einen Dritten, zum Beispiel eine Landesimmobiliengesellschaft, die in der strukturschwachen Region Förderpläne verfolgt.

Manufakturen-Blog: Altbau aus dem 19. Jahrhundert von Weimar-Porzellan in der Frontsicht (Foto: Wigmar Bressel)

Altbau aus dem 19. Jahrhundert von Weimar-Porzellan in der Straßen-Frontansicht

Manufakturen-Blog: Neubau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Frontsicht (Foto: Wigmar Bressel)

Neubau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Straßen-Frontansicht

Manufakturen-Blog: Der Erweiterungsbau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Hofansicht (Foto: Wigmar Bressel)

Der Erweiterungsbau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Hofansicht

Rettungs-Planspiel „Schlechter Fall“: Es findet sich niemand, der es sich zutraut, am Standort Blankenhain den Betrieb fortzusetzen. In dem Fall wäre es unbedingt sinnvoll, wenn die Stadt Weimar von Turpin Rosenthal die Marke ‚Weimar Porzellan‘ kaufen würde, um sich die Option auf späteres eigenes Porzellan, das in Lizenz von einer der anderen Thüringer Porzellanmanufaktur (zum Beispiel Reichenbach) für die Stadt Weimar in der benötigten Stückzahl produziert werden könnte, zu erhalten. In jedem Fall ist der Klang von „Weimarer Porzellan seit 1790“, die Assoziation des dem Image nach positiv besetzten Weimarer Fürstenhofes (‚Anna-Amalia-Bibliothek‘), für den die Porzellanmanufaktur ja ursprünglich produziert hat, eine Gute. Weimar hat im Jahr allein mehr als 700 000 Übernachtungsgäste – und sicherlich mehrere Millionen unregistrierte Touristen. Und alle haben Bedarf an authentischen Erinnerungsstücken.

Fotos: Wigmar Bressel

manufakturen-blog_logo

 

 

 

…lesen Sie auch unseren Beitrag über die überlebende Vase von Weimar-Porzellan – im September 2022 in einer weiteren Künstleredition erschienen.

Die Höchster Porzellanmanufaktur wird neu ausgerichtet – chinesisch-international

26. Juni 2018, Frankfurt am Main. Gute Nachrichten aus Frankfurt-Höchst: Bei der Höchster Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1746) bleibt das Licht an – es geht weiter! Allerdings bekommt die kleine und einzige hessische Porzellanmanufaktur einen gründlichen Kulturwandel verpasst – denn der neue Eigentümer und Geschäftsführer nach Insolvenzanmeldung im Januar 2018 und Asset-Deal zum 1. Juni 2018 ist der in Hongkong ansässige Taiwanese Yung Wen „Evan“ Chung, dem schon das Darmstädter Luxus-Armaturen-Unternehmen Zeva Life gehört. Die Kommunikationssprache „inhouse“ wird einstweilen englisch. Herausforderungen.

Die beste Nachrichten sind: Alle 13 Mitarbeiter behalten ihren Job. Die Produktion bleibt in der Palleskestraße. Insolvenzverwalter Frank Schmitt aus dem bekannten Büro Schultze & Braun (mehr als 700 Mitarbeiter an 40 Standorten, Link zur Pressemitteilung) ist sehr zufrieden und wird in der Frankfurter Neuen Presse so zitiert: „Die Übertragung auf den neuen Investor ist ein sehr schönes Ergebnis des Insolvenzverfahrens. Einerseits, weil es uns gelungen ist, die Manufaktur als hessisches Kulturgut zu erhalten.

Manufakturen-Blog: Trompetenvase "alt" - vorne - und Vase "neu" mit dem Eindruck der Trompetenvase (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Trompetenvase „alt“ – vorne – und Vase „neu“ mit dem Eindruck der Trompetenvase

Andererseits, weil mit dem Investor eine Neuausrichtung einhergeht, die dem Traditionsunternehmen eine Zukunft verspricht. Insbesondere freut es mich, dass nicht nur die Marke, sondern das Unternehmen als Ganzes, inklusive aller Arbeitsplätze, erhalten bleibt.“

Stadt und Land haben sich tatsächlich um die Rettung ihres Porzellanaushängeschildes bemüht, erzählt Schmitt dort weiter: „Die hohe öffentliche Anteilnahme und der Beistand, den wir während des Insolvenzverfahrens erfahren haben, haben einen hohen Anteil an der gelungenen Rettung der Höchster Porzellanmanufaktur.“ (Der Manufakturen-Blog berichtete.)

Und das sind die Pläne des neuen Eigentümers Chung (Foto in der BILD-Zeitung, Ausgabe Frankfurt): Das Höchster Porzellan soll Lifestyle-Produkt werden – Applestore, digital, ‚Gläserne Manufaktur‘, neue Märkte weltweit erschlossen werden. Das Geschäft mit Kunst-Reproduktionen und die Zusammenarbeit mit Künstlern noch weiter ausgebaut werden. Und: Die Porzellanmanufaktur soll tatsächlich das erhoffte Ladengeschäft in der neuen Frankfurter Altstadt (Am Markt 36), dem zukünftigen Touristenmagnet, erhalten – inklusive weltweiten Lieferservice nach Hause. Und in der Nähe soll obendrein ein Teehaus, eine Art Salon, geschaffen werden, in dem man mit Höchster Porzellan bewirtet werden soll und das Porzellan auch gleich kaufen kann. Chung kündigt in einer Pressemitteilung an: „Ich will die Marke für die Zukunft fit machen. Die Firma wird ihre Produktpalette modernisieren, um neue, junge Käuferschichte anzusprechen.“

Wir können nur die Daumen drücken. Denn viele dieser Ideen hatte auch schon der langjährige frühere Inhaber Jörg Köster; deren Umsetzung – insbesondere die Eroberung ausländischer Märkte – war ihm aber nicht gelungen, weil das Unternehmen dafür bisher nicht ertragsstark genug war und dementsprechend Geld für eine wirkliche Expansion fehlte.

Fotos: Höchster Porzellanmanufaktur

manufakturen-blog_logo

Die Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur feiert ihr 450jähriges Bestehen

14. Juni 2018, Frauenau. Welch ein Jubiläum! Ein Familienbetrieb, der 450 Jahre nach seiner Gründung immer noch von der Gründerfamilie betrieben wird – in 15. Generation! Niederbayerns IHK-Präsident Thomas Leebmann verlieh im Rahmen des 10. Zukunftsforums Deutsche Manufakturen die große Ehrenurkunde an Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau, der und dessen Vorfahren mit ihren Familien seit solch langer Zeit ihre Glashütte im Bayerischen Wald in Frauenau und Umgebung betreiben. Leebmann: „Poschinger ist ein Qualitätsbotschafter für den Bayerischen Wald!“

Und so heißt es auch im Urkundentext der IHK: „Die Industrie- und Handelskammer für Niederbayern in Passau verleiht diese Urkunde zum 450jährigen Bestehen der Firma Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur e. K., Frauenau, in Anerkennung der erfolgreichen Entwicklung und Verdienste um die niederbayerische Wirtschaft.“

Keine Untertreibung – Poschingers waren immer sehr engagiert: ein Vorfahr wurde sogar zum bayerischen Senatspräsidenten gewählt, der Vater des heutigen Inhabers saß 36 Jahre im Gemeinderat von Frauenau, man engagiert sich immer wieder in der IHK und überregional für die bayerische Wirtschaft, ist „Botschafter Niederbayerns“ und, und, und…

Poschingers Glashütte wurde als autarkes Glashüttengut angelegt – ein großer eigener Waldbestand (Poschingers sind heute die größten Waldbesitzer Bayerns) sicherte die Erzeugung von Pottasche (zur Senkung der Schmelztemperatur des Glases) sowie Brennholz zur Erzeugung von Holzkohle für den Betrieb der Öfen; die Glashütte zog immer wieder auf dem eigenen Grund um – dem Holz hinterher.

Manufakturen-Blog: IHK-Präsident Thomas Leebmann hielt die Laudatio auf 450 Jahre Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger (Foto: Martin Specht / Deutsche Manufakturen)

Manufakturen-Blog: IHK-Präsident Thomas Leebmann hielt die Laudatio auf 450 Jahre Glasmanufaktur Freiherr von Poschinger

Die heutige Glasmanufaktur wurde im Jahr 1846 in Betrieb genommen, der Transport von Holz über Land wurde durch Maschinen und Fahrzeuge immer einfacher – sie konnte nun bleiben.

Im Jahr 2018 feiert Poschinger ein großes öffentliches Jubiläumsprogramm: Lesungen, Filme, Musik, Festessen – vieles in der eindrucksvollen Ofenhalle, in der die Schmelzöfen im Hintergrund glühen und gleißen. Mit Spannung erwartet wird ein Film des Komponisten Marios Joannou Elia – „Run“ –, der sich mit dem Glasschmelzen (bei Poschinger gedreht) beschäftigt; die Filmmusik dazu ist sogar schon als öffentliche Aufführung im Fürstbischöflichen Opernhaus Passau angekündigt… (Link zum Trailer auf YouTube)

Die Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur war im Jahr 2016 die ‚Manufaktur des Jahres‘ des Verbandes Deutsche Manufakturen (zur Begründung).

Fotos: Martin Specht / Deutsche Manufakturen

manufakturen-blog_logo

 

 

 

Manufakturen-Blog: Herstellung einer Schlegelflasche in der Glasmanufaktur von Poschinger (Foto: Martin Specht / Deutsche Manufakturen)

Manufakturen-Blog: Herstellung einer Schlegelflasche in der Glasmanufaktur von Poschinger

„Noch besser als ein schönes Hemd, ist ein schönes Hemd, das passt“ – zu Besuch in der Hemdenmanufaktur Campe & Ohff

16. April 2018, Lauterbach. Allein das Wort ist etwas Besonderes. Haifisch-Kragen. Ein Hemdkragen. Das Merkmal des Haifisch-Kragens ist, dass die beiden Kragenspitzen sehr weit auseinander liegen, gewissermaßen nach außen streben. Einen breiten Krawattenkonten mit Volumen bringt das exzellent zur Geltung. Wer genau sich, vor mehr als einhundert Jahren, die Bezeichnung ausgedacht hat, ist nicht zuverlässig überliefert. Jedenfalls ist diese spezielle Kragenform im Englischen – weit weniger bildhaft – auch als Cut-Away-Kragen bekannt. Eine Theorie über den Ursprung des ungewöhnlichen Namens besagt, dass der Raum zwischen den Kragenspitzen – einem gleichschenkligen Dreieck ähnlich – an den Umriss eines Haifisch-Gebisses erinnere. Darum: Haifisch-Kragen.

Das Wort ist jedenfalls prägnant, es assoziiert Verwegenheit, Energie und Schnelligkeit. Man hat den Eindruck, dass sein Schöpfer etwas von diesen Attributen –  aber auch der Eleganz des Raubfisches – in die Bezeichnung der Kragenform einfließen lassen wollte. Ob auch Bertold Brecht in seiner 1928 entstandenen, gesellschaftskritischen „Dreigroschenoper“ an den Haifisch-Kragen gedacht hat, als er schrieb: „Und der Haifisch, der hat Zähne. Und die trägt er im Gesicht“, ist zumindest vorstellbar.

„Der Haifisch-Kragen“, sagt Christian von Campe. „Ist ein Klassiker, – aber beim Business-Outfit immer noch aktuell. Da wird verbreitet Krawatte getragen und er passt einfach sehr gut dazu.“ Christian von Campe ist einer der beiden Geschäftsführer der Hemdenmanufaktur „Campe & Ohff“. Hans-Henrik Ohff der andere. Die „von Campe & Ohff GmbH“ wurde 1996 gegründet. Acht Jahre zuvor – im Oktober 1988 – leistete Christian von Campe seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr. „Damals“, so sagt er, „begegnete ich zwei Menschen, zu denen sich im Laufe der Zeit eine sehr innige und intensive Freundschaft entwickelt hat: Christian Ohff und Friedrich von Schönfels.“

Je mehr sich die zweijährige Dienstzeit dem Ende näherte, desto wichtiger wurde das Thema Zukunft in den Überlegungen und Gesprächen der Freunde.

„Wir hatten den Spleen“, sagt Christian von Campe rückblickend, „irgendetwas Selbstständiges zu machen, aber keine konkrete Vorstellung davon, was das sein sollte.“

Nach dem Wehrdienst hielten sie Kontakt, gingen jedoch erst einmal getrennte Wege. Christian von Campe studierte Betriebswirtschaft in Berlin.

„Für ein Praktikum“, sagt er, „brauchte ich die passende Garderobe und wollte Maßhemden bestellen. Ich fand keine geeignete Adresse in Deutschland. Also orderte ich eins bei einer Firma aus Hongkong. Das Erste, das ankam, war ganz in Ordnung. Von zehn weiteren, die ich bestellt hatte, war keines so wie ich es haben wollte. Die konnte man eigentlich nur in die Tonne treten.“

Vielleicht kann man den Zeitpunkt, an dem Christian von Campe diese Erfahrung seinen Freunden mitteilte, als die Geburtsstunde der Hemdenmanufaktur „Campe & Ohff“ bezeichnen. Die Phase in der sich die, bis dahin eher vage Ideenfindung konkretisierte. Gemeinsam mit Christian Ohff entstand der Plan, Maßhemden in Deutschland anzubieten.

„Eine der Vorgaben, die uns dabei wichtig erschienen“, erläutert Christian von Campe. „War, dass das Hemd nicht mehr als 100 D-Mark kosten sollte.“

Als nächstes begann die Suche nach geeigneten Lieferanten, die unter dieser Voraussetzung qualitativ hochwertige Hemden produzieren konnten. „Christian Ohff und ich sind kreuz und quer durch Europa gefahren, um uns Firmen anzuschauen und Messen zu besuchen. Das war sehr intensiv“, erinnert sich Christian von Campe. „Im Jahr 1996 hatten wir dann auf einer dieser Touren einen schweren Verkehrsunfall, den Christian leider nicht überlebte.“

Das gemeinsam begonnene Projekt wäre in dieser tragischen Situation zu einem Ende gekommen, hätten sich die Familien der Beteiligten nicht nachdrücklich dafür ausgesprochen es weiterzuführen. Hans-Henrik Ohff, der jüngere Bruder von Christian Ohff, der in Berlin Geographie studierte, sprang ein und engagierte sich nun ebenfalls in Produktion und Vertrieb von Maßhemden. In den nächsten Jahren bauten sie so einen Versandhandel auf. Produziert wurde an verschiedenen Orten in Europa, unter anderem in Polen.

„Im Spätherbst 1996“, sagt Christian von Campe, „kamen wir mit unserem ersten Katalog heraus. Damals hatten wir eine Schneiderei in der Pfalz, mit der wir zusammengearbeitet haben.“

Schon bald gingen die ersten Bestellungen ein. „Leider“, so Christian von Campe, „stellte sich schnell heraus, dass diese Schneiderei der Sache nicht gewachsen war. Wir – Herr Ohff, meine Frau (Charlotte von Strenge, Schneidermeisterin und technische Leiterin von Campe & Ohff) und ich  – mussten immer öfter selbst hinfahren und bei den Zuschnitten helfen. Ich hatte in Kunst immer eine Vier und war da eher unbeholfen, – aber: Die Idee hat uns zusammengeschweißt!“

In dieser Zeit wurde auch in Hamburg ein erstes Ladengeschäft eröffnet, damit sich die Kunden die Stoffe ansehen, und ihre Maße nehmen lassen konnten. „Ein reiner Online- oder Versandhandel ist mit Maßhemden nicht gut machbar“, erläutert Christian von Campe. „Bei den Stoffen fehlt die Haptik, wenn man sie nur auf dem Bildschirm sieht. Man muss einen Stoff in der Hand haben, um ein Gefühl für die Struktur und Festigkeit zu bekommen. Außerdem sehen die Farben in natura anders aus, als auf einer Abbildung.“

Heute verschickt Campe & Ohff in etwa zweimonatigem Rhythmus Stoffproben an seine Kunden und unterhält neben dem Ladengeschäft in Hamburg ein weiteres in Berlin. „Die meisten Kunden, die heute über unsere Website bestellen“, sagt Christian von Campe, „haben die Stoffe zumindest irgendwann einmal selbst in der Hand gehabt.“

Manufakturen-Blog: Hans-Henrik Ohff und Christian von Campe in der Manufaktur in Lauterbach (Foto: Martin Specht)

Hans-Henrik Ohff und Christian von Campe (v. l.) in der Manufaktur in Lauterbach (Foto: Martin Specht)

Im Oktober 1998 bezog Campe & Ohff eine eigene Produktionsstätte in Lauterbach. Seitdem wird in der nordhessischen Kleinstadt produziert. Insgesamt arbeiten 11 Mitarbeiter im Vertrieb, 25 in der Produktion. Im Jahr 2017 wurden circa 15 000 Maßhemden hergestellt.  Von der anfänglichen Idee eines reinen Versandhandels, sagt Hans-Henrik Ohff, sei man aber im Laufe der Zeit abgekommen.

„Wir haben gemerkt, dass der persönliche Kontakt zu den Kunden das A und O ist. Darum gehen wir auch auf Messen und sind auf Veranstaltungen präsent. Es gibt immer wieder Firmen, die versuchen, im großen Stil Maßhemden über das Internet oder über das Kaufhaus zu verkaufen. Aber ich glaube, das Maßhemd bei Aldi wird es nie geben. Dazu braucht man einfach zu viel Beratung. Es ist viel persönlicher, als einen Artikel nur in den Einkaufswagen zu legen.“

Christian von Campe fügt an: „Die Idee, dass Kunden ihre Maße selbst nehmen und dann über das Internet oder schriftlich mitteilen, funktioniert nicht. Bei uns werden für die Maßanfertigung auch individuelle Haltungsmerkmale berücksichtigt. Wir nehmen die Halsweite, Oberweite, Taillenweite, den Hüftumfang, die Oberarmweite, Schulter- und Rückenbreite, die jeweiligen Armlängen und den Umfang der Handgelenke von rechter und linker Hand.“ Auf den Unterschied zwischen Maßanfertigung und Maßkonfektion, wie sie beispielsweise manche Kaufhäuser anbieten, angesprochen, reagiert Christian von Campe skeptisch.

„Das ist ein strittiges Thema. Es gibt keine juristische Definition für eine Maßanfertigung. Für uns stellt es sich jedoch so dar, dass bei einer Maßkonfektion lediglich Längenmaße verwandt und verändert werden. Zum Beispiel die Rumpf- und Armlänge in Kombination mit der Halsweite. Aber für die Konstruktion des Schnittes werden nur Standardmaße zu Grunde gelegt. Individuelle Haltungsmerkmale werden in der Maßkonfektion definitiv nicht berücksichtigt.“

Hans-Henrik Ohff ist der Ansicht: „In der sogenannten Maßkonfektion steht im Vordergrund, dass der Kunde hinsichtlich der Ausstattung (Kragenform, Manschetten, Knöpfe) frei entscheiden kann. Aber nicht hinsichtlich der Maße, denn es werden Standardmaße verwandt.“

Einen großen Vorteil sehen Christin von Campe und Hans-Henrik Ohff in der räumlichen Nähe von Verkauf und Produktion. Sie legen Wert darauf, heute ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland zu produzieren. Das erlaubt ihnen, auf Änderungswünsche ihrer Kunden schnell und zuverlässig reagieren zu können. Kragen und Manschetten lassen sich auch nach Jahren noch austauschen, Änderungen zeitnah vornehmen. „Das ist ein Vorteil, den wir haben“, so Christian von Campe. „Und der zur Kundenbindung beiträgt. Ich habe das Gefühl, dass unsere Kunden gerne eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Das Produkt ist individuell, die Menschen sind individuell, darum muss man ihnen auch entsprechend begegnen können.“

Überhaupt seien ihre Kunden, sagen die Geschäftsführer von Campe & Ohff, in der Regel Menschen, die großen Wert auf Individualität legen. Viele von ihnen lassen sich die maßangefertigten Hemden monogrammieren, um zu zeigen, dass sie etwas Besonderes und Eigenes tragen. „Das Monogramm“, erläutert einer der Geschäftsführer, „verleiht dem Hemd eine persönliche Note. Die Initialen lassen darauf schließen, dass man sich etwas hat anfertigen lassen. Das hat in der Wahrnehmung eine höhere Bedeutung.“

Spielen angesichts dieser Überlegungen Faktoren wie Mode und Modernität für Campe & Ohff überhaupt eine Rolle? Sie tun es, sagt Hans-Henrik Ohff: „Modernität hat insofern eine Bedeutung, weil mehr jüngere Leute in die Ladengeschäfte kommen. Aber unsere Hauptkunden sind solche, die die Hemden für ihren Beruf brauchen. Darum sind auch die Farben der Stoffe, in denen wir anfertigen, hauptsächlich Weiß oder Blau. Diesen Kunden geht es höchstens mal um eine neue Kragenform (Campe & Ohff bietet über 100 verschiedene Kragenformen an) oder Brusttasche, aber nur selten um einen neuen Schnitt.“

Christian von Campe ergänzt: „Wir machen hauptsächlich Business-Hemden, die in der Kanzlei, dem Büro, der Bank oder wo auch immer getragen werden. Für uns ist es interessant, wenn ein Kunde immer wieder bestellt, um seinen Bedarf zu decken. Darum rennen wir nicht jedem Trend hinterher, verschließen uns aber auch nicht. Wenn der Haifisch-Kragen mal etwas weiter oder enger sein soll, dann machen wir das auch mit.“

Die Kundenstruktur, hauptsächlich im Business-Bereich angesiedelt, erklärt auch die Auswahl an Stoffen, die Campe & Ohff anbietet. Die Manufaktur arbeitet mit Webereien in der Schweiz und Italien zusammen. „Unsere Stofflieferanten gehören zu den besten der Welt“, sagt ein stolzer Christian von Campe. „Wir haben in unseren Musterbüchern ständig etwa 1500 verschiedene Stoffe, die wir verarbeiten können. Wenn ein Kunde ein einzelnes Hemd bestellt und wir dafür circa zwei Meter Stoff brauchen, bestellen wir den auch. Zur Auswahl kann man sagen: Etwa 50 Prozent der Stoffe, die wir anbieten, sind sogenannte Klassiker. Schwerpunkt auf Blau in verschiedenen Farbtönen und Strukturen, sowie Weiß. Beides wird im offiziellen Bereich getragen. Wenn der Bankvorstand aber sagt, er möchte auf dem Golfplatz auch ein Maßhemd tragen, für diesen Fall haben wir zum Beispiel auch karierte Stoffe im Programm.“

Dies gesagt, halten die beiden Geschäftsführer die Eröffnung einer zusätzlichen Luxuslinie von Campe & Ohff nicht für sinnvoll. Die Stoffqualität ist ohnehin schon außergewöhnlich hoch und auf Wunsch werden auch Perlmuttknöpfe verarbeitete. Die Preise für ein Maßhemd bewegen sich in der Regel zwischen achtzig und zweihundert Euro.

„Wenn wir eine noch hochwertigere Linie anbieten wollten“, sagt Hans-Henrik Ohff, „dann müssten wir auch mehr Optionen – beispielsweise von Hand angenähte Knöpfe – bieten. Das aber würde nicht in unsere bestehende Produktion passen. Es ist fraglich, ob der Kunde bereit wäre, den Aufwand zu bezahlen.“

Der Produktionsablauf, von dem Hans-Henrik Ohff spricht, ist so organisiert, dass ein Maßhemd möglichst effizient in etwa 70 bis 75 Minuten hergestellt werden kann. Der Zuschnitt des Stoffes erfolgt automatisch, die Maße des Kunden werden in ein CAD-Programm übertragen. Nach dem Zuschnitt entsteht in etlichen Arbeitsschritten – die Ärmel, Kragen und Manschetten werden genäht und zusammengesetzt, ebenso die Knopfleiste, eventuell ein Monogramm eingearbeitet, das Hemd wird gesäumt – ein Maßhemd. Endkontrolle und Verpackung finden unmittelbar im Anschluss an die Produktion statt.

„Wir bieten“, sagt Christian von Campe, „ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.“

Die Geschäftsführer der Manufaktur – die übrigens Gründungsmitglied des Verbandes Deutsche Manufakturen war – sind sich sicher, dass es auch in Zukunft genügend Kunden geben wird, denen ihr Auftreten und ihre Erscheinung ein maßgefertigtes Hemd wert ist.

„Zum Anzug mit Krawatte“, sagt Christian von Campe. „Gehört meiner Ansicht nach ein Hemd, das mit Manschettenknöpfen getragen wird. Der Konfektionshandel bietet da nur eine stark eingeschränkte Auswahl an Stoffen. Das ist bei uns anders. Ein Hemd mit Manschettenknöpfen ist vielleicht etwa umständlicher anzuziehen, aber ich finde, dafür entschädigt das bessere Aussehen allemal.“

Hans-Henrik Ohff nickt und sagt: „Noch besser als ein schönes Hemd, ist ein schönes Hemd, das passt.“ Auch das ist eine Haltung.

Fotos: Martin Specht

manufakturen-blog_logo

 

 

 

RTL Nord zu Gast bei BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände

Manufakturen-Blog: Frontfrau der Brenner-Szene - Birgitta Rust Schulze van Loon produziert in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel (Screenshot von: RTL Nord)

12. April 2018, Bremen. RTL Nord zu Besuch in norddeutschen Manufakturen… Da darf die Frontfrau der Brenner-Szene – Birgitta Schulze van Loon – natürlich nicht fehlen. Die frühere Spezialistin in der Finanzbranche nutzte die Wirtschaftskrise im Jahr 2009, akzeptierte ein Abfindung – und erlernte das Obstbrennen in Franken. Seit dem Jahr 2012 produziert sie unter ihrem früheren Namen BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände mit ihrem Team in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel.

Die Urkunde erhielt sie übrigens aus den Händen des heutigen bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner (CSU), der auf dem 10. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen übrigens das Grußwort der Bayerischen Landesregierung spricht.

Birgitta Schulze van Loon nahm auch schon erfolgreich am Wettbewerb zum ‚Manufaktur-Produkt des Jahres 2015‚ teil – mit ihrem dreifach destillierten Gin ‚Triple Peak‘ mit dem Botanical ‚Earl Grey Tee‘ wurde sie Dritte im Lebensmittel-Bereich.

Hier der Link zum Fernsehbeitrag von Roland Rickelmann vom 27. September 2017 – Sie werden weitergeleitet zum Archiv on RTL Nord…

Screenshots vom Beitrag von RTL Nord

manufakturen-blog_logo

 

Neuer Inhaber, neuer Geschäftsführer, neues Image – Brillenhersteller Flair erfindet sich selbst neu

14. März 2018, Oelde. Die exklusive Einladung von Flair – der ‚Manufaktur des Jahres 2017‘ – kam überraschend; ob ich nicht kurzfristig Zeit zu einer Reise ins Westfälische hätte… Es gäbe Neuigkeiten, die man via Manufakturen-Blog gerne der Manufakturen-Szene mitteilen würde. Man sei zu beinahe jedem Termin bereit. Als mich Flairs Fahrer vor der Hauptverwaltung absetzte, deutete er auf den großen gläsernen Besprechungsraum und sagte: „Der da mit dem Rücken zum Fenster sitzt, das ist Herr Beck.“ Wenn man weiß, dass Flair eigentlich ‚nur‘ eine Marke ist und Deutschlands berühmter Edel-Brillenhersteller korrekt ‚Dr. Eugen Beck GmbH & Co. KG‘ heißt, dann ahnt man, was dort gelaufen sein könnte.

Der „Abbrand“ der „Knaller“ in der Reihenfolge, die mir präsentiert wurde: Gunter Fink, der Flair bei 140 Mitarbeitern und 12 Mio. Umsatz (derzeit: nichtmal zehn) vom nachfolgerlosgebliebenen Firmengründersohn und 40-Jahre-Geschäftsführer Rainer Beck im Jahr 2005 erworben hat, hat zum 15. Juli 2017 diesen „aus verschiedenen Gründen“ ins Unternehmen zurückgeholt – und zwar als Mehrheitsgesellschafter. Mittels einer Kapitalerhöhung wurde das Gesellschaftskapital vervierfacht, dem Unternehmen ganz neue finanzielle Möglichkeiten eröffnet. Fink ging sehenden Auges in die unternehmerische Minderheit, schied auch aus der Geschäftsführung aus.

Der neue, alte starke Mann im Unternehmen ist 83 Jahre jung – und sprüht vor Energie und Stolz auf den neuen Geschäftsführer Sven Reiß (36, ehemaliger Unternehmensberater, dann Prokurist bei Flair) und dessen Geschäftsleitungsteam.

Manufakturen-Blog: Flairs Kampagne tritt ohne Model-Gesichter an (Grafik: Flair)

Flairs Kampagne tritt ohne Model-Gesichter an

Ergänzt wird alles von einem Beirat unter Führung des früheren „Bertelsmanns“ Professor Dr. Jürgen-R. Haritz. Eine komplette Unternehmensspitze als Gesprächsrunde – das hat man auch nicht oft.

Der sprühende Stolz kommt daher, dass Reiß und seine Topmannschaft aus Ralf Bode (Produktionsleitung), Magida Sali (Designchefin), Volker Schramm (Finanzen) und Miriam Hasselbach (Marketing) – mit Genehmigung von Gesellschafter und Beirat – aber doch ziemlich radikalem Ansatz dem Unternehmensimage eine Frischzellenkur verpasst haben: „Flair wear“ ist der neue selbstironische Claim. Die branchenüblichen Brillen-Models wurden eben mal abgeschafft. Die Kampagne zum jüngeren ‚Flair‘ kommt eher wie Kunst von Andy Warhol daher. War ‚Flair‘ wirklich angestaubt? „Flair war irgendwie angestaubt. Wir müssen moderner und emotionaler werden.“, sagt Geschäftsführer Reiß. Das Ergebnis der Bemühungen in der halbjährigen Neufindungsphase – ich kann es verstehen.

video
play-sharp-fill

Das Kampagnen-Video auf youtube – sehenswert…

video
play-sharp-fill

…und Flairs Messefilm von der Opti 2018 – auch sehr sehenswert!

 

Interview

Flairs neuer Geschäftsführer Sven Reiß: „Wir müssen moderner und emotionaler werden“

Herr Reiß, sie gehen die Marke Flair noch einmal grundsätzlich an – warum?

Ich würde eher von einem Relaunch sprechen. Für uns als Manufaktur gibt es wahnsinnige Herausforderungen. Die Märkte haben sich gewandelt – und wir müssen uns ein Stück mitwandeln. Und das Asset, das wir mit der Manufaktur haben, auch angemessen nutzen. Das haben wir in den vergangenen Jahren zu wenig bzw. auf eine nicht dem Zeitgeist angepasste Art. Und nicht intensiv genug. Ein Problem vieler Manufakturen in der heutigen Zeit. Das erfordert natürlich auch Investitionen.

Das ist schon sehr deutlich.

Unser Jetzt-wieder-Gesellschafter Herr Beck hat in seinen mehr als 40 Jahren an der Spitze das Unternehmen mit Qualität und tollen Produkten zum Weltmarktführer für randlose Brillen gemacht. Das hat in den vergangenen Jahren aber nicht mehr gereicht. So, wie sich Kaufentscheidungen bei den Kunden verändert haben. So, wie sich der Markt verändert hat. Die Händler. Es traten sehr viele neue Marken und Importeure auf. Damals gab es vielleicht 200 Brillenmarken – jetzt gibt es mehr als 1500. Und dem Kunden ging die Fähigkeit verloren, die angebotenen Brillen rein sachlich zu bewerten und danach eine Kaufentscheidung zu treffen. Die Unübersichtlichkeit und Informationsüberflutung verändert das Entscheidungskriterium. Die Entscheidungen werden heute viel emotionaler getroffen – das ist eine Herausforderung, der wir uns klar stellen müssen. Das ist ein Phänomen unserer Gesellschaft über alle Branchen hinweg.

Also muss Flair auch viel emotionaler werden.

Also muss Flair auch viel emotionaler werden. Moderner und emotionaler. Es reicht eben nicht mehr zu sagen: Das ist das beste Produkt. Darauf müssen wir reagieren.

Jetzt haben sie also Herrn Beck wieder.

Wir haben die Übergangszeit des Gesellschafterwechsels genutzt und auf unsere Branchen-Leit-Messe, die Opti, zugearbeitet. Heraus kam mehr als eine Kampagne – es ist ein neuer Markenauftritt. Wir haben uns noch einmal alle Stärken unseres Unternehmens deutlichgemacht – und dieses kleine X der zusätzlichen Modernität hinzugefügt. Heraus kam, dass wir die Brille noch stärker in den Vordergrund stellen und durch Darstellung im modischen Kontext dennoch neben den Details der Brille die Themen Design und Mode ansprechen. Und dass wir unsere 50 Jahre alte Marke Flair mit dem Wortspiel „Flair wear“ stärker emotionalisieren wollen. Das ist ein Statement zum Produkt ‚Flair‘, ist nicht einfach nur das gewöhnliche „Eyewear“. Es ist eine Kategorie für sich selbst!

Ich muss auch ganz offen bekennen, dass mich das Wort Flair nicht mehr richtig ansprach – es klingt zu sehr nach 1960er Jahren. Mit denen war ich jetzt selbst irgendwie durch. Aber diese Selbstironie aus dem französischen ‚flair‘ und dem englischen ‚wear‘ lässt mich innerlich lächeln. Franzosen lernen ungern Englisch, Engländer kaum Französisch – als wäre der Hundertjährige Krieg zwischen den beiden Nationen gerade erst zu Ende… So kann es in vielen Märkten funktionieren und verstanden werden.

Wir finden, es funktioniert. Was uns einfach fehlte, ist dieser neue Auftritt beim Kunden: Wenn er das Brillengestell anfasst, es bewertet, sich wohlfühlt, sagt, „damit sehe ich gut aus“. Und genau dort müssen wir ihn über eine emotionale Ansprache aber auch erstmal hinbekommen. Gerade im dichten Wettbewerb. Wir Hersteller kommen ja immer von der technischen Seite, staunen über die Raffinessen, die technischen Lösungen, das Feine… Dieser Aspekt des Modischen, der fehlte uns bisher in der Kommunikation und den haben wir mit „Flair wear“ dort hineingebracht. Trotzdem sind es auch weiterhin die technisch perfekten Brillen – aber eben mit mehr Lifestyle-Gefühl verbunden.

Manufakturen-Blog: Sven Reiß ist neuer Geschäftsführer von Flair (Foto: Flair)

Flair-Geschäftsführer Sven Reiß (Foto: Flair)

Haben sie das mit einer Agentur gemacht?

Ja, eine mit viele Erfolgen in der Modebranche. Die sagte sofort: Ihr müsst es anders machen, als die Anderen. Nun haben wir die Models weggelassen. Dann sogar die Gesichter – aber trotzdem stellt sich jeder Mensch in der weißen Fläche sein oder ein Gesicht vor. Genaugenommen ist es viel flexibler einsetzbar. Und erreicht eine ungemeine Aufmerksamkeit.

Wie kam die Kampagne bisher bei den Optikern und Endverbrauchern an?

Sehr gut. Und wir haben im Januar 2018 bereits etwa 40 Prozent mehr Umsatz gemacht, als im Januar 2017. Das spricht für sich, oder?

Grafiken, Filme und Foto: Flair

manufakturen-blog_logo

 

 

 

Die Manufakturen-Trends der ‚Ambiente 2018‘: Designer, Namen, Lebensgefühl

10. März 2018, Frankfurt am Main. Peter Raacke ist wieder da – und Mark Braun allerorten in der Manufakturen-Branche unterwegs. Das ist eine Möglichkeit, den Rückblick auf die ‚Ambiente 2018‘ zu beginnen… Manufakturen und Designer – auch kleine Unternehmen nutzen die Ideen bekannter Produktentwerfer. Nehmen das Geld in die Hand, und lassen sich neue Dinge kreieren, die ihnen auf dem schnellebigen Markt der Konsumgüter ein Standing verschaffen sollen. Das Produkt soll perfekt sein – und vom eigenen Betrieb in Deutschland gefertigt. Manchmal wird auch ‚nur‘ der große Name eingekauft und genutzt oder ein Lebensgefühl entworfen und gezeigt – Händler und Kunden wollen Geschichten, das ist nun einmal so.

Peter Raacke (Jahrgang 1928) ist der Designer des Bestecks „Mono A“ – es war das erste Besteck von Mono, das aus einem Blech gestanzt wurde. Mono wurde mit dem Besteck berühmt – es erhielt sogar im Jahr 1999 seine eigene Briefmarke. Im Jahr 1962 entwickelte Raake mit dem Großonkel Herbert des heutigen Firmenchefs Wilhelm Seibel das Besteck „Mono Ring“, das Besteck zum Aufhängen am eigenen Ständer, der auf dem Esstisch stehen bleiben kann, – mehr als eine Million Besteckteile wurden in den folgenden dreißig Jahren verkauft; bis das Besteck mit seinem Kunststoffgriffen an der Inkopatibilität mit Geschirrspülmaschinen scheiterte.

Es folgte eine lange Pause. Im vergangenen Jahr erfolgte die Auftragsvergabe an den in Berlin arbeitenden Designer Mark Braun (Jahrgang 1975): „Mono Ring“ neu entwickeln, von Peter Raacke abgesegnet. Braun ist inzwischen für eine ganze Reihe von Manufakturen tätig geworden – Nomos („Metro“-Reihe, „At work“), Lobmeyr („Fortune“, „TS283“), Mühle (Rasierset „Hexagon“ – Manufaktur-Produkt des Jahres 2017), derzeit auch für Feingerätebau K. Fischer tätig – und eben auch für Mono.

Heraus kam ein voll-geschirrspüler-taugliches Besteck. Verändert wurde auch die Klinge (damit man mit ihr besser Brote schmieren kann) sowie leicht veränderte Griffe in fünf Farben; raffiniert mit Glasfasern verstärkter Polymer sowie unsichtbare Glaskugeln, die für mehr Gegengewicht zum Stahlvorderteil sorgen. Diese fertigt Mono in der bekannten sorgfältigen Weise selbst – für den Kunststoffgriff suchte man sich einen Spezialisten als Partner, der in Velbert sitzt.

Manufakturen-Blog: "Mono Ring" ist wieder da - die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

„Mono Ring“ ist wieder da – die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

Das Gewinnen von Design-Wettbewerben ist auch eine Spezialität der Brüder Hartmut und Volker Gehring. Die Schneidwaren-Manufaktur Gehring hat den heute allerorten anzutreffenden Damaststahl vor vielen Jahren in die Kochmesser-Produktion eingeführt und ist der größte deutsche Importeur japanischen Hochleistungsdamaststahls. Im Solinger Familienunternehmen ist Volker Gehring der Produktdesigner „inhouse“. Und er hat immer neue Ideen – auf der Ambiente wurde das frisch vom Rat für Formgebung – German Design Council prämierte Messerset „Wave“ gezeigt: German Design Award Winner 2018. Herzlichen Glückwunsch!

Manufakturen-Blog: Gehrings Messerserie "Wave" gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings Messerserie „Wave“ gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Einmal um die Ecke rum in Halle 3.1 steht Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur. Der hat die neue gerade Linie jetzt aus drei Millimeter starkem Kupferblech geformt – nochmehr Masse gegen das mögliche Problem des Verformens in der Produktion.

Auch im Porzellan-Bereich wurde ein großer Name lizensiert: Bei Pablo Picasso (1881 – 1973) durfte die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1799) nun Anleihen machen – die Serie heißt „Dinner with Picasso„; aber auch zwei sehr auffällig dekorierte Becher der Serie „Wunderbar“ (0,4 l Inhalt, ca. EUR 39,00 uvp.) stachen mir ins Auge.

Manufakturen-Blog: Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit "Wunderbar" aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit „Wunderbar“ aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Ein paar Gänge weiter der eindrucksvolle neue Stand von Meissen – eine Leistungsshow aus Großteilen umrundet zwei Seiten, während scheinbar achtlos zusammengestelltes Porzellan auf einem langen Tisch den Kontrapunkt setzte. In der Mitte ein Besprechungsraum in Werkstattoptik – soviel Humor war mir bisher bei der Ur-Manufaktur aus Sachsen nicht aufgefallen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Manufakturen-Blog: Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos - folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos – folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Dann natürlich Dibbern: Die gut 50 Jahre junge Gründung aus Bargteheide mit eigenem großen Werk in Hohenberg an der Eger (Ex-Hutschenreuther) bot auf der einen Standseite die Serie „Pastell“ an, deren Name Programm ist, auf der anderen Standseite ein neues Dekor für die Fine-Dining-Linie: „Palm Beach“; die Weiterentwicklung des von den Händlern unverstandenen „Miami“.

Auch ein neues Accessoire probiert Dibbern aus – den Champagner-Becher, z. B. im Innendekor „Purple Titanium“. Champagner und Becher – das kennt man von Fürstenberg, bei denen die wahnsinnig zarten Becher Champagner viel besser unterstützen, als man es beschreiben kann; und bei Fürstenberg sind die Becher das bestverkaufte Geschenk. Nun also auch Dibbern. Nach zwei großzügigen Bechern Champagner kann ich sagen, dass das dunkle Innenleben des Bechers meine Geschmacksnerven animierte, mich stärker auf die angenehm herben Aromen des Getränks zu fokussieren – in der Hitze der Messehalle 4 eine köstliche Erfrischung!

Manufakturen-Blog: Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier "Purple Titanium" (Foto: Wigmar Bressel)

Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier „Purple Titanium“ (Foto: Wigmar Bressel)

Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch die Show am Stand der Solinger Messermanufaktur Böker Baumwerk: Das im Jahr 1869 gegründete Unternehmen (das älteste Warenzeichen ist aus dem Jahr 1674 verbrieft) der heutigen Eigentümerfamilie Felix-Dalichow bietet ja eine große Bandbreite an Produkten – 356 Seiten hat allein der Hauptkatalog in Dünndruck. Böker hat ein weiteres eigenes Werk für Jagd- und Outdoormesser in Argentinien – diese Messer laufen unter der Marke Böker Arbolito. Sehr günstige Linien lässt man in Europa, Amerika oder Asien für die eigene Marke ‚Magnum by Böker‘ produzieren und kommuniziert das auch. Dann gibt es natürlich neben Kochmessern die Jagdmesser, die die meisten Menschen mit Böker verbinden – für 50 bis 1000 Euro, erkennbar an den Markennamen ‚Böker Plus‘ und ‚Böker Manufaktur‘. Aber ebenfalls bei Böker selbst gefertigt werden Rasiermesser (die passenden Pinsel kommen übrigens von Mühle); für das Thema Rasur gibt es einen eigenen 60-seitigen Katalog. In ihm heißt es: „Was die Böker Manufaktur mit dieser Szene teilt, ist die Tradition, der unbedingte Wille zur handwerklichen Perfektion und die Leidenschaft für das, was wir tun. Ein wichtiger Bestandteil hiervon ist der ständige Austausch mit anderen Fachleuten und Liebhabern über den Gegenstand, der uns verbindet.“

Und auf der Ambiente hatte man bei Böker am Stand zur Ankurbelung dieses Segments einen eigenen Barbershop aufgebaut – wer wollte, konnte sich vom professionellen Barber rasieren lassen. Es wurde reger Gebrauch gemacht… und zeigt, dass man auch ohne große Namen auskommen kann, wenn man es versteht, ein Lebensgefühl genau auszudrücken und die Menschen, die darin leben, zielgenau anzusprechen.

Manufakturen-Blog: Der Meister bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

Barbier Santos bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

manufakturen-blog_logo