Manufakturen-Blog: Birgit Bornemeier beim Torfstechen-Selbstversuch auf Islay bei Laphroaig (Foto: Reisekultouren)

Dr. Birgit Bornemeier: „Kaum jemand hat bereits deutsche Whiskys probiert oder weiß von der Vielfalt an Angeboten“

17. November 2016, Detmold. Auf dem 1. Brandenburger Manufakturentag habe ich Single Malt Whisky mit dem schönen Namen „Der Kolonist“ von der Burger Hofbrennerei  getrunken. Eindeutig ein Single Malt – aber doch ganz anders, als die bekannten Schotten. Welche Chance hat wohl ein dreijähriger Brandenburger Whisky auf dem Markt, zumal mit einem Preis von EUR 48,00?  Jetzt naht die Messe ‚Bottle Market‘ (18.-20. November 2016) in Bremen. Vor einem Jahr habe ich Dr. Birgit Bornemeier auf dieser Messe kennengelernt – eine der Fachleute in Deutschland für Whisky. Denn die promovierte Geographin aus Detmold führt seit vielen Jahren erfolgreich ihr Reiseunternehmen ‚Reisekultouren‘, das sie gründete, um Whisky-Genießer quer durch Schottland und die Welt zu lotsen. Ich habe sie angerufen und zu deutschem Whisky interviewt.

Frau Dr. Bornemeier, ist deutscher Whisky inzwischen für den erfahrenen Whiskytrinker ‚interessant‘?

Dr. Bornemeier: Das Spannende am Whisky ist die extreme Vielfalt. Wer „nur“ schottisch trinkt, der verpasst etwas.

Wir sind als Reiseveranstalter auf Whiskyreisen spezialisiert. Qualität und Geschmack der Destillate sind für unsere Arbeit natürlich wichtig, denn sie sind der Dreh- und Angelpunkt, an dem sich das Interesse der Genießer verankert. Für mich zählt jedoch insbesondere der Erlebniswert: Wer sind die Macher? Wie kommen sie dazu, ausgerechnet Whisky herzustellen und wie genau wird produziert? Was ist das Besondere der jeweiligen Destillerie? Das ist für mich als Reiseveranstalter wichtiger als eine tasting note, denn Aromen kann man auch zuhause auf dem Sofa entdecken, dafür braucht es keine Reise. Viele deutsche Brenner sind sehr kreativ, experimentieren mit Getreide, mit Torf oder legen den Whisky einfach mal im Watt vor Sylt in den Schlick.

Ich komme aus der Geographie und erlebe Whisky als ‚Landeskunde im Glas‘. Whisky spiegelt ein Stück weit die Region, aus der er stammt. Deutschland ist meines Erachtens im Zusammenhang mit Österreich, Liechtenstein und der Schweiz zu sehen. In diesen Ländern gibt es eine lange Tradition speziell für Obstbrände, die ein sehr sauberes Verfahren und viel Expertise voraussetzen. Unsere Brenner steigen also auf einem hohen Level in die Whiskyproduktion ein. Zudem ist die Brenntechnik eine andere und dies bedingt andere Geschmacksnoten und Charakteristika. Es geht nicht darum, einen schottischen Whisky zu kopieren. Wer das erkennt und offen für Neues und Anderes ist, kann im deutschsprachigen Raum viel Interessantes entdecken.

Wie sehen Sie den Whisky-Produktionsstandort Deutschland – im Vergleich zu Schottland, den USA oder Japan?

Deutschland hat sich als Whisky-Produktionsstandort in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Als ich vor 10 Jahren begann, Whiskyreisen anzubieten, da war deutscher Whisky auf Fachmessen kaum ein Thema. Konnte jemand fünf Brennereien benennen, dann war das viel. Hatte tatsächlich jemand probiert, dann tendierte das Feedback oft in Richtung „untrinkbar“. Dabei klangen noch viele Vorurteile durch. 2013 präsentierte der Kartenverlag Alba Collection dann seine erste „D-A-CH“-Whiskykarte und visualisierte damit eine unglaubliche Zahl von zunächst 161 Whisky produzierenden Betrieben. Auf der Karte, auf Messen und in den Medien wurde deutscher Whisky sichtbar und das Interesse nahm in der Folge spürbar zu. Inzwischen sind auf dieser Whiskykarte 260 Betriebe verzeichnet, davon allein 170 in Deutschland.

Manufakturen-Blog: die Whisky-Destillen-Karte für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Alba Collection (Foto: Alba Collection)

Manufakturen-Blog: die Whisky-Destillen-Karte für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Alba Collection (Foto: Alba Collection)

Mittlerweile ist deutscher Whisky in der mental map der deutschen Whiskyenthusiasten, auf Whiskyfestivals, in Bars und heimischen Barschränken angekommen. Dahinter steckt mächtig viel Engagement seitens der Macher, die notwendige Zeit zur Reife der Destillate, natürlich viel Marketing und Öffentlichkeitsarbeit – aber auch ein „drink local“ und die Neugierde der Konsumenten. Dabei darf man die Größe der Betriebe nicht außer Acht lassen: Im Vergleich von D-A-CH mit Schottland tritt David gegen Goliath an. Ich habe in der Schweiz Brennereien gesehen, wo zwei Fässer Whisky neben einer Kiste Cola und den Nutella-Gläsern der Familie lagern. Ich war im Fasslager des größten deutschen Whiskyproduzenten, in dem noch eine Extra-Balkenlage direkt unter dem Dach eingezogen wurde, um den nötigen Platz für Emmer- und Dinkel-Whisky zu schaffen. Gegen Giganten wie Glenfiddich oder Glenlivet ist das alles „micro“ und oft experimentell. Gerade das macht den besonderen Reiz aus. Die Stärke des deutschsprachigen Raumes sehe ich in der Brenntradition, die in Familien seit Generationen gepflegt wird. Das ist etwas Besonderes.

Hervorragender, guter und weniger guter Whisky wird mittlerweile in unzähligen Ländern produziert. In Schottland produzieren im Moment 115 Betriebe, in Irland 18. Beide Länder werden i.d.R. an vorderster Stelle genannt, wenn es um Whisky geht. Dann folgen USA und Japan.

Kürzlich ist eine USA-Whiskykarte erschienen. Dass es dort viele Produzenten gibt, ist bekannt, doch eine Zahl von über 800 Brennereien erstaunt dennoch. Japanischer Whisky erlebte im Herbst 2014 einen überraschenden Hype. Internationale Medien

hatten eine Pressemitteilung des Whiskyexperten Jim Murray aufgriffen, der ein spezielles Bottling von Yamazaki als weltbesten Whisky auszeichnete. ZEIT- wie BILD-Leser wussten plötzlich, dass japanischer Whisky viel besser sei als schottische Brände – und generalisierten. Whiskyshops wurden daraufhin über Nacht mit sprunghaft gestiegener Nachfrage konfrontiert und Japan war in aller Munde. Dass auch in Indien und Taiwan sehr viel beziehungsweise guter Whisky hergestellt wird, damit kann man selbst Besucher von Fachveranstaltungen, wie den einschlägigen Whiskyfestivals, immer noch überraschen.

Wir haben für unsere Reisegäste einmal ein Tasting mit Jim Murray arrangiert, für das Whiskykenner und Enthusiasten aus ganz Deutschland den weiten Weg zu uns in den Teutoburger Wald reisten. Es war ein blind tasting. Von 100 Gästen hatte niemand zwölf Richtige. Wir fragten lediglich nach Produktionsländern, nicht nach Whisky-Destillerien! Die meisten tippten im Zweifelsfall auf Schottland. Peated Malt muss von Islay sein und wenn ihn ein Jim Murray präsentiert, dann ist es bestimmt ein Ardbeg… Was beeinflusst den individuellen Geschmack? Die romantisierte Fasslagerung im Warehouse am Meer oder Wasser, das durch Islay-Torf sickerte? Die Grenzen sind in den Köpfen.

Ist Whisky Ihrer Meinung nach ein kurzeitiger Hype? Oder ist das Entstehen von immer mehr Destillen nachhaltig?

Für einen Hype hält die Nachfrage schon zu lange an und das rasante Wachstum von neuen Destillen und Erweiterungen geht weiter. Das Rechercheteam von Alba Collection meldete gerade für Schottland 37 und für Irland 23 Neubauprojekte. Auch neue Whiskyevents und Messen entstehen überall und es ist kein Ende in Sicht. Auf der anderen Seite hört man in der Szene längst Stimmen, dass es nicht ewig so weiter gehen kann und sehr bald ein Kollaps einsetzen wird.

Es gibt sicherlich einen breiten Markt von Whiskykonsumenten, die Whisky trinken, weil es gerade ‚in‘ ist oder mal reinschnuppern, weil sie darauf aufmerksam wurden. Andere sammeln – entweder aus Passion oder als Geldanlage. Für die Mehrzahl unserer Gäste ist Whisky jedoch viel mehr, als nur ein Hobby. Es ist ein genussvoller Lebensstil. Das Thema ist ziemlich komplex und wer sich auskennen möchte, der wird viel lesen, viel fragen und eine Menge Zeit und Geld investieren.

Welche Anforderungen müssten deutsche Whisky-Destillen erfüllen, damit es für ein professionelles Reiseunternehmen wie Reisekultouren interessant wird, diese „anzusteuern“?

Erlebniswert und Exklusivität. Eine einzelne Destillerie mit Besucherzentrum und zwei bis drei Tastingvarianten ist im Rahmen einer klassischen Busrundreise ein Programmbaustein oder ein Schwerpunktbesuch. Das gilt in Schottland wie in Deutschland, doch das ist nicht unser Markt. Unsere REISEKULTOUREN-Signature-Tours gehen das Thema Whisky sehr viel spezieller an. Für die Reisetechnik ist wichtig, dass sich mehrere Betriebe zu einer inhaltlich interessanten und abwechslungsreichen Tour vernetzen lassen, ohne dass allzu große Distanzen überbrückt werden müssen. Insbesondere in Süddeutschland wäre das möglich. Es gibt bereits Wanderungen, die mehrere Destillerien als Tagesprogramm gemeinsam auflegen. Das ist eine prima Idee, doch hierfür braucht man keinen Reiseveranstalter wie uns. Solche Angebote werden in der Regel von Gästen direkt gebucht, zumal wir in Deutschland keine Hemmschwelle wie Sprachbarrieren oder das Fahren auf der vermeintlich falschen Straßenseite haben.

Der Erlebniswert ist wichtig und da sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Doch ohne eine Exklusivität im Produkt werden wir von Direktbuchern kopiert. Interessant wären für uns also Angebote, die sich exakt am Interesse unserer sehr interessierten Gäste orientieren und die tatsächlich ausschließlich über uns buchbar sind.

Können sich deutsche Destillen bei Ihnen darum bewerben, als Reiseziele aufgenommen zu werden? Wäre das nicht für ausländische Whisky-Fans spannend? Kurz: Wann nimmt Reisekultouren die erste geführte Reise zu deutschen Destillen ins Programm auf?

Gegenfrage: Sind Sie der Meinung, dass deutscher Whisky im Ausland bereits ausreichend bekannt ist, um ein thematisches Reiseinteresse auszulösen? Ich habe oft Samples von D-A-CH-Whisky- bzw. deutsche Whiskykarten bei mir, wenn ich in Schottland reise. Damit kann man stundenlange Gespräche anzetteln, denn kaum jemand hat bereits deutsche Whiskys probiert oder weiß von der Vielfalt an Angeboten. Wenn eine Flasche in einem spezialisierten Pub oder einer Bar steht, dann hat sie meist ein Gast mitgebracht. Ich werde dann oft geneckt, ich würde Eulen nach Athen tragen oder, wie man in Schottland sagt, Kohlen nach Newcastle.

‚Reisekultouren‘ ist Fördermitglied im Verband Deutscher Whiskybrenner und ich freue mich sehr über Kooperationsinteresse von Seiten der deutschen Whiskyszene, zumal auch bereits viele Destillateure eine meiner Studien- und Fachstudienreisen wahrgenommen haben. Wir sind durchaus schon im deutschsprachigen Raum aktiv und bieten Reisen zu den deutschen Whiskyfestivals an, auf denen immer mehr deutsche Brennereien ausstellen. Ergänzend haben wir einen Whisky- und Gin-Destillationsworkshop im Oberrheintal im Programm. Eine PKW-Rundreise zum Thema Alpine Whisky haben wir bereits 2012 entwickelt, noch bevor die Whiskys aus der Schweiz und Österreich Importeure in Deutschland hatten. Mittlerweile ist sie allerdings wieder offline gesetzt, da es gar keine Nachfrage gab.

Für eine geführte Reise zu den Destillerien im deutschsprachigen Raum habe ich bereits eine konkrete Idee zum Tourverlauf und kann versprechen, dass es ‚Landeskunde im Glas‘ sein wird, bei der wir die besonderen Facetten des deutschen Whiskys herausarbeiten werden. Doch noch ist es nicht so weit.

Danke für das Gespräch!

Frau Dr. Bornemeier ist auch in 2016 wieder auf dem ‚Bottle Market‚ – wenn Sie auch gerne einmal mit ihr fachsimpeln und sich über die Reisemöglichkeiten zu schottisschen Destillen informieren möchten: Halle 7 Stand C 46  ‚Reisekultouren‘

Fotos: Reisekultouren, Alba Collection

manufakturen-blog_logo

 

3 Kommentare
  1. Wigmar Bressel
    Wigmar Bressel sagte:

    Sehr geehrter Herr Brzeske,

    wie sind denn die Meinungen Ihrer Seminar- und Verkostungsteilnehmer in der Whisky Stube zu den unterschiedlichen deutschen Whiskys? Ersteinmal sind diese ja relativ teuer, wenn man betrachtet, dass ein zehnjähriger Laphroaig in der 0,7er Flasche in einer Weihnachtsaktion auch schonmal unter 22 Euro zu kriegen ist, und dann ein vierjähriger Deutscher in der Nullfünfer-Flasche 45 Euro kosten soll; der eine ein Referenz-Torfwhisky, der andere dagegen ein „Noname“? Und: Wo sehen Sie den Hauptunterschied im Geschmack der „Deutschen“ im Vergleich zu den „Schotten“? Gibt es da Typisches?
    Gruß

    Wigmar Bressel

    Antworten
    • Ralf Brzeske
      Ralf Brzeske sagte:

      Hallo Herr Bressel,
      wenn Sie nicht wissen, warum Schottische Whisky so Billig sind, dann weiß ich nicht ob Sie Betriebswirtschaftlich unterwegs sind.
      Es ist bei den Anlagen die man in Schottland Verwendet mit einem Fassungsvermögen von 6000 – 8000 Liter je Fein-Brennblase und ein Jahres Volumen von 9.000.000 l Herstellt und damit je Brennerei 45.000 Tonnen Gerstenmalz je Destillerie Verbrennt dann ist diese Massenproduktion selbstverständlich Preiswerter als in Deutschland in dem man eher noch von Manufaktur sprechen kann.
      Zudem kommt auch der Steuerlich Aspekt. Es werden zwar auch 13.03€ Je Liter und 100% Alkohol erhoben, aber in den Deutsche Destillen bei der Entstehung und nur Theoretisch durch den „angel’s share“ ausgeglichen. Selbst in den meisten Zoll-Lagern wird nicht nach gemessen wie viel Verlust zu Steuererhebung gemindert werden soll. Außer Sie haben eine Alte Kornbrennerei die anders mit dem Zoll zusammen arbeitet – Da kümmert sich gerade auch der „Deutsche Whiskybrenner Verband“ darum hier einheitlich zu arbeiten. Hinzu kommt, das ein 10 Jähriger aus Schottland gegenüber einem 4-5 Jährigen aus Deutschland nur wenig zu bieten hat. Das liegt zum einen an der Fassgröße und zum anderen am Klima. Es hat nicht ohne Grund Japan zum Besten Whisky der Welt verschafft, sondern auch Korea zu einem sehr guten „Kavalan“ der auch nur 3 Jahre alt ist.
      ***
      Zitat: Das subtropische Klima in Taiwan fördert eine schnellere Reifung des Whiskys. Dadurch ist eine permanente Kontrolle der Fässer erforderlich. Da der Angel’s Share bei 15-18% pro Jahr liegt, sind lange Lagerzeiten fast unmöglich.
      Zitat Ende.
      ***

      Antworten
  2. Ralf Brzeske
    Ralf Brzeske sagte:

    Hallo,
    ich bin Liebhaber, Enthusiast, Entertainer und Deutsche Whisky Händler. Auf mich trifft „Kaum jemand hat bereits deutsche Whiskys probiert oder weiß von der Vielfalt an Angeboten“ nicht zu. Ich lernte in Schottland, dass es Deutsche Whisky gibt, ging auf die Universität Hohenheim und habe dort in der Forschungs- und Lehrbrennerei einen Kurs zum Brenner teilgenommen. Inzwischen kenne ich viele Deutsche Whisky Hersteller, auch die, die Ihren Whisky in der Nordsee versenken :-). Aber auch andere Kollegen, die ihr Handwerk verstehen und daher jetzt 18 Jährige Deutsche Whisky auf den Markt bringen.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*