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Vom inneren Wert der Keramik

2. Juni 2022, Leipzig. Wer Porzellan sagt – muss eigentlich auch Keramik sagen. Denn viel früher als die Porzellan-Bewegung in Europa mit der Erfindung des ‚Weißen Goldes‘ durch Johann Friedrich Böttger im 18. Jahrhundert, schon Jahrtausende vor der Gründung der berühmten europäischen Porzellanmanufakturen, hatten Menschen mit dem Brennen von Ton begonnen: Mit der Sesshaftwerdung des Menschen weitete sich der Bedarf an Aufbewahrung aus – und so gelten Tonscherben als das Zeugnis für menschliche Siedlung schlechthin. Und wie steht es heute um die Keramik? Ein Blick auf Instagram zeigt: So manche Keramikerin und so mancher Keramiker hat viel mehr Follower, als die berühmten Porzellanmanufakturen. Aber bildet das auch die Wirklichkeit ab? Verdient man mit Keramik Geld? Geht handwerkliche Keramik – in Deutschland? Ich treffe mich mit der bekannten Keramikmeisterin Franziska M. Köllner in Leipzig.

„Porzellan ist überhaupt nicht mein Material – das ist mir zu hart und zu kalt“, sagt Köllner. Und wenn man ihr so zuhört, dann versteht man sehr gut, was sie meint. Vielleicht ist Keramik in unserer Vorstellung femininer, als Porzellan. Die Techniken der Verarbeitung sind in etwa gleich – jedoch haben beide Materialien ihre eigene Favorisierung: Während die konfigurierte Porzellanmasse (Porzellan ist kein Naturprodukt) meistens in Formen gegossen wird, wird Keramik aus dem in Tongruben abgebauten Naturprodukt entweder in Ringen ‚aufgebaut‘ oder mit der berühmten Drehscheibe gedreht und geformt. Techniken, die sich einfach anhören und beim Zuschauen auch tatsächlich so einfach erscheinen – aber im Detail liegt, wie bei Allem, die Kunst; und so unterscheidet sich die Enthusiastin im Volkshochschul-Kurs doch sehr von der Berufskeramikerin. Und die herrliche Albernheit von Leslie Nielsen und Priscilla Presley an der Töpferscheibe im Filmklamauk ‚Nackte Kanone‘ bringt unter den Fingern der Fachleute filigranes und hauchdünnes Geschirr hervor, das sich in Ausführung und Form kaum von Porzellan unterscheidet – und vom Laien auch nicht unterschieden werden können.

Franziska M. Köllner hat ihre Ausbildung in der Endzeit der DDR gemacht. Im Jahr 1968 geboren, verweigerte sie den Gang auf die Russisch-Oberschule, absolvierte, wie die meisten Schüler in der DDR, die 10. Klasse an der POS („Polytechnische Oberschule“) – und wollte – inspiriert durch ihre vielen Ferienaufenthalte im Künstlerkollektiv Schaddelmühle im Muldental bei Grimma – Keramikerin werden. Das gelang ihr sehr prominent: Sie wurde nach Kontaktanbahnung durch einen befreundeten Leipziger Galeristen im Jahr 1984 von Ulli Wittich-Großkurth in Jena aufgenommen; eine Frau, die man als eine der Ikonen der DDR-Keramik beschreiben könnte. Und so waren die Auftraggeber der Werkstatt und Meisterausbildung auch oft der Staatsrat und der FDGB, dessen Boss Harry Tisch (1927 – 1995) ein besonderer Fan der Keramik aus Jena war. Besondere Aufträge und große Vorbilder machen junge Auszubildende groß.

Trotz Wendewirren fand die Meisterausbildung in Jena statt und endet im Jahr 1992 glücklich mit dem Abschluss – jedoch mitten im Desinteresse der Bewohner der Post-DDR: „Es gab damals vor allen Dingen Begeisterung für neue Fernseher und alles Technische – aber nicht für einheimische Keramik.“ Und auf einmal fehlte die Hochschul-Reife doch und der Keramikmeisterin der Zugang zu einem universitären zweiten Anlauf.

Also der mühsame Weg über die Töpfer- und Keramikmärkte, über Praktika und freie Aufenthalte an Kunsthochschulen, die Besuche von Workshops im In- und Ausland auf der ganzen Welt.

Das elterliche Wohnhaus im Leipziger Westen bot Platz für die Werkstatt, die Garage wurde zur Galerie.

Manufakturen-Blog: Die Auszubildende Franziska M. Köllner Ende der 1980er Jahre in Jena bei der Arbeit. (Foto: Wigmar Bressel)

Lehrling Franziska Ende der 1980er Jahre in Jena – ein Foto neben einer Tasse aus ihrer heutigen Produktion.

Manufakturen-Blog: Der Küchenfußboden im Elternhaus - hier entstand Franziska M. Köllners Leidenschaft für Keramik. (Foto: Wigmar Bressel)

Der Küchenfußboden aus Schaddelmühlener Keramik im Elternhaus verstärkte die Begeisterung für Keramik.

Manufakturen-Blog: Blick in den bis oben gefüllten zehneckigen Brennofen bei Franziska M. Köllner (Foto: Wigmar Bressel)

Blick in den bis oben gefüllten zehneckigen Brennofen

Manufakturen-Blog: Mate-Kalebassen beim Trocknen (Foto: Wigmar Bressel)

Mate-Kalebassen beim Trocknen

Manufakturen-Blog: Im Atelier-Verkauf bei Franziska M. Köllner in Leipzig mit Keramik-Geschirr im 'Vietnam-Köllner'-Grün - im Hintergrund ein Foto, das ihre Tochter von ihr gemacht hat. (Foto: Wigmar Bressel)

Im Atelier-Verkauf mit Geschirr im typischen Köllner-Grün – im Hintergrund ein Foto, das ihre Tochter Nina Emilia von ihr gemacht hat.

Wie es bisweilen so ist mit Garagen – es kamen immer neue Ideen: Eine Galerie für Keramik und anderes Kunsthandwerk musste her – also wurde die ‚Schwarz Weiß Werkstatt Galerie‘ in der ehemaligen Baumwollspinnerei mitbegründet. Noch besser wäre gleich ein Kunstverein: der ‚terra rossa e. V.‘ wurde ins Leben gerufen. Warum muss man für Keramikmärkte so weit reisen? Köllner entwickelte die Idee für den Keramikmarkt am Museumskomplex Grassi. Wie kommt man in den Handel? Na, noch direkter sind doch Pop-up-Stores, die sich nach der Phase des Experimentierens einfach dauerhaft etablieren, wie der in der berühmten Mädler-Passage.

Da kam vor einigen Jahren dieser Vietnamese in die Schwarz Weiß Werkstatt Galerie. Unentschlossen dreinschauend, offensichtlich kritisch, etwas suchend, die Tassen drehend und wendend. Auf die Frage, wie sie helfen könne, antwortete er: „Ich suche Teeschalen für mein Restaurant in einer ganz bestimmten Form. Wie ich sie von früher aus Vietnam kenne.“

In Leipzigs Westen wurde die Drehscheibe angeworfen, entworfen, gedreht, versucht, verworfen. „Mir fehlte noch das Bild, was er genau wollte“, räumt Franziska M. Köllner achselzuckend ein. Irgendwann war es so, wie es der Kunde sich vorstellte. Weitere asiatische Auftraggeber erschienen. Folgeaufträge schlossen sich an – Blumenvasen entstanden im Raku-Brand, Schalen für die Pho-Suppe entworfen, Stäbchen-Behälter kreiert. Asien ließ die Leipzigerin nicht mehr los. Sie bereiste Vietnam und Thailand – auf der Suche nach mehr Verständnis für die andere Keramik-Kultur.

In verschiedenen Werkstätten erbat sich Köllner einen Zugang zum Arbeitsplatz, begann sich vor Ort in das Teetrinken modellierend und formend hineinzuarbeiten, gewöhnte sich an die Drehscheiben, die andersherum, als die deutschen, drehen – irgendwann stand das Bild auch in ihrem Kopf, wie Tee „perfekt“ getrunken werden könnte.

Wer Tee sagt, sagt vielleicht auch Mate-Tee. Das Naturprodukt aus Südamerika nimmt seit Jahren auch in Europa einen Aufschwung. Glück für Köllner, dass das aufstrebende Unternehmen Caámate – Spezialist für Tee und Zubehör – in Laufentfernung zur Werkstatt seinen Sitz hat. Und dass Mate-Tee aus speziellen Keramikgefäßen – sogenannten ‚Kalebassen‘ – getrunken wird.

Seitdem sind viele Tausend Mate-Tee-Kalebassen, Kännchen und Schalen aus der Leipziger Werkstatt in den Tee-Accessoire-Handel gegangen. Losgrößen von zweihundert und fünfhundert sind an der Tagesordnung, es könnte von ihr noch viel mehr produziert werden, sagt sie – qualifizierte und engagierte Mitarbeiter wären gefragt, sind jedoch Mangelware, wie überall.

Nach meinem Besuch denke ich: Um das Interesse an Keramik steht es doch besser, als ich zuvor dachte – aber sie steht unter denselben Problemen, wie alle anderen Handwerksprofessionen auch; theoretisch „goldener Boden“ – praktisch sind zu wenige Menschen bereit, die sorgfältige Arbeit zu machen. Die sich in die alte Tradition der Bandkeramiker stellen wollen, die schon vor 9000 Jahren in unseren Breiten töpferten und ihre Waren verzierten – sprich: in den Dienst unserer Kultur. Die verstehen, wie man Design unter den Gegebenheiten des Materials umsetzen kann. Die bereit sind, zu erlernen, wie man Ton und Keramik zum Sprechen bringt – sie eine Geschichte erzählen lässt, sie als Produkt das unterstützen lässt, was auf und in ihnen präsentiert wird. Umso wichtiger ist für uns Kunden zu lernen, den inneren Wert und Anspruch der seltenen Schönheiten zu erkennen und zu verstehen – dort, wo wir ihnen begegnen.

Fotos: Wigmar Bressel

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Ein Besuch im Independent-Porzellan – ein Besuch bei Claudia Schoemig

18. Februar 2022, Berlin. Okay. Ich habe die wundervollen Arbeiten von Claudia Schoemig schon länger auf Instagram beobachtet. Ich will nicht sagen, dass ich ihre Arbeiten gestalkt habe – aber doch ihren Instagram-Kanal abonniert. Das besondere ihres Gebrauchsporzellans ist der Mix aus Biskuit und Glasur in sehr feinen Harmonien. Ich war zu Besuch auf der ‚Ambiente 2020‘ in Frankfurt am Main (der letzten vor dem wiederholten Aus durch die Pandemie) – und da wurde sie als eine Art ‚Nachwuchskünstlerin‘ protegiert, was natürlich komplett absurd ist, denn die Fränkin in Berlin ist seit einigen Jahren einer der strahlenden Sterne am Independent-Porzellanhimmel. Ich habe sie an ihrem Stand besucht – und beschlossen, dass ich sie aus Sympathie für ihre überlegte Art und Begeisterung für das schöne handgedrehte Serien-Geschirr in ihrer Werkstatt mit Showroom im Prenzlauer Berg aufsuchen muss. Das habe ich dann auch ein Jahr später getan, gerade von der KPM, dem Berliner Platzhirschen für Manufaktur-Porzellan, kommend.

Der berühmte In-Stadtteil im Berliner Osten ist ja ein Ort der Lieblichkeit, des Bio-Kitschs mit seinen Läden für Fallobst-Wiesen-Säften, der durchgentrifizierten Altbaulandschaft, die einst mit Mühe die DDR überstanden hat und heute teilweise teuer wie Nichts ist; berühmt für die sogenannten „Latte-macchiato-Mütter“, die ihr Heißgetränk im wiederverwendbaren „To-go-Becher“ zu sich nehmen, während der Nachwuchs im 500-Euro-Kinderwagen geschaukelt wird. Ist ja auch egal – denn der „Prenzelberg“ ist eine Besonderheit, wie Notting Hill in London oder andere hippe Stadtteile in den Größtstädten unserer Welt. Eigentlich ein Ideal-Stadtteil – wäre da nicht das Problem, dass sich erhebliche Teile der Bevölkerung Bürgerbauten des 19. Jahrhunderts mit Deckenhöhen und Parkett nach der Renovierung kaum mehr leisten können und sich theoretische republikanische Gleichheit nach und nach durch die Macht des Faktischen in Soll und Haben sortiert.

Manufakturen-Blog: Becher-Serie 'Sublim' von Schoemig-Porzellan (Foto: Wigmar Bressel)

Becher-Serie Sublim

Manufakturen-Blog: Becher-Rohlinge warten im Regal auf den zweiten Brand (Foto: Wigmar Bressel)

Becher-Rohlinge warten im Regal auf den zweiten Brand

Manufakturen-Blog: Regale mit Halbfertigteilen betonen den Werkstatt-Charakter (Foto: Wigmar Bressel)

Regale mit Halbfertigteilen betonen den Werkstatt-Charakter

Manufakturen-Blog: Claudia Schoemigs Hündin Martha wacht über den Showroom (Foto: Wigmar Bressel)

Claudia Schoemigs Hündin Matilda wacht über den Showroom

Aber so funktioniert selbst die „soziale Marktwirtschaft“ eben. Aufwendige historische Gebäude benötigen zahlungsfähige Eigentümerinnen und Eigentümer und diese ebensolche Mieterinnen und Mieter. Und wo wollte man sich mit handwerklichem Designer-Porzellan auch ansiedeln, wenn nicht bei den Menschen, die studiert oder anderweitig auch für das Ästhetische gebildet – aber vor allem auch etwas zahlungskräftiger für Individualität und Design sind?

Claudia Schoemig hat sich im Jahr 1999 in diesem Stadtteil verortet; sie macht übrigens keinen reichen Eindruck. Sondern einen sehr durch handwerkliche Arbeitsamkeit und Ernsthaftigkeit und Zielgerichtetheit bestimmten. Ihr schlichter Showroom in der Raumerstraße 35 wird mitbelegt durch Teil-Fertigprodukte, die auf ihren Brand warten. Ruhige Farben bilden den Hintergrund für die Präsentationsbühnen ihrer Porzellane: Teller, Becher, Schalen, Vasen – was es für den Gebrauch bei Tisch eben so bedarf.

„Ich habe das Glück, dass ich einen tollen Vater habe, der gefühlt alles kann und der sich soviel zugetraut hat. Der hat natürlich eine Weile gebraucht, bis er kapiert hat, dass er eine Tochter hat, die sich auch für alles interessiert“, erzählt Claudia Schoemig. Ihr Werdegang ist dementsprechend zunächst unakademisch: Ausbildung zur Keramikerin in einer fränkischen Werkstatt – „die Leute haben mich angeguckt, als wäre ich ein Ufo, wenn ich erzählt habe, was ich mache. Ob das nicht ein ‚aussterbender Beruf sei‘, wurde ich oft gefragt. Und ich habe gedacht: Na, schauen wir mal, wie lange es dauert, bis er ausgestorben ist.“ Das war in den 1980er Jahren. Die 1990er seien dann auch tatsächlich „übel gewesen“, räumt Schoemig ein. „Aber seit zehn Jahren ist handwerkliche Keramik und Porzellan wieder voll am Aufblühen. Gefühlt jeder würde gerne einen Töpferkurs machen und das Gefühl für die handgemachten Dinge kehrt in die Gesellschaft zurück.“

Claudia Schoemig entwickelte sich weiter – vom Ton der Keramikerin hin zum Porzellan, weg von dem, was in der Erde gefunden wird und abgebaut (Ton), hin zum Porzellan, das aus frei konfigurierbaren Stoffen besteht, Hauptbestandteil Kaolin, befreit von den vielen Bestandteilen wie Eisen (das den Ton rötlich färbt), das dafür jedoch viel präziser gehandhabt werden kann, da es keine Überraschungen mehr bereithält.

Dieser Schritt erfolgte bei ihrem nächsten Arbeitgeber – einer kleinen Porzellanmanufaktur, die vor allem für Historienfeste und Filme historische Porzellane fertigte: „Ich wurde immer schneller im Drehen von Porzellanteilen – bis ich die Schnellste war.“

Dann kam ihr Schritt in die Selbständigkeit – und wieder der Vater: „Ich durfte mir eine kleine Werkstatt in seiner Arbeitshalle einrichten; das war eine schöne Zeit!“ Sie zog über Keramikmärkte, übte sich in Direktverkauf und Kundennähe: „Aber ich kriegte die Krise, fragte mich, ob ich mit Anfang zwanzig schon bereit sei, so sesshaft zu werden.“

Natürlich nicht. Es folgte ein Kunststudium im nordhessischen Kassel, zwischendurch an der Hochschule in Berlin-Weißensee, schließlich in Kassel der Abschluss. Ausstellungsteilnahmen, Kunstvereine, selbstorganisierte Künstleraustausche mit Helsinki, Paris, Prag und London – alles prägend für die Frage nach Kunst- oder Gebrauchsporzellan, nach Design oder Funktionalität, nach Positionierung und Preisfindung… vieles pro bono und Ehrenamt – aber das gehört zur Entwicklung als Mensch ja dazu. Und immer wieder die Frage: Was will ich in meinem Leben als Porzellanschaffende wirklich machen?

„Ich habe immer noch soviele Ideen – das kann ich alles gar nicht machen.“ Gibt es für sie garkein Problem, sich selbst zu motivieren? „Ich habe nur das Problem, dass ich nicht alles umsetzen kann, über das ich nachdenke. Dafür fehlt die Zeit. Aber ich habe gemerkt, dass meine Entwürfe und Umsetzungen gut ankommen – also habe ich meine eigene Firma gegründet.“ So entstand die Idee für ‚Schoemig Porzellan‘, an ihrem letzten Studienort, in der Hauptstadt, in der schon Friedrich der Große Porzellan unter dem Namen KPM produzieren ließ. ‚Ö‘ oder ‚oe‘ – sie zuckt mit den Schultern: „Die internationalen Kunden verstehen es nicht.“ Aha – internationale Kunden… das ‚oe‘ schlich sich jedenfalls ein – und aus dem fränkischen Schömig wurde Schoemig.

Wie entwickelt sich bei der heutigen Claudia Schoemig Design? „Das ist sehr unterschiedlich. Vieles entsteht im Prozess, beim Arbeiten; ich frage mich: Wie soll sich ein Gefäß anfühlen? Wie will ich es selbst gerne in der Hand halten? Wie soll es aussehen, wenn ich hineinschaue? Was für mich meine Arbeit ausmacht, ist eher die Richtung Minimalismus, zeitgenössisch-poetisches Tafeln und modernes Interior. “

Ich weiß genau, was sie meint, ich liebe ihre Becher: außen Biskuit-Porzellan, innen in zarten Pastelltönen glasiert. „Ich feile so lange daran herum, bis es gut ist und mir gefällt. Dann kommt der Test mit der Kaffeemaschine, der Probeeinsatz bei den Mitarbeitern und im Bekanntenkreis. Und ob ich es nach einem Monat immer noch gutfinde. Man braucht mir beim Briefing nur einen Brocken hinwerfen – das macht mich glücklich, wenn ich wochenlang daran herumarbeiten darf. Neue Sachen auszudenken – das ist mein Lebenselixier.“

Fotos: Wigmar Bressel

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Benedikt Poschinger: „Jeder muss zu seiner Zeit das Richtige tun, damit er das Unternehmen erhält“

23. November 2018, Frauenau. „Seit 1568“, sagt Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau, „gibt es die Glashütte in Frauenau.“ Seitdem ist sie im Besitz der Familie von Poschinger. Als die Poschingers mit der Herstellung von eigenem Glas im Bayerischen Wald begannen, waren gerade einmal 76 Jahre vergangen, seit Christoph Kolumbus den amerikanischen Kontinent entdeckt hatte. Im Jahr 1568 floh Maria Stuart aus einem schottischen Gefängnis, die Konquistadoren suchten nach El Dorado, Katharina von Medici versuchte in Frankreich die Hugenottenkriege zu beenden und es sollten noch mehr als 200 Jahre vergehen, bis der Seefahrer James Cook Australien entdeckte. Falls damals in einem der in Frauenau hergestellten Gläser versehentlich eine Luftblase eingeschlossen wurde – dies gilt als Fehler in der Glasherstellung – hätte sie sich in den vergangenen 450 Jahren möglicherweise ein kaum wahrnehmbares Stück bewegt. Glas soll sich im Laufe der Zeit verändern.

Ebenso die Menschen. Seit den Anfängen sind auf den im Jahr 1523 geborenen Joachim Poschinger, der als erster der Familie mit der Glasherstellung begann, 15 Generationen gefolgt. Die Glasmanufaktur in Frauenau befindet sich seit 450 Jahren in Familienbesitz. Damit ist sie die Älteste ihrer Art in Deutschland und weist weltweit die am weitesten zurückreichende Familientradition im Glas auf. Wie, frage ich Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau, geht man mit so einer Tradition um?

„Selbstverständlich ist es eine Verpflichtung“, sagt der 47jährige, der die Glasmanufaktur im Jahr 2007 von seinem Vater übernahm. „Andererseits ist es aber auch ein Ansporn dazu, so wie die Generationen vor mir, das Beste zu geben und die Manufaktur zu bewahren. Jeder muss zu seiner Zeit das Richtige tun, damit er das Unternehmen erhält und an die nächste Generation übergeben kann. Wenn man bedenkt, dass Vorfahren von mir während des Dreißigjährigen Krieges mit dieser Sache beschäftigt waren, kann man sich vorstellen, wie groß diese Herausforderung sein kann.“  Abgesehen von dem erwähnten Dreißigjährigen Krieg überstand die Glasmanufaktur auch zwei Weltkriege, die Industrielle Revolution und ist bislang auch der Globalisierung erfolgreich begegnet.

Manufakturen-Blog: Poschingers Glasmanufaktur in Frauenau (Foto: Martin Specht)

Blick auf Poschingers Glasmanufaktur in Frauenau…

Manufakturen-Blog: In der Ofenhalle mit dem "dreihäfigen" Glasofen (Foto: Martin Specht)

…und in die Ofenhalle mit dem „dreihäfigen“ Glasofen

„Diese Verpflichtung“, betont der Freiherr, „fühle ich zwar, aber auf eine Weise, die mich nicht erdrückt. Das ist, glaube ich, sehr wichtig, weil man sonst erstarrt. In alten Familien wird Tradition und ein gewisses Denken darüber bewusst und auch unbewusst weitergegeben. Die Familiengeschichte ist auf vielerlei Art greifbar, auch in Gemälden oder Gebäuden.“

In solch einem historischen Gebäude befindet sich die Glasmanufaktur „von Poschinger“. In den Büros hängen Jagdtrophäen und Familienportraits. In der Ofenhalle nimmt ein Sammlung historischer Gläser, die dort hergestellt wurden, eine meterhohe Wand ein. Ein großes Holz-Kruzifix fällt ins Auge. Und auch der Raum, in dem wir unser Gespräch führen, sieht aus, als wäre er Bestandteil eines Museums. Möbel und Gemälde aus dem 17. beziehungsweise 18. Jahrhundert, dunkles Holz und eine Vielzahl von Ordnern und Mappen.

„Trotz der langen Tradition“, fährt der Freiherr fort, „hat unser Vater meinem Bruder und mir immer freie Wahl darin gelassen, was wir machen möchten.“ Benedikt Freiherr von Poschinger hat Forstwirtschaft studiert, bevor er die Leitung der Glasmanufaktur übernahm.

„Ich kenne Beispiele aus anderen Familien, wo den Kindern schon früh gesagt wird: ‚Denk daran, du bist einmal derjenige, der das alles übernehmen muss!‘ Ich denke, wenn so etwas zur falschen Zeit in der Entwicklung geschieht, besteht die Gefahr, dass die Nachkommen dann gerade etwas anderes machen, als das, was die Eltern sich vorstellen.“

Allerdings, auch diesen Aspekt berührt das Gespräch, ist die Möglichkeit einer freien Berufswahl eine relativ moderne Entwicklung.

„Früher gab es die klassischen Laufbahnen der Söhne“, erläutert Benedikt von Poschinger. „Wenn es mehrere waren, dann hat einer den Betrieb übernommen, einer ging zum Militär und einer ins Kloster oder wurde Priester.“ Und nach einem Moment des Nachdenkens fügt er an: „Heute ist es Gott sei Dank so, dass sich jeder verwirklichen kann. Aber auch das kann eine gewisse Gefahr bergen.“

Benedikt Poschinger ist sich der Tatsache bewusst, dass er zwar einerseits Bestandteil einer überaus langen Tradition ist, andererseits jedoch einen Betrieb mit etwa 30 Angestellten in einer modernen und globalisierten Welt führt. Seine Schlussfolgerung: „Man muss den Blick frei haben und auch in einem traditionsreichen Unternehmen modern denken.“

Dass gerade im Bayerischen Wald vor einigen Hundert Jahren eine Vielzahl von Glashütten entstand, hat sowohl geographische, wie auch geologische Gründe. Zur Glasherstellung benötigt man Quarzsand, der sich bei einer Temperatur von circa 1.400 Grad Celsius zu Glas schmelzen lässt. Um die Öfen für diesen Schmelzprozess heizen zu können, war das Vorhandensein von Holz in ausreichendem Maße nötig. Beides fand sich im Bayerischen Wald.

„Heute würde man sagen: es gab hier einen Standortfaktor“, so Freiherr Poschinger. „Der Bayerische Wald ist ein Granit-Gneis-Gebirge, in dem Quarz in großen Mengen vorkommt. Und Holz ebenso. So, wie die Porzellan-Hersteller dort sind, wo Kaolin natürlich vorkommt, oder die Eisenhütten dort sind, wo es Kohle gibt, sind die Glashersteller hier zuhause. Das war früher nicht anders möglich. Man konnte im Bayerischen Wald auch hervorragend die Wasserkraft nutzen. Bäche und Flüsse, die die Mühlräder, die Schleifsteine und Schleifereien angetrieben haben.“

Damals wie heute werden Kanten und Grate der Gläser nach dem Erkalten abgeschliffen. Während Benedikt Poschinger spricht, sind in der Ofenhalle hinter ihm die Glasbläser am Werk und balancieren geschickt rotglühende Klumpen an langen Blasrohren. Wenn sie das Glas zum Abkühlen in einen der Wasserbehälter tauchen, steigen weiße Dampfwolken in die historische hölzerne Dachkonstruktion empor. Mit einer Ausnahme, sagt der Freiherr, sei alles, was man zur Glasherstellung benötigte, im Bayerischen Wald zu finden gewesen. Das, was fehlte, war Kalk. Die Zugabe von Kalk während des Schmelzprozesses sorgt dafür, dass das entstehende Glas besser aushärtet. Er musste aus der Ulmer Gegend in die Glashütten des Bayerischen Wald gebracht werden.

„Es waren die Landesherren“, sagt Benedikt Poschinger, „die das Glashandwerk im Bayerischen Wald speziell gefördert haben. Das hatte einen einfachen Grund: Nur aus der Holzwirtschaft [vor Beginn der Glasherstellung der dominierende wirtschaftliche Faktor in der Region] waren keine großen Steuereinnahmen zu erwarten. Darum haben die Landesherren Anreize geschaffen, damit sich Menschen ansiedeln und Glashütten betreiben.“ Poschinger lacht. „Heute würde man sagen: Das war Strukturpolitik.“

Seit ihren Anfängen hängt die Glasherstellung im Bayerischen Wald mit der Land- und Forstwirtschaft zusammen. Heute hat die Familie von Poschinger den größten Waldbesitz in Niederbayern.

„Diese Konstellation“, so der Freiherr, „musste bestehen, weil man das Holz zum Heizen der Öfen brauchte. Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Manufaktur, das gehörte zusammen. Glas machen ohne Wald ging nicht. So waren die frühen Glashütten damals auch analog zum Landwirtschaftsgut sogenannte ‚Glashüttengüter‘. Man kann sich diese Glashüttengüter als weitgehend autarke ‚Siedlungs-Inseln‘ im Wald vorstellen. Zum Transport der Waren verwendete man Ochsenkarren; die Zugtiere und die Ernährung der Menschen machten den landwirtschaftlichen Faktor aus.“

Manufakturen-Blog: Klassisches Drehen und Blasen - mit viel Geschick und Erfahrung entstehen perfekte Formen (Foto: Martin Specht)

Klassisches Drehen und Blasen – mit viel Geschick und Erfahrung entstehen perfekte Formen…


Manufakturen-Blog: Herstellung einer historischen Schlegelflasche in der Glasmanufaktur von Poschinger (Foto: Martin Specht)

…die immer wieder nacherhitzt werden müssen – wie hier bei der Herstellung einer historischen Schlegelflasche


Manufakturen-Blog: Ein Mitarbeiter trägt einen großen gläsernen Tischfuß zum Schleifen (Foto: Martin Specht)

Ein Mitarbeiter trägt einen großen gläsernen Tischfuß zum Schleifen

Zur damaligen Zeit war die Donau die nächstgelegene große Verkehrsader, zu der die kostbaren Gläser transportiert wurden, um über den Fluss weiter verschifft zu werden.

Im 18. Jahrhundert tauchte der „eiserne Moa“ im Bayerischen Wald auf: Als „eisernen Mann“ bezeichneten die Menschen in der Region die ersten Maschinen, die Handarbeit durch maschinelle Fertigung ersetzten. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren die meisten Gläser und Glaserzeugnisse in Europa mundgeblasen. Das änderte sich mit dem Fortschreiten der Industrialisierung. Und zum ersten Mal in der Geschichte waren die Glashütten nicht mehr an einen  Standort gebunden. Rohstoffe und Produkte konnten dank Eisenbahn und – etwas später den Automobilen – beinahe überall hin transportiert werden. Um dieser veränderten Marktlage zu begegnen, mussten die Glashütten mehr bieten, als reine Gebrauchsgläser.

„Früher stellten wir hauptsächlich einfache Trink- oder Vorratsgläser her“, sagt Freiherr Poschinger. „Aber im Zuge der Industrialisierung tauchten auch Kunstströmungen, wie der Jugendstil, in der Gestaltung unserer Glaserzeugnisse auf. Heute würde man Produktdesign dazu sagen.“

Einer der bekanntesten unter den Gestaltern, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Glasmanufaktur von Poschinger zusammenarbeiteten, war der 1868 geborene Peter Behrens. Zum Beispiel der Schriftzug „Dem deutschen Volke“, der über dem Portal des Berliner Reichstagsgebäudes prangt, entstand unter seiner Mitwirkung. Behrens – der auf den Gebieten des Typhographie, Architektur und Produktgestaltung tätig war – war einer der Vorläufer des modernen Industrie-und Corporate-Designs. Ein von ihm gestaltetes Trinkglas wird heute immer noch unter der Bezeichnung „Peter-Behrens-Glas“ in der Glasmanufaktur von Poschinger hergestellt.

Auch heute arbeitet Benedikt Poschinger mit Künstlern und Designern zusammen. „Es ist spannend, Design und Handwerk zusammenzuführen“, sagt der Freiherr. „Glas ist ein ganz besonderer Werkstoff, der – könnte man sagen – seinen eigenen Kopf hat. Eine mit einem CAD-Programm erstellte Zeichnung, bei der es um Winkel mit einem Zehntel Grad geht, das ist vielleicht in einem metallverarbeitenden Betrieb machbar, aber nicht mit mundgeblasenem Glas. Wenn man aber dann mit dem Designer gemeinsam die Grenzen des Machbaren auslotet, entstehen dabei faszinierende Lösungen. So ist zum Beispiel der Tisch von Sebastian Herkner entstanden.“

Der Bell Table hat einen glockenförmigen Fuß von Poschinger aus farbigem Glas und wird von der Firma ClassiCon vertrieben.

Jedoch konnten sich längst nicht alle Glashütten, die es im Bayerischen Wald gab, mit besonderem Design und einem veränderten Angebot behaupten. Betriebe, die die Industrialisierung gemeistert hatten, mussten in den 1990er Jahren den Herausforderungen der Globalisierung begegnen.

„Vor der Automatisierung“, so Benedikt Poschinger, „wurden selbst Glühbirnen mundgeblasen. Heute entstehen in einer Hightech-Fabrik durch Press-Blas-Verfahren um die 15.000 Gläser pro Stunde. Wir schaffen gerade einmal 30. Die industrielle Massenfertigung hat zu einem Rückgang an Arbeitsplätzen geführt. Dadurch drohen natürlich auch spezielle handwerkliche Fähigkeiten auszusterben.“ Nach einem Moment des Nachdenkens fügt er fügt an: „Ein weiterer ‚Schlag‘ für die Glashütten war die Öffnung des Markts für osteuropäische Waren. Auf einmal drängten Glashütten aus Polen, Weißrussland oder Rumänien auf den Markt.“

Zusätzlich dazu, erklärt Poschinger, hätten sich bei vielen Menschen in Deutschland die Tischsitten dahingehend verändert, dass Gläser häufig zu einer Trendware werden, die nach einer Saison durch Neue ersetzt wird. Darum dürfen sie nicht viel kosten und stammen oft aus dem billigen Sortiment großer Möbelhäuser. „Zum Glück“, so Benedikt Poschinger, „gibt es aber auch wieder mehr Menschen, die Wert auf etwas Beständiges legen.“

Die Frage, wie viele Glashütten heute noch in der Region existieren, ist schnell beantwortet:

„Außer der Glasmanufaktur von Poschinger gibt es in Frauenau noch eine Glashütte und bei Zwiesel die Firma Theresienthal, sowie die große maschinell betriebene Hütte Zwiesel-Kristallglas, ehemals Schott.“

Die Glashütte Theresienthal war bis in die 1970er Jahre ebenfalls im Besitz der Familie von Poschinger. „Unser Familie ist verzweigt“, erzählt der Freiherr. „Nach Theresienthal wurde eingeheiratet. Der Kompagnon des letzten Poschinger, der dort saß, hat die Hütte verkauft. Dann ging sie zweimal in die Insolvenz. Heute wird sie als Kapitalgesellschaft geführt.“

Wäre es für die Familie von Poschinger eine Option gewesen, die zum Verkauf stehende Glashütte zu erwerben? „Nein,“ sagt Benedikt Poschinger, „eine Glashütte reicht.“

Es gibt keinen besseren Ort um ein Gespräch über Tradition und Geschichte der Glasmanufaktur von Poschinger zu führen, als den Raum der „das Gedächtnis der Hütte“ genannt wird. Hier sind die Entwürfe und Zeichnungen aus mehreren hundert Jahren archiviert. „Wenn ein Kunde käme, und nach etwas Altem fragte“, so der Freiherr, „würde er es hier finden. Nicht die Form selber, in der das Glas geformt wird, denn diese Formen sind aus Holz und gehen irgendwann einmal kaputt. Aber die Schnitte und technischen Formzeichnungen sind in Zeichenbüchern und Ordnern archiviert. Und für manchen Designer ist dieses Durchblättern durch die Jahrzehnte eine Inspiration.  Manchmal holt man eine Form hervor, die plötzlich wieder sehr aktuell ist. Diese Dinge sterben nie.“

Durch die Fenster des „Gedächtnisses“ fällt der Blick auf die große Ofenanlage und die Glasbläser darum herum. Auch ihre Vorgänger – wenn auch nicht in familiärer, so doch in handwerklicher Tradition – waren bereits vor 450 Jahren an diesem Ort mit der Herstellung von Glas beschäftigt.

Manufakturen-Blog: Poschinger fertigt auch historische Karaffen und Glasgegenstände nach (Foto: Martin Specht)

Poschinger fertigt auch historische Karaffen und Glasgegenstände nach

Fotos: Martin Specht

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Scheibel eröffnet die eigene Whisky-Destille

24. August 2018, Kappelrodeck. Die Emil Scheibel Schwarzwaldbrennerei ist eine der renommiertesten Obstbrennereien Europas – ob in der Lufthansa oder in der Elbphilharmonie: Man trinkt Scheibel. ‚Macher‘ in dritter Generation ist Michael Scheibel, der mit seiner von ihm selbst über dem Holzfeuer destillierten Obstreihe „Alte Zeit“ noch einmal zusätzlich sehr ungewöhnliche Luxusbrände erzeugt. Nun hat er sich einen langgehegten Wunsch verwirklich: Michael Scheibel hat die Getreidemühle seines Großvaters zur spektakulären Whisky-Destille umgebaut – der dreijährige Single Malt ist nun abgefüllt und seit einigen Tagen auf dem Markt.

Manufakturen-Blog: Die Scheibel-Mühle für den 'Emill' in Kappelrodeck glänzt wieder (Foto: Scheibel)

Die Scheibel-Mühle in Kappelrodeck glänzt wieder

Ich kann mich noch gut erinnern, wie sprachlos ich war, als Michael Scheibel mich vor zwei Jahren über die große Baustelle führte, auf der schon fleißig gebrannt wurde – die bis zu fünfstöckigen Fachwerkgebäude (plus Kellergeschoss) direkt an der Straße, teilweise über die Acher gebaut, den Gebirgsfluss, der durch Kappelrodeck ins Tal fließt, dem Rhein entgegen. Er erzählte von den Wasserrechten, die die Entwicklung der Scheibelschen Schwarzwaldbrennerei ermöglichten. Von der Geschichte der Wassermühle, in der sein Großvater als Müller tätig war. Von den Nöten der Bauern, die in Naturalien zu zahlen versuchten. Das Herantasten ans Obstbrennen. Die sich einstellenden Erfolge. Und warum nun auch noch Whisky? Er lachte, antwortete: „Was mit der Mühle anfangen? Und: Whisky ist ein immer stärker werdender Trend.“ Als andere Obstbrenner noch eine Reise zum Schauen nach Schottland buchten, konstruierte er im Kopf bereits seine Destille…

Manufakturen-Blog: Scheibel destilliert wieder über Gold - über ein goldenes Mühlrad (Foto: Scheibel)

Scheibel destilliert wieder über Gold – zur Betonung der ‚Scheibel-Mühle‘ über ein goldenes Mühlrad

Voilà, da ist sie nun also: die ‚Scheibel-Mühle‘ mit dem eigenen Herstellernamen ‚Emill‘ (aus Emil von Gründer Emil Scheibel und der englischen ‚Mill‘) mit den zunächst zwei Abfüllungen ‚Stockwerk‘ (46 %, EUR 75,00) und ‚Kraftwerk‘ (58,7 %, EUR 85,00), deren Pate Bernhard Stöhr ist, Barchef in der ‚Traube Tonbach‘ und Genussbotschaft Baden-Württembergs: Sie schmecken „Aromen von Blütenhonig und Karamell, Röstaromen von Kaffee verfeinert mit Holzrauch trockener Rinde“.

Manufakturen-Blog: Michael Scheibel (r.) und Chef-Destillator Frank Blechschmidt bei der feierlichen Taufe der ersten Abfüllung (Foto: Scheibel)

Michael Scheibel (r.) und Chef-Destillator Frank Blechschmidt bei der feierlichen Taufe der ersten Abfüllung

Deutsche Whiskys sind stark im Kommen – es gibt bereits an die 300 Abfüllungen im deutschsprachigen Raum, „aber wir gehören zu den wenigen, die eine wirklich eigene Destille haben“, sagt Lisa Koch, bei Scheibel für das Marketing zuständig. Was machen viele Andere? Sie lassen abfüllen oder brennen den Whisky in der gleichen Brennblase, wie ihre anderen Brände – möglicherweise ein großer Fehler, denn bei Scheibel vermutet man, dass die Raucharomen des Malzes alles überlagern und die Obstbrennerei lahmlegen würden.

Wie dem auch sei – die neue Destille steht jetzt solitär und unabhängig auch für sich da. Ein spektakulärer Bau, in dessen neuem großen Veranstaltungsraum man durch Glasfenster im Boden den Fluss unter sich durchrauschen sieht. In ihm findet am 9. und 10. Mai 2019 das 11. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen statt, auf dem der Frage nachgegangen wird, in wieweit Manufakturen und andere verwandte Produktionsformen eine Art Widerstandsbewegung gegen Beliebigkeit, Shareholder-Value-Industrie, virtuelle Marken und Globalisierung sind – das passt sehr gut zu Scheibel, wo man alles gerne etwas grundsätzlicher angeht!

Manufakturen-Blog: EMILL 'Stockwerk' und 'Kraftwerk' sind die beiden Neuen aus dem Hause Scheibel - Schwarzwald-Whiskys (Foto: Scheibel)

EMILL ‚Stockwerk‘ und ‚Kraftwerk‘ sind die beiden Neuen aus dem Hause Scheibel – Schwarzwald-Whiskys

Fotos: Emil Scheibel Schwarzwaldbrennerei

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Meissen: Der Mug soll es richten

1. August 2018, Meißen. Das deutsche Porzellanheiligtum Meissen – Erfinderin des europäischen Porzellans (im Jahr 1710), Service und Figuren (von Blümchen bis zweimeterhoch), meistens tief in den roten Zahlen (im Jahr 2016 17,4 Mio. Euro Verlust bei 38,7 Mio Euro Umsatz). Eigentümer: der Freistaat Sachsen (übersetzt: wir Steuerzahler). Und immer auf der Suche nach der Lösung: Wie kommen wir in die schwarzen Zahlen? Wie überleben wir den nächsten Generationenwechsel? Wie erwecken wir das Interesse für deutsches Manufakturporzellan bei jungen Menschen? Was ist ‚handgemalt‘ wert in Zeiten des 3D-Drucks? Derzeit befeuert Meissen den „Mug“, den Kaffeebecher – die große Kaffeetasse fürs Büro ab 49 Euro Verkaufspreis.

Auffällig war ja schon Meissens neuer Messestand auf der Ambiente 2018 in Frankfurt: Ausgediente Gipsformen aus dem Formenarchiv waren kunstvoll zu Wänden für einen Besprechungsraum auf dem Messesstand verbunden. Dann auf der linken Seite modernisierte und historische Großplastiken – auf der rechten Seite Gebrauchsporzellan, meistens in Weiß. Wenn man so will: eine zeitgemäße Ansprache von Architekten und Designern, ohne das klassische Publikum vor den Kopf zu schlagen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich

Und dann die offensive Bewerbung eines Allerwelts-Gegenstandes, des Kaffeebechers, des „Mugs“ im Internet. Auf der offiziellen Meissen-Instagram-Seite ‚meissen_porcelain‘ heißt es in der Seiten-Beschreibung derzeit: „Discover our new Meissen Mug Collection now.“

Kann der Kaffeebecher für Meissen stehen? Ist ‚Becher‘ nicht eher Könitz? Oder ist das schon: „In der Not frisst der Teufel Fliegen?“ Die Begriffe „Meissen“ und „Not“ so dicht bei einander zu schreiben – gruselig. Denn Meissen ist doch eindeutig Deutsches Kulturgut, eine der bekanntesten deutschen Konsumgütermarken, zumal noch eine staatliche Manufaktur (Gründer: August der Starke), Teil unserer deutschen DNA. Vor der KPM (Gründer: Friedrich der Große), vor Fürstenberg (Gründer: Carl I. Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel) und Nymphenburg (Gründer: Kurfürst Max III. Joseph).

Andererseits: Kann ein Unternehmen wie Meissen mit 660 Mitarbeitern darauf verzichten, sich möglichst breit aufzustellen und das Risiko weit zu streuen? Zeigt der Kaffeebecher – ab 49 Euro „nur“ – nicht, dass Manufakturporzellan aus Deutschland nicht sooo teuer ist? Dass sich die sogenannte ‚breite Masse‘ Meissen leisten können könnte? Und bedeutet Umsatz nicht auch Beschäftigung?

Der Kaffeebecher ist kein schlechter Zug: Kaffee und Tee trinkt jeder. Der Becher schreit nach keiner zusätzlichen Untertasse. Er übt auch keinen sozialen Kaufdruck nach „mehr“ aus – wie das Service. Man kann ihn ungeniert als Solitär kaufen und besitzen. Er trennt nicht wirklich wohlhabend von arm. Schade ist, dass es ihn vorerst nur in der Version für 0,25 l gibt – für den Teebeutel dürfte es auch eine Version in der Größe 0,5 l geben… aber da sind ja auch noch die Teekannen, die verkauft werden wollen. Und die Becher sind ein Meissen-Eigengewächs der Kreativdirektoren Otto Drögsler und Jörg Ehrlich „und den Manufakturisten“, wie es im Prospekt zum Projekt heißt.

Für den Handel hat Meissen einen Aufsteller entwickelt – mit ihm können die Mugs gut präsentiert werden. Und die sind sehr unterschiedlich – von den schlichten ‚Schwertern‘ als Relief unter einer Klarglasur (49,00 Euro) bis zur Chinoiserie (399,00 Euro) und zum aufwendigen Tropischen Vogel (499,00 Euro). Besonders fallen zwei Becher mit dem internationalen Friedenszeichen ‚Peace“ auf – in Gelb oder Grün, jeweils von zwei meissenklassischen grauen Ming-Drachen umschlungen für jeweils 69,00 Euro… Wenn man bedenkt, dass sie im hochwertigen Handdruckverfahren ausgearbeitet wurden, sind das doch sehr erstaunliche Preise.

Manufakturen-Blog: Aufsteller für die Mugs im Handel (Foto: Wigmar Bressel)

Aufsteller für die Mugs im Handel

Immerhin findet seit der Ambiente schon Verkauf statt. „Am Besten verkauft sich derzeit der Becher mit der Aufschrift ‚This is Meissen‘ – das hat uns schon erstaunt“, sagt Bianca Herbst, PR-Managerin der Porzellanmanufaktur, „überhaupt gibt es regionale Unterschiede. In manchen Städten verkauft sich das Motiv ‚Adam‘ besser, in anderen die ‚Kisses on Meissen‘ – wir nehmen dies zur Kenntnis und freuen uns darüber.“ Und mögen auch viele von ihnen ihre Verwendung dann doch vermutlich eher im Homeoffice finden…

Fotos: Wigmar Bressel

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RTL Nord zu Gast bei BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände

Manufakturen-Blog: Frontfrau der Brenner-Szene - Birgitta Rust Schulze van Loon produziert in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel (Screenshot von: RTL Nord)

12. April 2018, Bremen. RTL Nord zu Besuch in norddeutschen Manufakturen… Da darf die Frontfrau der Brenner-Szene – Birgitta Schulze van Loon – natürlich nicht fehlen. Die frühere Spezialistin in der Finanzbranche nutzte die Wirtschaftskrise im Jahr 2009, akzeptierte ein Abfindung – und erlernte das Obstbrennen in Franken. Seit dem Jahr 2012 produziert sie unter ihrem früheren Namen BR Birgitta Rust – Piekfeine Brände mit ihrem Team in Bremen mehr als 40 verschiedene Brände für den Handel.

Die Urkunde erhielt sie übrigens aus den Händen des heutigen bayerischen Landwirtschaftsministers Helmut Brunner (CSU), der auf dem 10. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen übrigens das Grußwort der Bayerischen Landesregierung spricht.

Birgitta Schulze van Loon nahm auch schon erfolgreich am Wettbewerb zum ‚Manufaktur-Produkt des Jahres 2015‚ teil – mit ihrem dreifach destillierten Gin ‚Triple Peak‘ mit dem Botanical ‚Earl Grey Tee‘ wurde sie Dritte im Lebensmittel-Bereich.

Hier der Link zum Fernsehbeitrag von Roland Rickelmann vom 27. September 2017 – Sie werden weitergeleitet zum Archiv on RTL Nord…

Screenshots vom Beitrag von RTL Nord

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Die Manufakturen-Trends der ‚Ambiente 2018‘: Designer, Namen, Lebensgefühl

10. März 2018, Frankfurt am Main. Peter Raacke ist wieder da – und Mark Braun allerorten in der Manufakturen-Branche unterwegs. Das ist eine Möglichkeit, den Rückblick auf die ‚Ambiente 2018‘ zu beginnen… Manufakturen und Designer – auch kleine Unternehmen nutzen die Ideen bekannter Produktentwerfer. Nehmen das Geld in die Hand, und lassen sich neue Dinge kreieren, die ihnen auf dem schnellebigen Markt der Konsumgüter ein Standing verschaffen sollen. Das Produkt soll perfekt sein – und vom eigenen Betrieb in Deutschland gefertigt. Manchmal wird auch ‚nur‘ der große Name eingekauft und genutzt oder ein Lebensgefühl entworfen und gezeigt – Händler und Kunden wollen Geschichten, das ist nun einmal so.

Peter Raacke (Jahrgang 1928) ist der Designer des Bestecks „Mono A“ – es war das erste Besteck von Mono, das aus einem Blech gestanzt wurde. Mono wurde mit dem Besteck berühmt – es erhielt sogar im Jahr 1999 seine eigene Briefmarke. Im Jahr 1962 entwickelte Raake mit dem Großonkel Herbert des heutigen Firmenchefs Wilhelm Seibel das Besteck „Mono Ring“, das Besteck zum Aufhängen am eigenen Ständer, der auf dem Esstisch stehen bleiben kann, – mehr als eine Million Besteckteile wurden in den folgenden dreißig Jahren verkauft; bis das Besteck mit seinem Kunststoffgriffen an der Inkopatibilität mit Geschirrspülmaschinen scheiterte.

Es folgte eine lange Pause. Im vergangenen Jahr erfolgte die Auftragsvergabe an den in Berlin arbeitenden Designer Mark Braun (Jahrgang 1975): „Mono Ring“ neu entwickeln, von Peter Raacke abgesegnet. Braun ist inzwischen für eine ganze Reihe von Manufakturen tätig geworden – Nomos („Metro“-Reihe, „At work“), Lobmeyr („Fortune“, „TS283“), Mühle (Rasierset „Hexagon“ – Manufaktur-Produkt des Jahres 2017), derzeit auch für Feingerätebau K. Fischer tätig – und eben auch für Mono.

Heraus kam ein voll-geschirrspüler-taugliches Besteck. Verändert wurde auch die Klinge (damit man mit ihr besser Brote schmieren kann) sowie leicht veränderte Griffe in fünf Farben; raffiniert mit Glasfasern verstärkter Polymer sowie unsichtbare Glaskugeln, die für mehr Gegengewicht zum Stahlvorderteil sorgen. Diese fertigt Mono in der bekannten sorgfältigen Weise selbst – für den Kunststoffgriff suchte man sich einen Spezialisten als Partner, der in Velbert sitzt.

Manufakturen-Blog: "Mono Ring" ist wieder da - die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

„Mono Ring“ ist wieder da – die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

Das Gewinnen von Design-Wettbewerben ist auch eine Spezialität der Brüder Hartmut und Volker Gehring. Die Schneidwaren-Manufaktur Gehring hat den heute allerorten anzutreffenden Damaststahl vor vielen Jahren in die Kochmesser-Produktion eingeführt und ist der größte deutsche Importeur japanischen Hochleistungsdamaststahls. Im Solinger Familienunternehmen ist Volker Gehring der Produktdesigner „inhouse“. Und er hat immer neue Ideen – auf der Ambiente wurde das frisch vom Rat für Formgebung – German Design Council prämierte Messerset „Wave“ gezeigt: German Design Award Winner 2018. Herzlichen Glückwunsch!

Manufakturen-Blog: Gehrings Messerserie "Wave" gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings Messerserie „Wave“ gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Einmal um die Ecke rum in Halle 3.1 steht Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur. Der hat die neue gerade Linie jetzt aus drei Millimeter starkem Kupferblech geformt – nochmehr Masse gegen das mögliche Problem des Verformens in der Produktion.

Auch im Porzellan-Bereich wurde ein großer Name lizensiert: Bei Pablo Picasso (1881 – 1973) durfte die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1799) nun Anleihen machen – die Serie heißt „Dinner with Picasso„; aber auch zwei sehr auffällig dekorierte Becher der Serie „Wunderbar“ (0,4 l Inhalt, ca. EUR 39,00 uvp.) stachen mir ins Auge.

Manufakturen-Blog: Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit "Wunderbar" aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit „Wunderbar“ aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Ein paar Gänge weiter der eindrucksvolle neue Stand von Meissen – eine Leistungsshow aus Großteilen umrundet zwei Seiten, während scheinbar achtlos zusammengestelltes Porzellan auf einem langen Tisch den Kontrapunkt setzte. In der Mitte ein Besprechungsraum in Werkstattoptik – soviel Humor war mir bisher bei der Ur-Manufaktur aus Sachsen nicht aufgefallen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Manufakturen-Blog: Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos - folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos – folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Dann natürlich Dibbern: Die gut 50 Jahre junge Gründung aus Bargteheide mit eigenem großen Werk in Hohenberg an der Eger (Ex-Hutschenreuther) bot auf der einen Standseite die Serie „Pastell“ an, deren Name Programm ist, auf der anderen Standseite ein neues Dekor für die Fine-Dining-Linie: „Palm Beach“; die Weiterentwicklung des von den Händlern unverstandenen „Miami“.

Auch ein neues Accessoire probiert Dibbern aus – den Champagner-Becher, z. B. im Innendekor „Purple Titanium“. Champagner und Becher – das kennt man von Fürstenberg, bei denen die wahnsinnig zarten Becher Champagner viel besser unterstützen, als man es beschreiben kann; und bei Fürstenberg sind die Becher das bestverkaufte Geschenk. Nun also auch Dibbern. Nach zwei großzügigen Bechern Champagner kann ich sagen, dass das dunkle Innenleben des Bechers meine Geschmacksnerven animierte, mich stärker auf die angenehm herben Aromen des Getränks zu fokussieren – in der Hitze der Messehalle 4 eine köstliche Erfrischung!

Manufakturen-Blog: Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier "Purple Titanium" (Foto: Wigmar Bressel)

Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier „Purple Titanium“ (Foto: Wigmar Bressel)

Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch die Show am Stand der Solinger Messermanufaktur Böker Baumwerk: Das im Jahr 1869 gegründete Unternehmen (das älteste Warenzeichen ist aus dem Jahr 1674 verbrieft) der heutigen Eigentümerfamilie Felix-Dalichow bietet ja eine große Bandbreite an Produkten – 356 Seiten hat allein der Hauptkatalog in Dünndruck. Böker hat ein weiteres eigenes Werk für Jagd- und Outdoormesser in Argentinien – diese Messer laufen unter der Marke Böker Arbolito. Sehr günstige Linien lässt man in Europa, Amerika oder Asien für die eigene Marke ‚Magnum by Böker‘ produzieren und kommuniziert das auch. Dann gibt es natürlich neben Kochmessern die Jagdmesser, die die meisten Menschen mit Böker verbinden – für 50 bis 1000 Euro, erkennbar an den Markennamen ‚Böker Plus‘ und ‚Böker Manufaktur‘. Aber ebenfalls bei Böker selbst gefertigt werden Rasiermesser (die passenden Pinsel kommen übrigens von Mühle); für das Thema Rasur gibt es einen eigenen 60-seitigen Katalog. In ihm heißt es: „Was die Böker Manufaktur mit dieser Szene teilt, ist die Tradition, der unbedingte Wille zur handwerklichen Perfektion und die Leidenschaft für das, was wir tun. Ein wichtiger Bestandteil hiervon ist der ständige Austausch mit anderen Fachleuten und Liebhabern über den Gegenstand, der uns verbindet.“

Und auf der Ambiente hatte man bei Böker am Stand zur Ankurbelung dieses Segments einen eigenen Barbershop aufgebaut – wer wollte, konnte sich vom professionellen Barber rasieren lassen. Es wurde reger Gebrauch gemacht… und zeigt, dass man auch ohne große Namen auskommen kann, wenn man es versteht, ein Lebensgefühl genau auszudrücken und die Menschen, die darin leben, zielgenau anzusprechen.

Manufakturen-Blog: Der Meister bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

Barbier Santos bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

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Leysieffers Kapselmaschine liefert Schaum aus frischer Milch kontakt- und reinigungslos

10. Juni 2017, Bremen. Kleine große Marke: Unter dem Lizenznamen von Deutschlands bekanntestem Manufaktur-Chocolatier – Leysieffer aus Osnabrück – ist seit einem Jahr die markeneigene „Premium-Kapselmaschine mit innovativem Milchschaumsystem“ auf dem Markt. Innovativ heißt: Der Milchschaum wird von der Maschine kontaktlos aus frischer Milch jeder Wahl erzeugt – ohne großen Reinigungsaufwand für den Nutzer. Ideal fürs Büro, wo sich vielleicht niemand so richtig für die Reinigung der herkömmlichen Aufschäumrüssel verantwortlich fühlt. Via Blogger soll jetzt in den ‚sozialen Netzwerken‘ nochmal die Bekanntheit erhöht werden. Ich bekam auch eine Maschine zum Testen zugeschickt.

Die Frage ist ja immer: Was will man – und was kann man? Leysieffer ist ein niedersächsisches Unternehmen, das mit rund 120 Mitarbeitern für Schokolade und Pralinen steht, die über eigene Geschäfte und den Einzelhandel sowie Konditoreien vertrieben werden. Klar, wer Schokolade sagt, der muss auch das korrespondierende Kaffee-Geschäft mitnehmen. Doch statt selbst das Kaffeerösten zu erlernen, hat Leysieffer das Geschäft lizensiert.

So kümmert sich die Hanseatische Kaffee GmbH aus Bremen um Leysieffers Kaffee. Der wird in Italien geröstet und verpackt. Seit einigen Jahren natürlich auch sehr wohlschmeckender Kapselkaffee, für den man ein eigenes Kapselsystem entwickeln ließ, das bewusst unkompatibel gestaltet wurde – dafür für den Kaffee perfektioniert in der Zubereitung sein soll (Leysieffer bietet parallel jedoch auch Kaffeekapseln für das Nespresso-System an – auf „vielfachen Kundenwunsch“, wie es heißt).

Aber nun hat das Leysieffer-System exklusiv die Besonderheit des „innovativem Milchschaumsystems“ bekommen und soll die Kunden animieren, doch auf das Leysieffer-perfekte System zu wechseln.

Die wichtigsten Fragen lauten: Und – funktioniert Milchschaum aus frischer Milch ohne Rüssel und Milchtank, ohne Reinigungsaufwand? Und wenn ja – wie?

Antwort: Ja, es funktioniert ganz gut. Wenn man ein paar kleine Dinge beachtet, die schon über das Ergebnis mitentscheiden. Hört sich das nach einem ‚Aber‘ an? Entscheiden Sie selbst…

Vielleicht zuerst einmal, wie das Aufschäumen funktioniert: Die kalte Milch – Vollmilch, Sojamilch, Mandelmilch, laktosefrei oder nicht – wird einfach in die Tasse gefüllt, 50 bis 60 ml werden empfohlen. Für mich passt das. Die Tasse stellt man an die erwartete Stelle an der Maschine.

Dann wird auf den Aufschäum-Knopf an der Maschine gedrückt – Wasser wird stark erhitzt und als sehr feiner Strahl mit hohem Druck in die kalte Milch eingespritzt; diese dehnt sich auf etwa das doppelte Volumen aus und bildet an der Oberfläche etwa zwei bis vier Zentimeter hohen Schaum aus.

Anschließend lässt man eine oder mehrere Kapseln Kaffee in die Tasse laufen.

Wichtige Erkenntnis: Der Schaum baut sich höher auf, wenn man eine engere Tasse wählt (ich – als Niedersachse – habe einen doppelwandigen Reliefbecher aus der Touché-Serie ‚unserer‘ Porzellanmanufaktur Fürstenberg gewählt) – außerdem spritzt es seltener über den Rand. Aber auch für Cappuchino in der breiten, offenen Tasse ist der Schaum akzeptabel. Man muss ja immer berücksichtigen: Der Reinigungsaufwand für den Milchaufschäumer entfällt – und bekanntlich entscheidet Aufwand doch in der Regel über verlässliche Ergebnisse im Leben. Bei Leysieffer gibt es also akzeptablen Schaum per Knopfdruck ohne weiteren Aufwand. Das ist schon gut.

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Die Maschine ist auch ganz schön designt: Es gibt sie in – die einen sagen: applefarbigem, die anderen: Startrooper-farbigem – Schwarz-Weiß oder Schwarz für 199,00 Euro uvp im Handel und im Internet.

Vom Hersteller wird empfohlen, Wasser- und Kapselbehälter nicht in den Geschirrspüler zu stellen – aus Angst vor Verfärbungen der schönen Kunststoffe.

Fazit: Frischmilchschaum auf Knopfdruck ohne Reingungsaufwand wird unter dem Namen Leysieffer erbracht – kann man also kaufen.

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Dr. Birgit Bornemeier: „Kaum jemand hat bereits deutsche Whiskys probiert oder weiß von der Vielfalt an Angeboten“

17. November 2016, Detmold. Auf dem 1. Brandenburger Manufakturentag habe ich Single Malt Whisky mit dem schönen Namen „Der Kolonist“ von der Burger Hofbrennerei  getrunken. Eindeutig ein Single Malt – aber doch ganz anders, als die bekannten Schotten. Welche Chance hat wohl ein dreijähriger Brandenburger Whisky auf dem Markt, zumal mit einem Preis von EUR 48,00?  Jetzt naht die Messe ‚Bottle Market‘ (18.-20. November 2016) in Bremen. Vor einem Jahr habe ich Dr. Birgit Bornemeier auf dieser Messe kennengelernt – eine der Fachleute in Deutschland für Whisky. Denn die promovierte Geographin aus Detmold führt seit vielen Jahren erfolgreich ihr Reiseunternehmen ‚Reisekultouren‘, das sie gründete, um Whisky-Genießer quer durch Schottland und die Welt zu lotsen. Ich habe sie angerufen und zu deutschem Whisky interviewt.

Frau Dr. Bornemeier, ist deutscher Whisky inzwischen für den erfahrenen Whiskytrinker ‚interessant‘?

Dr. Bornemeier: Das Spannende am Whisky ist die extreme Vielfalt. Wer „nur“ schottisch trinkt, der verpasst etwas.

Wir sind als Reiseveranstalter auf Whiskyreisen spezialisiert. Qualität und Geschmack der Destillate sind für unsere Arbeit natürlich wichtig, denn sie sind der Dreh- und Angelpunkt, an dem sich das Interesse der Genießer verankert. Für mich zählt jedoch insbesondere der Erlebniswert: Wer sind die Macher? Wie kommen sie dazu, ausgerechnet Whisky herzustellen und wie genau wird produziert? Was ist das Besondere der jeweiligen Destillerie? Das ist für mich als Reiseveranstalter wichtiger als eine tasting note, denn Aromen kann man auch zuhause auf dem Sofa entdecken, dafür braucht es keine Reise. Viele deutsche Brenner sind sehr kreativ, experimentieren mit Getreide, mit Torf oder legen den Whisky einfach mal im Watt vor Sylt in den Schlick.

Ich komme aus der Geographie und erlebe Whisky als ‚Landeskunde im Glas‘. Whisky spiegelt ein Stück weit die Region, aus der er stammt. Deutschland ist meines Erachtens im Zusammenhang mit Österreich, Liechtenstein und der Schweiz zu sehen. In diesen Ländern gibt es eine lange Tradition speziell für Obstbrände, die ein sehr sauberes Verfahren und viel Expertise voraussetzen. Unsere Brenner steigen also auf einem hohen Level in die Whiskyproduktion ein. Zudem ist die Brenntechnik eine andere und dies bedingt andere Geschmacksnoten und Charakteristika. Es geht nicht darum, einen schottischen Whisky zu kopieren. Wer das erkennt und offen für Neues und Anderes ist, kann im deutschsprachigen Raum viel Interessantes entdecken.

Wie sehen Sie den Whisky-Produktionsstandort Deutschland – im Vergleich zu Schottland, den USA oder Japan?

Deutschland hat sich als Whisky-Produktionsstandort in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Als ich vor 10 Jahren begann, Whiskyreisen anzubieten, da war deutscher Whisky auf Fachmessen kaum ein Thema. Konnte jemand fünf Brennereien benennen, dann war das viel. Hatte tatsächlich jemand probiert, dann tendierte das Feedback oft in Richtung „untrinkbar“. Dabei klangen noch viele Vorurteile durch. 2013 präsentierte der Kartenverlag Alba Collection dann seine erste „D-A-CH“-Whiskykarte und visualisierte damit eine unglaubliche Zahl von zunächst 161 Whisky produzierenden Betrieben. Auf der Karte, auf Messen und in den Medien wurde deutscher Whisky sichtbar und das Interesse nahm in der Folge spürbar zu. Inzwischen sind auf dieser Whiskykarte 260 Betriebe verzeichnet, davon allein 170 in Deutschland.

Manufakturen-Blog: die Whisky-Destillen-Karte für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Alba Collection (Foto: Alba Collection)

Manufakturen-Blog: die Whisky-Destillen-Karte für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Alba Collection (Foto: Alba Collection)

Mittlerweile ist deutscher Whisky in der mental map der deutschen Whiskyenthusiasten, auf Whiskyfestivals, in Bars und heimischen Barschränken angekommen. Dahinter steckt mächtig viel Engagement seitens der Macher, die notwendige Zeit zur Reife der Destillate, natürlich viel Marketing und Öffentlichkeitsarbeit – aber auch ein „drink local“ und die Neugierde der Konsumenten. Dabei darf man die Größe der Betriebe nicht außer Acht lassen: Im Vergleich von D-A-CH mit Schottland tritt David gegen Goliath an. Ich habe in der Schweiz Brennereien gesehen, wo zwei Fässer Whisky neben einer Kiste Cola und den Nutella-Gläsern der Familie lagern. Ich war im Fasslager des größten deutschen Whiskyproduzenten, in dem noch eine Extra-Balkenlage direkt unter dem Dach eingezogen wurde, um den nötigen Platz für Emmer- und Dinkel-Whisky zu schaffen. Gegen Giganten wie Glenfiddich oder Glenlivet ist das alles „micro“ und oft experimentell. Gerade das macht den besonderen Reiz aus. Die Stärke des deutschsprachigen Raumes sehe ich in der Brenntradition, die in Familien seit Generationen gepflegt wird. Das ist etwas Besonderes.

Hervorragender, guter und weniger guter Whisky wird mittlerweile in unzähligen Ländern produziert. In Schottland produzieren im Moment 115 Betriebe, in Irland 18. Beide Länder werden i.d.R. an vorderster Stelle genannt, wenn es um Whisky geht. Dann folgen USA und Japan.

Kürzlich ist eine USA-Whiskykarte erschienen. Dass es dort viele Produzenten gibt, ist bekannt, doch eine Zahl von über 800 Brennereien erstaunt dennoch. Japanischer Whisky erlebte im Herbst 2014 einen überraschenden Hype. Internationale Medien

hatten eine Pressemitteilung des Whiskyexperten Jim Murray aufgriffen, der ein spezielles Bottling von Yamazaki als weltbesten Whisky auszeichnete. ZEIT- wie BILD-Leser wussten plötzlich, dass japanischer Whisky viel besser sei als schottische Brände – und generalisierten. Whiskyshops wurden daraufhin über Nacht mit sprunghaft gestiegener Nachfrage konfrontiert und Japan war in aller Munde. Dass auch in Indien und Taiwan sehr viel beziehungsweise guter Whisky hergestellt wird, damit kann man selbst Besucher von Fachveranstaltungen, wie den einschlägigen Whiskyfestivals, immer noch überraschen.

Wir haben für unsere Reisegäste einmal ein Tasting mit Jim Murray arrangiert, für das Whiskykenner und Enthusiasten aus ganz Deutschland den weiten Weg zu uns in den Teutoburger Wald reisten. Es war ein blind tasting. Von 100 Gästen hatte niemand zwölf Richtige. Wir fragten lediglich nach Produktionsländern, nicht nach Whisky-Destillerien! Die meisten tippten im Zweifelsfall auf Schottland. Peated Malt muss von Islay sein und wenn ihn ein Jim Murray präsentiert, dann ist es bestimmt ein Ardbeg… Was beeinflusst den individuellen Geschmack? Die romantisierte Fasslagerung im Warehouse am Meer oder Wasser, das durch Islay-Torf sickerte? Die Grenzen sind in den Köpfen.

Ist Whisky Ihrer Meinung nach ein kurzeitiger Hype? Oder ist das Entstehen von immer mehr Destillen nachhaltig?

Für einen Hype hält die Nachfrage schon zu lange an und das rasante Wachstum von neuen Destillen und Erweiterungen geht weiter. Das Rechercheteam von Alba Collection meldete gerade für Schottland 37 und für Irland 23 Neubauprojekte. Auch neue Whiskyevents und Messen entstehen überall und es ist kein Ende in Sicht. Auf der anderen Seite hört man in der Szene längst Stimmen, dass es nicht ewig so weiter gehen kann und sehr bald ein Kollaps einsetzen wird.

Es gibt sicherlich einen breiten Markt von Whiskykonsumenten, die Whisky trinken, weil es gerade ‚in‘ ist oder mal reinschnuppern, weil sie darauf aufmerksam wurden. Andere sammeln – entweder aus Passion oder als Geldanlage. Für die Mehrzahl unserer Gäste ist Whisky jedoch viel mehr, als nur ein Hobby. Es ist ein genussvoller Lebensstil. Das Thema ist ziemlich komplex und wer sich auskennen möchte, der wird viel lesen, viel fragen und eine Menge Zeit und Geld investieren.

Welche Anforderungen müssten deutsche Whisky-Destillen erfüllen, damit es für ein professionelles Reiseunternehmen wie Reisekultouren interessant wird, diese „anzusteuern“?

Erlebniswert und Exklusivität. Eine einzelne Destillerie mit Besucherzentrum und zwei bis drei Tastingvarianten ist im Rahmen einer klassischen Busrundreise ein Programmbaustein oder ein Schwerpunktbesuch. Das gilt in Schottland wie in Deutschland, doch das ist nicht unser Markt. Unsere REISEKULTOUREN-Signature-Tours gehen das Thema Whisky sehr viel spezieller an. Für die Reisetechnik ist wichtig, dass sich mehrere Betriebe zu einer inhaltlich interessanten und abwechslungsreichen Tour vernetzen lassen, ohne dass allzu große Distanzen überbrückt werden müssen. Insbesondere in Süddeutschland wäre das möglich. Es gibt bereits Wanderungen, die mehrere Destillerien als Tagesprogramm gemeinsam auflegen. Das ist eine prima Idee, doch hierfür braucht man keinen Reiseveranstalter wie uns. Solche Angebote werden in der Regel von Gästen direkt gebucht, zumal wir in Deutschland keine Hemmschwelle wie Sprachbarrieren oder das Fahren auf der vermeintlich falschen Straßenseite haben.

Der Erlebniswert ist wichtig und da sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Doch ohne eine Exklusivität im Produkt werden wir von Direktbuchern kopiert. Interessant wären für uns also Angebote, die sich exakt am Interesse unserer sehr interessierten Gäste orientieren und die tatsächlich ausschließlich über uns buchbar sind.

Können sich deutsche Destillen bei Ihnen darum bewerben, als Reiseziele aufgenommen zu werden? Wäre das nicht für ausländische Whisky-Fans spannend? Kurz: Wann nimmt Reisekultouren die erste geführte Reise zu deutschen Destillen ins Programm auf?

Gegenfrage: Sind Sie der Meinung, dass deutscher Whisky im Ausland bereits ausreichend bekannt ist, um ein thematisches Reiseinteresse auszulösen? Ich habe oft Samples von D-A-CH-Whisky- bzw. deutsche Whiskykarten bei mir, wenn ich in Schottland reise. Damit kann man stundenlange Gespräche anzetteln, denn kaum jemand hat bereits deutsche Whiskys probiert oder weiß von der Vielfalt an Angeboten. Wenn eine Flasche in einem spezialisierten Pub oder einer Bar steht, dann hat sie meist ein Gast mitgebracht. Ich werde dann oft geneckt, ich würde Eulen nach Athen tragen oder, wie man in Schottland sagt, Kohlen nach Newcastle.

‚Reisekultouren‘ ist Fördermitglied im Verband Deutscher Whiskybrenner und ich freue mich sehr über Kooperationsinteresse von Seiten der deutschen Whiskyszene, zumal auch bereits viele Destillateure eine meiner Studien- und Fachstudienreisen wahrgenommen haben. Wir sind durchaus schon im deutschsprachigen Raum aktiv und bieten Reisen zu den deutschen Whiskyfestivals an, auf denen immer mehr deutsche Brennereien ausstellen. Ergänzend haben wir einen Whisky- und Gin-Destillationsworkshop im Oberrheintal im Programm. Eine PKW-Rundreise zum Thema Alpine Whisky haben wir bereits 2012 entwickelt, noch bevor die Whiskys aus der Schweiz und Österreich Importeure in Deutschland hatten. Mittlerweile ist sie allerdings wieder offline gesetzt, da es gar keine Nachfrage gab.

Für eine geführte Reise zu den Destillerien im deutschsprachigen Raum habe ich bereits eine konkrete Idee zum Tourverlauf und kann versprechen, dass es ‚Landeskunde im Glas‘ sein wird, bei der wir die besonderen Facetten des deutschen Whiskys herausarbeiten werden. Doch noch ist es nicht so weit.

Danke für das Gespräch!

Frau Dr. Bornemeier ist auch in 2016 wieder auf dem ‚Bottle Market‚ – wenn Sie auch gerne einmal mit ihr fachsimpeln und sich über die Reisemöglichkeiten zu schottisschen Destillen informieren möchten: Halle 7 Stand C 46  ‚Reisekultouren‘

Fotos: Reisekultouren, Alba Collection

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Lebensmittel-Manufakturen nutzen die Messe „Fisch & Feines“ – und sind sehr zufrieden

5. November 2016, Bremen. Die Bremer Gourmet-Messe „Fisch & Feines“ (4.-6. November 2016) hat sich entwickelt… Ursprünglich mal als „SlowFisch“ und nördliche Partnerin der „SlowFood“ in Stuttgart gestartet, tat ihr die Trennung von der Genuss-Organisation SlowFood Deutschland als Messepartner offensichtlich ganz gut (SlowFood ist natürlich trotzdem auf der Messe vertreten). Inzwischen ist sie rund. Die Laune der Aussteller und Besucher prächtig – darunter einige, teilweise renommierte und prämierte Lebensmittel-Manufakturen. Vorweggenommen mein Fazit: Unbedingt hingehen!

Das Lob gebührt Jürgen Fricke und seinem Team von der Bremer Messe, das die Veranstaltung über die Jahre immer weiter verfeinert hat und inzwischen immer besser passende Aussteller akquiriert. Besser auch in dem Sinne, dass diese gut zueinander passen müssen. Sich ergänzen – und die Erwartungen eines verwöhnten Publikums erfüllen. Jürgen Fricke ist auch soweit zufrieden, wie es ein Messe-Verantwortlicher während der laufenden Veranstaltung sein kann: „Wir geben uns Mühe, aus unserer Sicht passende Aussteller anzusprechen, fahren dafür auch zu interessanten Unternehmen und schauen uns die an.“

Direkt neben einem Backwarenstand in der Halle 1 steht der Lilienthaler Kaffeeröster de koffiemann – Mitarbeiterin Janin Seidel verrät grinsend: „Am Nachmittag war unser Milchvorrat erschöpft – wir hatten nicht mit solch einem großen Interesse gerechnet.“ Na ja, Milch kann man schnell beschaffen. Schlechter war es, als die Profi-Kaffeemaschine von Cimbali plötzlich den Druck nicht mehr durch die Siebe leiten wollte, Café Crema ausfiel… In einer Nachtschicht soll die Maschine wieder voll einsatzfähig gemacht werden.

De koffiemann ist ein innovativer 14-Mitarbeiter-Betrieb, der mit dem langjährigen Background des väterlichen Kaffeehandels von Cornelia Dotschat im Jahr 2009 gegründet wurde. Privatrösterei kann ja theoretisch jeder – aber Innovation ist das Stichwort, das Cornelia Dotschat zur Unternehmerin macht. Obwohl ihre Rösterei noch so jung und klein ist, hat sie im Frühjahr 2016 eine wunderbare Filterkaffee-Idee entwickelt und umgesetzt: Manufakturkaffee im Filterbeutel für eine Tasse. Das Ergebnis unter dem Produktnamen „CupIn“ bietet den tollen Geschmack des langsam gerösteten Kaffees – in Kombination mit der ständigen Verfügbarkeit bei heißem Wasser (also auch auf dem Hotelzimmer und auf Reisen). Der Einzelhandel hat schon unglaubliche Mengen davon verkauft. Dafür wurde de koffiemann vom Verband Deutsche Manufakturen im Wettbewerb um das „Manufaktur-Produkt des Jahres 2016“ mit dem „Sonderpreis Beobachtung von Trends“ ausgezeichnet.

Im September hat Dotschat nun Kapseln für das Nespresso-System in den Markt gebracht – Manufakturkaffee für das beliebte System! Von solch einer kleinen Firma… Klasse!

Ein paar Meter entfernt steht die Natura Wild Gourmetmanufaktur aus dem niedersächsischen Merzen… Was macht diesen Hersteller von Wild-Delikatessen so besonders? Jendrik-Michael Bluhm: „Wir erlegen alles Wild selbst. In unseren eigenen Revieren.“ Wenn man das hört, rechnet man im Kopf und fragt sich, wie groß dann solch ein Betrieb wohl sein kann. Ein Mitarbeiter? Oder ist das Hobby? Aber da liegt man natürlich falsch… Bluhm – von der Ausbildung her Koch und natürlich selbst Jäger: „Wir verfügen über zehntausend Hektar eigene Reviere. Da haben wir natürlich auch Berufsjäger.“ Und der Abschussplan ist bei einer so großen Fläche ja auch entsprechend hoch. Aber auch der Arbeitsaufwand für alles, was damit einhergeht: Pflege des Reviers, Hege des Wilds im Winter.

Wildfleisch wird von Natura keines zugekauft. Trotzdem arbeiten zwölf Mitarbeiter allein in der Schlachterei. Bluhm: „Wir wollen wissen, was wir verarbeiten. Wir nehmen auch nichts aus Drückjagden oder anderen Gesellschaftsjagden. Denn man schmeckt es doch, wenn das Tier zuvor Stress ausgesetzt war.“ Das Unternehmen hat große Pläne, will nun auch noch beim Schweinefleisch „autark“ werden (Wildwürste werden praktisch immer mit Schwein kombiniert, da das Wildfleisch in der Regel zu trocken für die Verwurstung ist und das Fett des Hausschweins braucht): „Wir wollen uns auch da selbstversorgen. Das dient alles der weiteren Qualitätssteigerung“, sagt Jendrik-Michael Bluhm.

Das Land Niedersachen hat die Natura Wild Gourmetmanufaktur im Jahr 2015 zum Kulinarischen Botschafter Niedersachsens erhoben – dafür reiste extra Ministerpräsident Weil nach Bremen und Verlieh die Auszeichnung auf der Fisch & Feines.

Veggie und vegan gibt es auf der Messe natürlich auch. Zum Beispiel um Obst geht es einige Stände weiter bei Elbler. Das Hamburger Unternehmen wurde im Jahr 2012 gegründet – es ging wie so oft um eine Lücke: Nach Meinung der Gründer Jan Ockert und Stefan Wächter fehlte dem deutschen Getränkemarkt dringend Deutscher Cidre. Inzwischen hat das Unternehmen mit seinen Lieferanten aus dem Alten Land (also zwischen dem niedersächsischen Stade und Hamburg-Finkenwerder gelegen) eine ganze Palette aus Cidre und Glühwein mit und ohne Alkohol aufgebaut. Christoph Marnitz erzählt am Messestand: „Alle Äpfel sind Bio, es gibt keinen Zusatz von Zucker und anderen zulässigen Dreingaben.“

Elbler hat sich rasant entwickelt, hat inzwischen zehn Mitarbeiter – und ist weltweit unterwegs. Zum Beispiel mit der „Handmade in Germany Worldtour“ des Berliner Direktorenhauses – einer Ausstellungs-Weltreise von 150 deutschen Manufakturen, Kunsthandwerkern und Designern. Nächster Stopp der Ausstellung: im chinesischen Szenzhen.

Noch ein paar Stände weiter präsentiert sich Schamel, Deutschlands berühmter Meerrettich-Verarbeiter aus dem bayrischen Baiersdorf (mehrfach ausgezeichnet als „Marke des Jahrhunderts“), ein im Jahr 1846 gegründeter Familienbetrieb mit 50 Mitarbeitern, der sich zwar nicht als Manufaktur sieht, aber trotzdem für Manufaktur-Kunden interessant ist: Neu ist Senf von Schamel, im Jahr 2015 auf den Markt gebracht. Es wäre vermutlich kein Schamel-Produkt, wenn der Senf nicht Meerrettich enthielte. Das gibt dem von mir favorisierten „Süßen Senf“ eine wunderbar pikante Note. Das Glas kostet EUR 1,50 am Messestand. Einfach mitnehmen.

Auf dem Rückweg durch Halle 2 sehe ich den Stand von Birgitta Schulze van Loon, Bremens einzige Brennerei mit dem Namen BR Piekfeine Brände, im vergangenen Jahr Drittplazierte mit ihrem Gin Tripple Peak (mit Earl Grey Tee als Botanical, und dann dreifach destilliert) beim „Manufaktur-Produkt des Jahres 2015“. In der Hand hält sie ihren neuen Rum – es ist ein Vorabzug mit handgemachtem Etikett. Schulze van Loon: „Die bestellten Etiketten sind noch nicht da. Hoffentlich kommen sie bis zum Bottle Market Bremen im Dezember.“

Der Rum ist noch jung – dafür nicht mit Zuckerkulör gefärbt. Und er hat einen schönen Namen: „Alma Norte“ – nordische Seele. Übrigens im 50-Liter-Fass der Bremer Fassfabrik Alfred Krogemann –  auch eine traditionsreiche Manufaktur – gelagert.

Ich hatte das Fazit schon vorweg geschrieben: Fisch & Feines 2016 – hingehen!

Messe-Eintritt EUR 9,00 (ermäßigt EUR 7,50)

Fotos: Wigmar Bressel

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Nachtrag 07.11.2016:

Laut Messegesellschaft hatte die „Fisch & Feines 2016“ 221 Aussteller und 37.476 Besucher; die „Fisch & Feines 2017“ ist für den 3. – 5. November 2017 angekündigt.

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