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Ambiente 2023 stellt für Manufakturen mehr Fragen, als sie Antworten gibt

8. Februar 2023, Frankfurt am Main. Nach der ‚Ambiente‘ ist vor der ‚Ambiente‘ – die von der Messegesellschaft als „größte Konsumgütermesse der Welt“ bezeichnete Ausstellung über alle 12 Hallen des Messegeländes präsentierte sich über das vergangene Wochenende nach zwei Jahren Corona-Pause gemischt: Die Hallen waren neu verteilt – die berühmte 3.1 rund ums Kochen ist nun in der 8, die hochwertige Halle 4.1 war nun in die Halle 12.1 umgesiedelt – entsprechend groß war die Skepsis bei den Frankfurt-bereiten Ausstellern unter den Manufakturen. Da der Aussteller-Katalog nicht rechtzeitig zur Messe-Eröffnung fertiggestellt war, herrschte entsprechend großes Durcheinander und viele Aussteller wurden von Besuchern nicht gefunden und für „ist nicht da“ erklärt; das immer wieder abstürzende Kassensystem und überhaupt nur vier geöffnete Kassen für Eintrittskarten im Messeturm sorgten am ersten Messetag für lange Schlangen und Wartezeiten von mehr als einer halben Stunde am Eingang. Für eine so traditionsreiche Messegesellschaft irgendwie blamabel.

Die Porzellanmanufaktur Dibbern – die letzte verbliebene große deutsche Porzellanmanufaktur auf der Ambiente – steht jetzt zwar nicht mehr linksversetzt zum Haupteingang der Halle 4.1, sondern direkt und gleichwertig neben dem Silberwarenhersteller Robbe & Berking aus Flensburg in der 12.1 frontal zu Eingang – jedoch zum rückwärtigen. „Wir sind mit dem Standplatz sehr zufrieden“, sagte Jan Dibbern am ersten Messetag.

Dibbern wurde von Bernd T. Dibbern im Jahr 1972 gegründet. Eigentlich hatte er Architekt werden wollen, hat er mir einmal erzählt – seine Eltern wollten das nicht. Er wurde Kaufmann, interessierte sich für skandinavisches Design, arbeitete für Georg Jensen in New York, erhielt die Greencard – kehrte jedoch aufgrund seiner Einberufung zum US-Militär zur Zeit des Vietnam-Krieges nach Deutschland zurück. Dort machte er sich selbständig, vertrat Itala sehr erfolgreich auf dem deutschen Markt. Als ihm der Vertrag gekündigt wurde, begann er sein eigenes Porzellan zu entwerfen: ‚Solid Color‘ entstand, wurde und wird dem Unternehmen von Schönwald produziert – knackige Farben, frei kombinierbar, seit dem Jahr 1982 erfolgreich bis heute im Handel. Für die Produktion bei Hutschenreuther, dem ältesten deutschen privaten Porzellanhersteller (seit 1814) entwickelte er seinen ganz großen Wurf – ein geradliniges Geschirr aus Fine Bone China; doch Hutschenreuther machte genau zum Produktionsbeginn im Jahr 1996 zu. Wie reagierte Dibbern? Er kaufte im Jahr 1997 mutig das stillgelegte Werk, rekrutierte rund 130 ehemalige Hutschenreuther-Mitarbeiter für Hohenberg an der Eger. Diesmal unter Dibbern. Der Rest ist Geschichte: Beim deutschen Bundeskanzler tafelt man inzwischen mit seinem Geschirr, in Hotels überall auf der Welt, auf bedeutenden Kreuzfahrtschiffen. Dibbern bekam als Retter der Porzellanfertigung im Nirgendwo von Hohenberg das Bundesverdienstkreuz. Das Unternehmen macht heute rund 20 Millionen Euro Umsatz und wird von seinen Söhnen Jan und Ben geführt – Manufaktur ist es allemal. Im März des Jahres 2022 ist Bernd T. Dibbern im Alter von 80 Jahren gestorben. Es war die erste ‚Ambiente‘ nach ihm.

Die große Frage in allen produzierenden Branchen ist natürlich auch: Welche Veränderung, welche Chancen bringt der 3-D-Druck, der seit etwa 15 Jahren in der Entwicklung ist? Das Studio ‚Migration of matter‚ aus Berlin zeigte es auf der Messe anhand von Blumenvasen: Die Schichten wurden wie bei einer Aufbaukeramik in etwa fünf Millimeter starken Strängen aufmontiert. Der Energieverbrauch ist nicht das Problem – jedoch die Zeit, die das Ganze benötigt.

Manufakturen-Blog: Gehrings neue Kochmesser-Serie 'Hugo H1' (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings neue Kochmesser-Serie ‚Hugo H1‘

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Manufakturen-Blog: Das Geschirr 'Solid Color' von Dibbern in frischen Farben für das Jahr 2023 (Foto: Wigmar Bressel)

Das Geschirr ‚Solid Color‘ von Dibbern in frischen Farben für das Jahr 2023

Manufakturen-Blog: Ein Teil von Dibberns Produktion in Hohenberg an der Eger (Foto: Wigmar Bressel)

Ein Teil von Dibberns Produktion in Hohenberg an der Eger

Manufakturen-Blog: Vasen aus dem 3-D-Drucker von Matter of Migration Studio (Foto: Wigmar Bressel)

Vasen aus dem 3-D-Drucker von Matter of Migration Studio

Der Vorteil: Man muss nicht töpfern können, um die Vase herzustellen – dafür jedoch computeraffin sein und sich für Auto-CAD interessieren. Gebrannt wird klassisch. Mit vergleichbaren Preisen um die 120 Euro für die Endkunden ist 3-D also keine Gefahr für die Porzellanmanufakturen und schon garnicht für die Industrie mit ihrer Ausbeuter-Keramik aus dem sogenannten ‚Globalen Süden‘ oder Asien; eher eine Ergänzung. Die Entwürfe dieses Studios zeigen ihre Drucker-Herkunft ganz deutlich – es erinnert einstweilen an Termiten-Hügel und passt zum beliebten Ethno-Look.

In der neuen ‚Kochen‘-Halle 8 fand man die baden-württembergische Kupfermanufaktur Weyersberg. Marc Weyersberg ächzst mit seinem Acht-Mitarbeiter-Unternehmen unter den Messekosten, insbesondere der Messebau hat sich preislich verdoppelt: „Das darf nicht so weitergehen, das können wir sonst nicht mehr stemmen.“ Die Kupfermanufaktur hat gemeinsam mit der Messerschmiede Güde aus Solingen (Weyersberg ist selbst Solinger) eine Messerserie mit Kupfergriffen entwickelt. Sieht wunderbar aus, ist antibakteriell. Haken an der Sache: Das kleine Unternehmen kann die Nachfrage wieder einmal nicht befriedigen. Und: Güde – dorthin hätte man ungeduldige Händler ja verweisen können – passte die neue Halle und ihr Standplatz nicht, war erst gar nicht vertreten.

Dagegen erste Zufriedenheit am Stand der Solinger Messermanufaktur Gehring, die mit eigenem Standbau reist: Zu Ehren des Firmengründers Hugo Gehring wurde von den Söhnen Volker und Hartmut (seit dem Jahr 2007 Geschäftsführer) eine Messerserie ‚Hugo – H1‘ mit geschwungenem schwarzen Holzgriff entworfen, prompt vom ‚Rat für Formgebung‘ für sein chices Design mit dem ‚German Design Award Special 2023‘ ausgezeichnet.

Aber auch in der ehemaligen ‚Kochen‘-Halle 3.1 gab es ‚Manufaktur‘ zu entdecken: Die Textildruckerei Frohstoff (gegründet im Jahr 2002, inzwischen zwölf Mitarbeiter) aus Hamburg mit ihren poppigen Geschirrtüchern, Kissen und Bettwäschen stand jetzt ungefähr dort, wo immer Güde gestanden hatte. Frohstoff-Mitinhaber Jörg Vogt ließ am Messestand Einkaufsbeutel mit einer kleinen Handsiebdruck-Anlage vor aller Augen show-bedrucken – wer solchen Aufwand betreibt, hat die Aufmerksamkeit der Messebesucher.

Fotos & Video: Wigmar Bressel

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Dornburger Schlösser – dort begann die moderne Manufaktur-Keramik

13. November 2022, Dornburg. Vor drei Jahren hörte ich in der ‚Klappholttal – Akademie am Meer‘ auf Sylt während eines Urlaubsaufenthalts den Vortrag des bedeutenden deutschen Architekturkritikers Dankwart Guratzsch (‚Die Welt‘) zu ‚100 Jahre Bauhaus‘. Guratzsch verblüffte die Gäste mit einem Eröffnungsbild: Dies zeigte keineswegs die berühmten Schuhkartons aus Dessau in Glas und Weiß – sondern ein den Meisten unbekanntes Gebäude; natürlich das des ersten ‚Bauhauses‘ aus Weimar, des von Henry van de Velde entworfenen und errichteten Ateliergebäudes (1904 – 1911) der ‚Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar‘, die durch ihre Fusion im Jahr 1919 mit Walter Gropius‘ ‚Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar‘ sich zum ‚Bauhaus‘ wandelte: Kunstgewerbe und Kunst vereint. Eine Idee, die dreizehn Jahre hielt – dann wurde das Bauhaus – über Dessau nach Berlin immer weiterverzogen – von den Nationalsozialisten verboten.

Noch weniger ‚form follows function‘ (ein berühmter Spruch des 3. Bauhaus-Direktors Ludwig Mies van der Rohe im US-amerikanischen Exil), als die Gebäude in Weimar, bietet das liebliche Gebäude der ersten Keramikwerkstatt (1920 – 1925) des Bauhauses: der Marstall der Schlösser in Dornburg. In dieser Orgie aus Rosa und Cremegelb, durch Gärten mit den drei Schlössern verbunden – darunter genau gegenüber dem Eingang das Jagd- und Lustschloss – steckten die Wurzeln der späteren ‚Neuen Sachlichkeit‘ und die Basis unserer heutigen Keramik von KPM-Porzellan bis Hedwig Bollhagen, teilweise auch Meissen und Schwarzburger Werkstätten. Der erste Leiter der Keramikwerkstatt wurde der Berliner Gerhard Marcks (1889 – 1981); dieser ist heute vor 41 Jahren gestorben.

Marcks ist in der Manufakturen-Branche kein Unbekannter: Er lieferte Skulpturen-Entwürfe für die Porzellanmanufaktur Meissen, die Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst und die Steingutfabrik Vordamm. Seine „andersartigen“ Entwürfe – er selbst hatte keine keramische Ausbildung und verstand sich überhaupt als Bildhauer – reichten Gropius, um ihn für Dornburg anzuheuern. Marcks soll den Studierenden Gestaltung beibringen. Mit dem lokalansässigen Töpfermeister Max Krehan (1875 – 1925) wird Marcks ein versierter Techniker als ‚Werkmeister‘ zur Seite gestellt.

Die Keramikwerkstatt war für die Studierenden eine Herausforderung: Im Juli 1920 begannen sie mit dem Umbau des Marstalls in Eigenleistung – Pferdeboxen herausreißen, Wände einbauen, Technik mit Hilfe von zwei lokalen Handwerken installieren. Brennöfen einbauen, sechs Drehscheiben auf einem langen Balken – für den ‚Formmeister‘ Marcks ein eigenes Atelier und ein Wohnhaus in der heutigen Max-Krehan-Straße 2; für die Studierenden sind die bisherigen Gesindekammern über den Werkstätten, jedoch möbliert aus den Schlössern, schließlich war die Monarchie ja gerade untergegangen und der eben noch so großzügige und kunstbegeisterte Großherzog „weg vom Fenster“. Mangels eines eigenen Herdes wurde in einer der Schlossküchen mitgekocht. Die Fertigstellung und offizielle Eröffnung der Keramikwerkstatt wurde am 3. Oktober 1920 gefeiert.

Die Keramikwerkstatt sollte sich übrigens finanziell selbst tragen, ihre eigenen Kosten durch marktgängige Geschirre selbst einspielen… es wurde also beschlossen, sicherheitshalber zweigleisig zu fahren: neues marckssches Design hier – klassische Keramik dort… unter den enthusiastischen jungen Bauhäuslern wurden diese Arbeiten als „Bauerkeramik“ verspottet, was viel über das eigene revolutionäre Selbstverständnis und die Meinung über Marcks‘ Lehre aussagt, aber genauso von der Meinung zum Geschmack der größtenteils ländlichen Kunden erzählt, die von Werkmeister Krehan und seiner bisherigen Töpferei angelockt sind.

Nur 16 Studenten absolvieren in den fünf Jahren die Keramikwerkstatt – für die Manufakturen-Branche wird Marguerite Friedlaender (1896 – 1985) die wichtigste, denn sie wird später von der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin  beauftragt und entwirft berühmtes Geschirr, das heute noch produziert wird. Friedlaender war Dekormalerin in einer Rudolstädter Porzellanmanufaktur – aber das genügte ihr nicht.

Manufakturen-Blog: Das erste Bauhaus - ab dem Jahr 1920 in Weimar (Foto: Wigmar Bressel)

Das erste Bauhaus – ab dem Jahr 1920 in Weimar

Manufakturen-Blog: Gerhard Marcks in seinem Atelier in Berlin-Nikolassee (zwischen 1939 und 1942 - Foto: Archiv der Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen

Gerhard Marcks in seinem Atelier in Berlin-Nikolassee (zwischen 1939 und 1942 – Foto: Archiv der Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen)

Manufakturen-Blog: Formenlager im Museum zur Keramik-Werkstatt (Foto: Wigmar Bressel)

Formenlager im Museum zur Keramik-Werkstatt

Manufakturen-Blog: Dort oben, hoch über der Saale und der Moderne des Bahnhofs trutzend, stehen die drei Schlösser in Reihe - die ersten fünf Jahre Heimstatt für die Bauhaus-Keramik. (Foto: Wigmar Bressel)

Dort oben, hoch über der Saale und der Moderne des Bahnhofs trutzend, stehen die drei Schlösser in Reihe – die ersten fünf Jahre Heimstatt für die Bauhaus-Keramik.

Manufakturen-Blog: Das Jagd- und Lustschloss der Weimarer Herzöge - direkt gegenüber des Eingangs zum Marstall und der Bauhaus-Keramikwerkstatt (Foto: Wigmar Bressel)

Das Jagd- und Lustschloss der Weimarer Herzöge – direkt gegenüber des Eingangs zum Marstall und der Bauhaus-Keramikwerkstatt

Manufakturen-Blog: Glasuren und Färbemittel, wie sie zur Werkstätten-Zeit existierten (Foto: Wigmar Bressel)

Glasuren und Färbemittel, wie sie zur Werkstätten-Zeit existierten

Nach der Gesellenprüfung in der Keramikwerkstatt im Jahr 1922 wechselte sie an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale, legte dort als erste Frau in Deutschland die Prüfung zur Keramikmeisterin ab, übernahm im Jahr 1929 die Leitung der dort neu eingerichteten Porzellanwerkstatt. Die KPM aus Berlin beauftragte sie mit einem Kaffee-, Mokka- und Teeservice. Am Ende standen fünf Service mit insgesamt 59 Formen – das berühmteste wurde die sogenannte ‚Hallesche Form‘ und die Vasen unter dem Namen ‚Halle‘, die dekoriert von Trude Petri (1906 – 1998, studiert in Hamburg an der ‚Hochschule für bildende Kunst‘, seit 1929 bei der KPM in Berlin angestellt) bis heute erhältlich sind.

Im Jahr 1925 erfolgte die Vertreibung des Bauhauses aus Weimar – und mit ihr die der Keramikwerkstatt. Während Gropius mit seiner Hochschule nach Dessau ging, wechselten sowohl Marcks als auch Friedlaender nach Halle. Marcks wurde dort Professor und machte seinen Weg. Von ihm stammt zum Beispiel die Skulptur der berühmten ‚Bremer Stadtmusikanten‘ am UNESCO-Welterbe Bremer Rathaus, die heute jedes Jahr Millionen Menschen besuchen, darunter auch viele Japaner, die mit Grimms populären Märchen sozialisiert sind. Sein Gesamtwerk wird durch das Gerhard-Marcks-Haus in Bremen erforscht.

In Dornburg widmet sich inzwischen ein kleines Museum im Marstall der Keramik-Werkstatt; man sieht viele Original-Exponate sowie die Einrichtung aus der damaligen Zeit.

Manufakturen-Blog: Marguerite Friedlaender (2. v. r.) im Kreis der Kommilitonen in der Bauhaus-Keramik-Werkstatt in Dornburg (Ausschnitt eines Fotos des Archivs der Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen

Marguerite Friedlaender (2. v. r.) im Kreis der Kommilitonen in der Bauhaus-Keramik-Werkstatt in Dornburg (Ausschnitt eines Fotos des Archivs der Gerhard-Marcks-Stiftung, Bremen)

Manufakturen-Blog: Die kleine Skulptur der 'Bremer Stadtmusikanten' von Gerhard Marcks im Marcks-Haus, wie sie in Groß am Rathaus steht (Foto: Wigmar Bressel)

Die kleine Skulptur der ‚Bremer Stadtmusikanten‘ von Gerhard Marcks im Marcks-Haus, wie sie in Groß am Rathaus steht

Fotos: Wigmar Bressel, Archiv der Gerhard-Marcks-Stiftung (Bremen)

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‚Tini‘ ist eine der Letzten ihrer Art – diese überlebende Vase von Weimar-Porzellan hat jetzt ihren eigenen Projektraum in Hamburg

7. September 2022, Hamburg. Das Projekt kam aus Bauch und Herz, erscheint sicherlich den meisten Menschen verrückt – und unverständlich allemal. Die Hamburger Fotografin Susanne Katzenberg hat ihrer Spontanverliebtheit – in eine Vase aus den 1960er Jahren von Weimar-Porzellan (1790 – 2018) aus dem thüringischen Blankenhain – wieder Leben eingehaucht und einen Projektraum in Hamburg-Altona eingerichtet; gemeinsam mit ihm wurde am Samstag die neue Künstler-Edition der Vase von Krashkid vorgestellt.

Was tun, wenn einen auf einmal die Erkenntnis trifft? Man, weiß, dass man jetzt etwas unternehmen muss. Man nicht einfach nur zuschauen kann, wie der Lauf der Zeit so Vieles einfach verschwinden lässt. Niemand dazusein scheint, der es einem abnimmt? Auf einmal die Frage, an sich selbst gestellt, spürt: Du. Jetzt.

Susanne Katzenberg war im Jahr 2019 in Weimar, um für eine Geschichte über ‚100 Jahre Bauhaus‘ zu recherchieren; immer wieder stieß sie auf Querverweise zu den Thüringer Manufakturen, Porzellanmanufakturen zumal. Recherchen, Spaziergänge, Wanderungen – eines Tages stand sie vor der frischgeschlossenen Weimarer Porzellanmanufaktur in Blankenhain bei Weimar: 228 Jahre nach ihrer Gründung, Traurigkeit ausstrahlend aus einem riesigen Industriezweckbau heraus, dabei eben noch hochherrschaftliche Formen genauso produzierend wie Neue Sachlichkeit, Sozialistischen Realismus – und klare Formen aus der Zeit des Bauhauses, aus der Zeit, in der die spendablen und an Moderne und Alltagskultur so interessierten Weimarer Herzöge ihre Bedeutung verloren hatten, als die erste deutsche Republik Weimar berühmt und belächelt wurde.

Sie recherchierte und telefonierte sich zum bemühten Insolvenzverwalter Rolf Rombach sowie dem ratlosen und frustrierten Eigentümer Turpin Rosenthal durch, man führte sie durch die Hallen des stillstehenden Werkes, vertraute ihr irgendwann einfach die Schlüssel an „für ihr Fotoprojekt“, als das sich dieses alte Kulturgut einfach anbot.

Als klar war, dass es in Blankenhain so nicht weitergeht, dass gerade einmal Interesse am Markennamen bestand, wagte Katzenberg tollkühn den großen Schritt: Sie ging auf den Insolvenzverwalter zu, erwarb aus Anteilnahme an ihrem eigenem Projekt ‚über Weimar-Porzellan‘, in das sie sich immer tiefer hineingearbeitet hatte, die Formen und Nutzungsrechte für eine schlanke, gerade Vase aus den 1960er Jahren: den Entwurf ‚Tini‘ von Peter Smalun, der oft für Weimar Porzellan gearbeitet hat. Ihr Versuch einer Reminiszenz, einer Erinnerung – am Ende des langen Denkprozesses gab sie diesem Wirken den hoffnungsvollen Namen „unverloren“; in zwei Suchrunden fand sie einen Kunsthandwerker und die Porzellanmanufaktur Reichenbach, die bereitwaren, sich mit einer Neuauflage der Vase zu beschäftigen. Und inzwischen vielfach die Foren nachfertigen mussten – denn Susanne Katzenberg hat es vermocht, in nur zwei Jahren sage und schreibe 2500 neue Vasen zu verkaufen; mit einer neuen Haptik, mit neuen Dekoren, mit Künstler-Editionen. Jede freie Minute widmete sie der Vase, wie besessen, sich abarbeitend an einem klitzekleinen Vermächtnis der ehemals bedeutenden und großen Manufaktur: Sie legte eine Fotodokumentation vor, formte diese zum Buch, gewann den thüringischen Wirtschaftsminister Benjamin-Immanuel Hoff als Grußwortschreiber für das Buch – der fand es noch nicht einmal merkwürdig, dass sich eine Hamburgerin von Hamburg aus um die Erinnerung an diese lange Unternehmensgeschichte bemühte: „Ich danke der Autorin herzlich für die Spurensuche in Blankenhain und wünsche der Publikation viele interessierte Leserinnen und Leser sowie dem traditionsreichen Porzellanland Thüringen große Aufmerksamkeit.“ Als wäre es nicht gerade seine originäre Aufgabe, sich um das „Porzellanland Thüringen“ – bis Kriegsende Zentrum der deutschen Porzellanherstellung – zu kümmern.

Manufakturen-Blog: Peter Smalun, Designer der Vase 'Tini' im Porträt im Buch 'unverloren' von Susanne Katzenberg (Foto: Wigmar Bressel)

Peter Smalun, Designer der Vase ‚Tini‘, im Porträt im Buch ‚unverloren‘ von Susanne Katzenberg

Manufakturen-Blog: Buch-Cover "Susanne Katzenberg: unverloren - Hommage an Weimar Porzellan Thüringen", Verlag Braus EUR 29,80 (Foto: Wigmar Bressel)

Buch-Cover „Susanne Katzenberg: unverloren – Hommage an Weimar Porzellan Thüringen“, Verlag Braus, EUR 29,80

Manufakturen-Blog: Krashkid-Variante der 1960er-Jahre Vase 'Tini' von Weimar-Porzellan - Künstleredition (Foto: Wigmar Bressel)

Krashkid-Variante der 1960er-Jahre Vase ‚Tini‘ von Weimar-Porzellan – Künstleredition

Manufakturen-Blog: Schaufenster des Projektraums 'Projekt unverloren' in der Hospitalstraße 91 in Hamburg-Altona (Foto: Wigmar Bressel)

Schaufenster des Projektraums ‚Projekt unverloren‘ in der Hospitalstraße 91 in Hamburg-Altona

Manufakturen-Blog: Fotodokumentation zur Weimarer Porzellanmanufaktur im Projektraum in der Hospitalstraße 91 (Foto: Wigmar Bressel)

Fotodokumentation zur Weimarer Porzellanmanufaktur im Projektraum in der Hospitalstraße 91

Manufakturen-Blog: Historische 'Tinis', neue 'Tinis' - Susanne Katzenberg ist inzwischen die Spezialistin für die 1960er-Vase (Foto: Wigmar Bressel)

Historische ‚Tinis‘, neue ‚Tinis‘ – Susanne Katzenberg ist inzwischen die Spezialistin für die Vase

Nun ist das Buch da, der Projektraum – und soviel Wissenswertes, wie es über ‚Tini‘ nur herauszufinden gibt: Dass deren Designer Peter Smalun (Jahrgang 1939) auf kurze Produkt-Namen mit dem End-Buchstaben ‚I‘ steht, dass sich diese geraden Formen zu DDR-Zeiten besonders in Skandinavien gut verkauften; dass der Westpreuße Smalun aus Marienburg durch die Flucht nach Blankenhain kam, dort bei Weimar-Porzellan seine Ausbildung zum Modelleur machte, dann kam für ihn die Fachschule für angewandte Kunst in Sonneberg, die Ingenieurschule für Keramik in Hermsdorf, das Studium an der Burg in Halle. Ihm verdanken wir die Erinnerung, dass die DDR in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung mit dem Bauhaus fremdelte – ‚form follows function‘ entstand durch die Bauhaus-Dissidenten in den USA und eben nicht im Sozialistischen Realismus.

Jetzt also Krashkid (mit bürgerlichem Namen: Caspar David Engstfeld) auf Smaluns ‚Tini‘, der gebürtige Osnabrücker mit seinen PopArt-Filzstift-Tattoos auf der so ernstgemeinten Form des Westpreußen. Für schlanke 99 Euro. Man erschrickt, dass man bei einfachen schwarzen abstrakten Zeichnungen so unwillkürlich an Keith Haring erinnert wird, als hätte dieser das schnelle abstrakte Zeichnen für sich allein gepachtet. Krashkids ‚Tini‘ erzählt jedoch eine andere Geschichte, als Haring es getan hätte: „Ich wollte von der Situation nach der Party erzählen – daher auch der Name ‚flowers and cigarettes‘. Die Party ist vorbei – die Erinnerung an den schönen Abend noch da“, sagt der Künstler. Ein halbaufgeklapptes Messer aus dem Hause Opinel im Dekor erinnert daran, dass etwas angeschnitten wurde. Vielleicht Blumen, vielleicht Torte zur Eröffnung des Projektraums.

Fotos: Wigmar Bressel, Susanne Katzenberg

 

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Interview

„Ich fand es respektlos, dieses Erbe aus drei Jahrhunderten der Vernichtung zu überlassen.“

Manufakturen-Blog: Susanne Katzenberg in der Weimarer Porzellanmanufaktur (Foto: Katzenberger)

Susanne Katzenberg in der Weimarer Porzellanmanufaktur

Frau Katzenberg, wie geht es ihnen heute, wenn sie „Weimar-Porzellan“ hören?

Gut. Gut, weil ich glaube, dass ich das mir Menschenmögliche getan habe, um an Weimar-Porzellan in angemessener Form zu erinnern und das zu würdigen, was da in den Jahrhunderten geleistet wurde. Von daher geht es mir gut. Ich finde es natürlich traurig. Aber ich habe meinen Teil beigetragen.

Würden sie sagen, dass wir Menschen, die eine Empathie für solche Firmen und Vorgänge haben, uns damit abfinden müssen, dass solche Vorgänge, wie das Verschwinden von Weimar-Porzellan nach 228 Jahren, stattfinden?

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich fürchte, dass wir gezwungen sind. Aber ich finde, dass wir nicht genug nach Wegen aus der Situation gesucht haben.

Hatten sie das Gefühl, dass sich viele andere Menschen für das Problem interessiert haben?

Hatte ich nicht. Ich habe in meinem Auto viele Unterlagen und Zeichnungen persönlich ins Staatsarchiv nach Weimar gefahren, weil sich niemand dafür interessiert hat. Ich fand es respektlos, dieses Erbe aus drei Jahrhunderten der Vernichtung zu überlassen. Kapitalismus hin oder her – das finde ich einfach nicht angemessen.

Sie haben für ihr Buch einige ehemalige Mitarbeiter interviewt.

Ich wollte kein ‚Lost-Places-Buch‘ machen. Sie sollten von der Kunst des Porzellanmachens erzählen.

Hat das Buch etwas bewirkt?

Es ist jetzt in der zweiten Auflage. Es wurden inzwischen mehr als eintausend Exemplare verkauft. Und es melden sich immerwieder Menschen bei mir, die einen Bezug zu Weimar-Porzellan haben und über ihre Beziehung sprechen wollen. Insofern ist mir bestimmt ein auch zeitgeschichtliches Werk gelungen, das auch in vielen Jahrzehnten noch interessant ist.

 

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Zum 275. Geburtstag der Porzellanmanufaktur Fürstenberg

30. August 2022, Fürstenberg/Weser. Die älteste norddeutsche Manufaktur feiert in diesem Jahr ihren 275. Geburtstag: die Porzellanmanufaktur Fürstenberg in Fürstenberg oberhalb der Weser bei Höxter. Einst im Jahr 1747 auf Betreiben von Karl dem Ersten, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, gegründet, um das Fürstentum zu modernisieren, ist die Manufaktur heute sowohl ein staatlich-niedersächsisches Kulturgut, als auch ein Name und eine feste Marke auf der ganzen Welt für herausragendes deutsches Manufaktur-Porzellan. Zu Besuch am Tag der offenen Tür.

Als weißer Solitär steht die Manufaktur-Anlage oben am Berghang: Über der Weser thronend das urige Schloss im Stil der Weserrenaissance, dazugehörend die später gebaute und immer erweiterte Manufaktur mit ihren schlichten Gewerbebauten, Schornsteinen, Shed-Dächern; dann das Dorf Fürstenberg, das erst über hunderte von Jahren den Support für das Jagdschloss der Braunschweiger Herzöge stellte, nahtlos anschließend von Heerscharen von Drehern, Formenbauern, Porzellanmalern, Bossierern, Vergoldern, Brennmeistern und Hüttenknechten bewohnt wurde – den Manufakturmitarbeitern, in der Spitze um die 500, heute um die Einhundert, verstreut und pendelnd bis zu einer Stunde je Fahrt. Fürstenberg bot zwei entscheidende Vorteile: der große Wald des Sollings als Brennmaterial – und der Porzellanbestandteil Kaolin im Abbau im benachbarten Neuhaus.

Karl der Erste war der große Modernisierer in seinem Teil des heutigen Niedersachsen: Er etablierte eine öffentliche Brandkasse (aus der die heutige ÖVB-Versicherung hervorging), gründete als ‚Collegium Carolinum‘ die spätere Technische Universität Braunschweig, beschäftigte Gotthold Ephraim Lessing als Hofbibliothekar, sanierte die Saline Schöningen – und gründete die Bank, die die Basis für die heutige NORD/LB bildete. Und eben Fürstenberg – unabhängig werden vom Import des begehrten „weißen Goldes“ aus Sachsen (Meissen), Berlin (KPM) und Übersee. Nach jahrelangen Selbstversuchen wurde entnervt ein Mitarbeiter der Höchster Porzellanmanufaktur abgeworben…

Zwei Weltkriege und der Absturz der deutschen Adelshäuser in die politische Bedeutungslosigkeit in der Geschichte der Bundesrepublik ließen vergessen, dass Braunschweig einmal zu den europäischen ‚Big Playern‘ gehörte: Karls Vorfahren gründeten Bayerns heutige Hauptstadt München und waren mit der Schwester des englischen Königs Richard Löwenherz verheiratet, Karls Sohn Karl Wilhelm Ferdinand versuchte die Französische Revolution zu stoppen, drohte den Aufständischen in Paris mit „Artillerie-Bombardement“ (das ging gründlich schief – schlage nach unter: „Guillotine“), wurde Anführer der Alliierten europäischen Truppen gegen Napoleon (und im Jahr 1806 auf dem Schlachtfeld von Auerstedt tödlich verwundet),

Manufakturen-Blog: Die Schlossanlage in Fürstenberg - erst Jagdschloss, dann Manufaktur-Heimat (Foto: Martin Specht)

Die Schlossanlage in Fürstenberg – erst Jagdschloss, dann Manufaktur-Heimat (Foto: Martin Specht)

Manufakturen-Blog: "Verputzen" des Niedersachsenpferds - Wahrzeichen des Bundeslandes, oft Staatsgeschenk der Landesregierung (Foto: Wigmar Bressel)

„Verputzen“ des Niedersachsenpferds – Wahrzeichen des Bundeslandes, oft Staatsgeschenk der Landesregierung

Manufakturen-Blog: Von Fürstenberg gibt es Handmalerei und eingebrannte vorgedruckte Dekore (Foto: Wigmar Bressel)

Von Fürstenberg gibt es Handmalerei und eingebrannte vorgedruckte Dekore

Manufakturen-Blog: Der Zweckbau der Manufaktur aus den 1970er Jahren nach einem Brand im Schloss (Foto: Wigmar Bressel)

Der Zweckbau der Manufaktur aus den 1970er Jahren nach einem Brand im Schloss

eine weitere Nachfahrin wurde Königin von Griechenland und Mutter der spanischen Königin Sophia… Wenn man heute über das Bild von Niedersachsen nachdenkt, dann denkt man an Land- und Viehwirtschaft, vielleicht noch Kalibergbau – und Landschaft vom Harz über die Lüneburger Heide bis zur Nordsee; ‚Braunschweig‘ spielt trotz seiner Vergangenheit im Bewusstsein heute kaum eine Rolle.

Im Jahr 2017 wurde in den südwestlichen Vorposten des Landes von der Landesregierung kräftig investiert: Fünf Millionen Euro flossen in die Sanierung des Schlosses und des Museums. Der Betrieb ist sowieso auf dem technisch aktuellen Stand: Am Herdwagenofen werden die Gestelle mit den zu brennenden Halbfertigteilen teilautomatisch in den Brennraum gehoben, in Abkühlräumen können die „Scherben“ genannten Stücke individuell über bis zu sechs Wochen ihre Hitze abgeben, übersichtlich und klar ist jeder Arbeitsschritt (modellieren, verputzen, Glühbrand bei 980 Grad Celsius, lackieren oder bemalen oder dekorieren, abermaliges Brennen bei 1400 Grad Celsius).

Interessante Designer halfen, das Image aus der Zeit des Rokoko-Porzellans herumzureißen: Wilhelm Wagenfeld, Sieger-Design, EOOS, Alfredo Häberli, zuletzt Foster plus Partner. Und mit Sieger begann der Siegeszug der innenvergoldeten Champagner-Porzellanbecher, Solitäre, die unabhängig vom eigenen Geschirr zuhause, gesammelt werden – darauf Motive von Superhelden bis zum T-Rex. Die Sammeltasse von heute.

Trotzdem – auch Fürstenberg hat seinen täglichen Kampf zu kämpfen. „Fürstenberg? Liegt in der Mitte des größten deutschen Autobahnrings! In jede Richtung 60 Kilometer…“, witzelte Stephanie Saalfeld, die langjährige damalige Geschäftsführerin der Porzellanmanufaktur Fürstenberg, gerne. Und Dr. Christian Lechelt, seit dem Jahr 2016 Direktor des dazugehörigen Firmenmuseums im Schloss, antwortete am Sonntag auf die Frage „Wie geht’s?“ mit: „Das Weser-Bergland ist vielen Menschen unbekannt, das erlebe ich auf den Tourismus-Messen – da müssen wir alle hier uns noch kräftig anstrengen.“ Er meint damit die Schlösser und Sehenswürdigkeiten, die sich entlang des niedersächsisch-nordrheinwestfälisch-bremischen Grenzflusses aneinanderreihen; der dazugehörige Weser-Radwanderweg wurde zwar mehrfach zum Schönsten in Deutschland gewählt – aber die Infrastruktur ist mäßig: zu wenig Betten, schlichteste Gastronomie, kaum ergänzender Öffentlicher Nahverkehr. Lechelt sagt: „Das dreht sich im Kreis: Wegen fehlender Betten und Touristen zu wenig Gastro; wegen fehlender Gastro zu wenig Touristen. Wer baut dann für Betten? Wer macht den ersten Schritt?“ Bezeichnenderweise ist auch das schlosseigene Bistro ‚Carl‘ ohne Pächter.

Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte Fürstenberg 100 000 Besucher im Jahr – heute freute man sich über ein Drittel. Immerhin: Allein am Sonntag kamen trotz gesperrter Weserbrücke von und nach Höxter 3100 Gäste, also zehn Prozent eines guten Besucherjahres aufeinmal. War es Verbundenheit, Ausflug, Unterhaltung? Fast egal, für handgefertigtes deutsches Porzellan gilt: im Bewusstsein der Gesellschaft bleiben.

Fotos: Wigmar Bressel, Martin Specht (1)

 

 

 

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Ein Besuch im Independent-Porzellan – ein Besuch bei Claudia Schoemig

18. Februar 2022, Berlin. Okay. Ich habe die wundervollen Arbeiten von Claudia Schoemig schon länger auf Instagram beobachtet. Ich will nicht sagen, dass ich ihre Arbeiten gestalkt habe – aber doch ihren Instagram-Kanal abonniert. Das besondere ihres Gebrauchsporzellans ist der Mix aus Biskuit und Glasur in sehr feinen Harmonien. Ich war zu Besuch auf der ‚Ambiente 2020‘ in Frankfurt am Main (der letzten vor dem wiederholten Aus durch die Pandemie) – und da wurde sie als eine Art ‚Nachwuchskünstlerin‘ protegiert, was natürlich komplett absurd ist, denn die Fränkin in Berlin ist seit einigen Jahren einer der strahlenden Sterne am Independent-Porzellanhimmel. Ich habe sie an ihrem Stand besucht – und beschlossen, dass ich sie aus Sympathie für ihre überlegte Art und Begeisterung für das schöne handgedrehte Serien-Geschirr in ihrer Werkstatt mit Showroom im Prenzlauer Berg aufsuchen muss. Das habe ich dann auch ein Jahr später getan, gerade von der KPM, dem Berliner Platzhirschen für Manufaktur-Porzellan, kommend.

Der berühmte In-Stadtteil im Berliner Osten ist ja ein Ort der Lieblichkeit, des Bio-Kitschs mit seinen Läden für Fallobst-Wiesen-Säften, der durchgentrifizierten Altbaulandschaft, die einst mit Mühe die DDR überstanden hat und heute teilweise teuer wie Nichts ist; berühmt für die sogenannten „Latte-macchiato-Mütter“, die ihr Heißgetränk im wiederverwendbaren „To-go-Becher“ zu sich nehmen, während der Nachwuchs im 500-Euro-Kinderwagen geschaukelt wird. Ist ja auch egal – denn der „Prenzelberg“ ist eine Besonderheit, wie Notting Hill in London oder andere hippe Stadtteile in den Größtstädten unserer Welt. Eigentlich ein Ideal-Stadtteil – wäre da nicht das Problem, dass sich erhebliche Teile der Bevölkerung Bürgerbauten des 19. Jahrhunderts mit Deckenhöhen und Parkett nach der Renovierung kaum mehr leisten können und sich theoretische republikanische Gleichheit nach und nach durch die Macht des Faktischen in Soll und Haben sortiert.

Manufakturen-Blog: Becher-Serie 'Sublim' von Schoemig-Porzellan (Foto: Wigmar Bressel)

Becher-Serie Sublim

Manufakturen-Blog: Becher-Rohlinge warten im Regal auf den zweiten Brand (Foto: Wigmar Bressel)

Becher-Rohlinge warten im Regal auf den zweiten Brand

Manufakturen-Blog: Regale mit Halbfertigteilen betonen den Werkstatt-Charakter (Foto: Wigmar Bressel)

Regale mit Halbfertigteilen betonen den Werkstatt-Charakter

Manufakturen-Blog: Claudia Schoemigs Hündin Martha wacht über den Showroom (Foto: Wigmar Bressel)

Claudia Schoemigs Hündin Matilda wacht über den Showroom

Aber so funktioniert selbst die „soziale Marktwirtschaft“ eben. Aufwendige historische Gebäude benötigen zahlungsfähige Eigentümerinnen und Eigentümer und diese ebensolche Mieterinnen und Mieter. Und wo wollte man sich mit handwerklichem Designer-Porzellan auch ansiedeln, wenn nicht bei den Menschen, die studiert oder anderweitig auch für das Ästhetische gebildet – aber vor allem auch etwas zahlungskräftiger für Individualität und Design sind?

Claudia Schoemig hat sich im Jahr 1999 in diesem Stadtteil verortet; sie macht übrigens keinen reichen Eindruck. Sondern einen sehr durch handwerkliche Arbeitsamkeit und Ernsthaftigkeit und Zielgerichtetheit bestimmten. Ihr schlichter Showroom in der Raumerstraße 35 wird mitbelegt durch Teil-Fertigprodukte, die auf ihren Brand warten. Ruhige Farben bilden den Hintergrund für die Präsentationsbühnen ihrer Porzellane: Teller, Becher, Schalen, Vasen – was es für den Gebrauch bei Tisch eben so bedarf.

„Ich habe das Glück, dass ich einen tollen Vater habe, der gefühlt alles kann und der sich soviel zugetraut hat. Der hat natürlich eine Weile gebraucht, bis er kapiert hat, dass er eine Tochter hat, die sich auch für alles interessiert“, erzählt Claudia Schoemig. Ihr Werdegang ist dementsprechend zunächst unakademisch: Ausbildung zur Keramikerin in einer fränkischen Werkstatt – „die Leute haben mich angeguckt, als wäre ich ein Ufo, wenn ich erzählt habe, was ich mache. Ob das nicht ein ‚aussterbender Beruf sei‘, wurde ich oft gefragt. Und ich habe gedacht: Na, schauen wir mal, wie lange es dauert, bis er ausgestorben ist.“ Das war in den 1980er Jahren. Die 1990er seien dann auch tatsächlich „übel gewesen“, räumt Schoemig ein. „Aber seit zehn Jahren ist handwerkliche Keramik und Porzellan wieder voll am Aufblühen. Gefühlt jeder würde gerne einen Töpferkurs machen und das Gefühl für die handgemachten Dinge kehrt in die Gesellschaft zurück.“

Claudia Schoemig entwickelte sich weiter – vom Ton der Keramikerin hin zum Porzellan, weg von dem, was in der Erde gefunden wird und abgebaut (Ton), hin zum Porzellan, das aus frei konfigurierbaren Stoffen besteht, Hauptbestandteil Kaolin, befreit von den vielen Bestandteilen wie Eisen (das den Ton rötlich färbt), das dafür jedoch viel präziser gehandhabt werden kann, da es keine Überraschungen mehr bereithält.

Dieser Schritt erfolgte bei ihrem nächsten Arbeitgeber – einer kleinen Porzellanmanufaktur, die vor allem für Historienfeste und Filme historische Porzellane fertigte: „Ich wurde immer schneller im Drehen von Porzellanteilen – bis ich die Schnellste war.“

Dann kam ihr Schritt in die Selbständigkeit – und wieder der Vater: „Ich durfte mir eine kleine Werkstatt in seiner Arbeitshalle einrichten; das war eine schöne Zeit!“ Sie zog über Keramikmärkte, übte sich in Direktverkauf und Kundennähe: „Aber ich kriegte die Krise, fragte mich, ob ich mit Anfang zwanzig schon bereit sei, so sesshaft zu werden.“

Natürlich nicht. Es folgte ein Kunststudium im nordhessischen Kassel, zwischendurch an der Hochschule in Berlin-Weißensee, schließlich in Kassel der Abschluss. Ausstellungsteilnahmen, Kunstvereine, selbstorganisierte Künstleraustausche mit Helsinki, Paris, Prag und London – alles prägend für die Frage nach Kunst- oder Gebrauchsporzellan, nach Design oder Funktionalität, nach Positionierung und Preisfindung… vieles pro bono und Ehrenamt – aber das gehört zur Entwicklung als Mensch ja dazu. Und immer wieder die Frage: Was will ich in meinem Leben als Porzellanschaffende wirklich machen?

„Ich habe immer noch soviele Ideen – das kann ich alles gar nicht machen.“ Gibt es für sie garkein Problem, sich selbst zu motivieren? „Ich habe nur das Problem, dass ich nicht alles umsetzen kann, über das ich nachdenke. Dafür fehlt die Zeit. Aber ich habe gemerkt, dass meine Entwürfe und Umsetzungen gut ankommen – also habe ich meine eigene Firma gegründet.“ So entstand die Idee für ‚Schoemig Porzellan‘, an ihrem letzten Studienort, in der Hauptstadt, in der schon Friedrich der Große Porzellan unter dem Namen KPM produzieren ließ. ‚Ö‘ oder ‚oe‘ – sie zuckt mit den Schultern: „Die internationalen Kunden verstehen es nicht.“ Aha – internationale Kunden… das ‚oe‘ schlich sich jedenfalls ein – und aus dem fränkischen Schömig wurde Schoemig.

Wie entwickelt sich bei der heutigen Claudia Schoemig Design? „Das ist sehr unterschiedlich. Vieles entsteht im Prozess, beim Arbeiten; ich frage mich: Wie soll sich ein Gefäß anfühlen? Wie will ich es selbst gerne in der Hand halten? Wie soll es aussehen, wenn ich hineinschaue? Was für mich meine Arbeit ausmacht, ist eher die Richtung Minimalismus, zeitgenössisch-poetisches Tafeln und modernes Interior. “

Ich weiß genau, was sie meint, ich liebe ihre Becher: außen Biskuit-Porzellan, innen in zarten Pastelltönen glasiert. „Ich feile so lange daran herum, bis es gut ist und mir gefällt. Dann kommt der Test mit der Kaffeemaschine, der Probeeinsatz bei den Mitarbeitern und im Bekanntenkreis. Und ob ich es nach einem Monat immer noch gutfinde. Man braucht mir beim Briefing nur einen Brocken hinwerfen – das macht mich glücklich, wenn ich wochenlang daran herumarbeiten darf. Neue Sachen auszudenken – das ist mein Lebenselixier.“

Fotos: Wigmar Bressel

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Meissen: Der Mug soll es richten

1. August 2018, Meißen. Das deutsche Porzellanheiligtum Meissen – Erfinderin des europäischen Porzellans (im Jahr 1710), Service und Figuren (von Blümchen bis zweimeterhoch), meistens tief in den roten Zahlen (im Jahr 2016 17,4 Mio. Euro Verlust bei 38,7 Mio Euro Umsatz). Eigentümer: der Freistaat Sachsen (übersetzt: wir Steuerzahler). Und immer auf der Suche nach der Lösung: Wie kommen wir in die schwarzen Zahlen? Wie überleben wir den nächsten Generationenwechsel? Wie erwecken wir das Interesse für deutsches Manufakturporzellan bei jungen Menschen? Was ist ‚handgemalt‘ wert in Zeiten des 3D-Drucks? Derzeit befeuert Meissen den „Mug“, den Kaffeebecher – die große Kaffeetasse fürs Büro ab 49 Euro Verkaufspreis.

Auffällig war ja schon Meissens neuer Messestand auf der Ambiente 2018 in Frankfurt: Ausgediente Gipsformen aus dem Formenarchiv waren kunstvoll zu Wänden für einen Besprechungsraum auf dem Messesstand verbunden. Dann auf der linken Seite modernisierte und historische Großplastiken – auf der rechten Seite Gebrauchsporzellan, meistens in Weiß. Wenn man so will: eine zeitgemäße Ansprache von Architekten und Designern, ohne das klassische Publikum vor den Kopf zu schlagen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich

Und dann die offensive Bewerbung eines Allerwelts-Gegenstandes, des Kaffeebechers, des „Mugs“ im Internet. Auf der offiziellen Meissen-Instagram-Seite ‚meissen_porcelain‘ heißt es in der Seiten-Beschreibung derzeit: „Discover our new Meissen Mug Collection now.“

Kann der Kaffeebecher für Meissen stehen? Ist ‚Becher‘ nicht eher Könitz? Oder ist das schon: „In der Not frisst der Teufel Fliegen?“ Die Begriffe „Meissen“ und „Not“ so dicht bei einander zu schreiben – gruselig. Denn Meissen ist doch eindeutig Deutsches Kulturgut, eine der bekanntesten deutschen Konsumgütermarken, zumal noch eine staatliche Manufaktur (Gründer: August der Starke), Teil unserer deutschen DNA. Vor der KPM (Gründer: Friedrich der Große), vor Fürstenberg (Gründer: Carl I. Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel) und Nymphenburg (Gründer: Kurfürst Max III. Joseph).

Andererseits: Kann ein Unternehmen wie Meissen mit 660 Mitarbeitern darauf verzichten, sich möglichst breit aufzustellen und das Risiko weit zu streuen? Zeigt der Kaffeebecher – ab 49 Euro „nur“ – nicht, dass Manufakturporzellan aus Deutschland nicht sooo teuer ist? Dass sich die sogenannte ‚breite Masse‘ Meissen leisten können könnte? Und bedeutet Umsatz nicht auch Beschäftigung?

Der Kaffeebecher ist kein schlechter Zug: Kaffee und Tee trinkt jeder. Der Becher schreit nach keiner zusätzlichen Untertasse. Er übt auch keinen sozialen Kaufdruck nach „mehr“ aus – wie das Service. Man kann ihn ungeniert als Solitär kaufen und besitzen. Er trennt nicht wirklich wohlhabend von arm. Schade ist, dass es ihn vorerst nur in der Version für 0,25 l gibt – für den Teebeutel dürfte es auch eine Version in der Größe 0,5 l geben… aber da sind ja auch noch die Teekannen, die verkauft werden wollen. Und die Becher sind ein Meissen-Eigengewächs der Kreativdirektoren Otto Drögsler und Jörg Ehrlich „und den Manufakturisten“, wie es im Prospekt zum Projekt heißt.

Für den Handel hat Meissen einen Aufsteller entwickelt – mit ihm können die Mugs gut präsentiert werden. Und die sind sehr unterschiedlich – von den schlichten ‚Schwertern‘ als Relief unter einer Klarglasur (49,00 Euro) bis zur Chinoiserie (399,00 Euro) und zum aufwendigen Tropischen Vogel (499,00 Euro). Besonders fallen zwei Becher mit dem internationalen Friedenszeichen ‚Peace“ auf – in Gelb oder Grün, jeweils von zwei meissenklassischen grauen Ming-Drachen umschlungen für jeweils 69,00 Euro… Wenn man bedenkt, dass sie im hochwertigen Handdruckverfahren ausgearbeitet wurden, sind das doch sehr erstaunliche Preise.

Manufakturen-Blog: Aufsteller für die Mugs im Handel (Foto: Wigmar Bressel)

Aufsteller für die Mugs im Handel

Immerhin findet seit der Ambiente schon Verkauf statt. „Am Besten verkauft sich derzeit der Becher mit der Aufschrift ‚This is Meissen‘ – das hat uns schon erstaunt“, sagt Bianca Herbst, PR-Managerin der Porzellanmanufaktur, „überhaupt gibt es regionale Unterschiede. In manchen Städten verkauft sich das Motiv ‚Adam‘ besser, in anderen die ‚Kisses on Meissen‘ – wir nehmen dies zur Kenntnis und freuen uns darüber.“ Und mögen auch viele von ihnen ihre Verwendung dann doch vermutlich eher im Homeoffice finden…

Fotos: Wigmar Bressel

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Weimarer Porzellanmanufaktur braucht Hilfe

29. Juni 2018, Blankenhain. Kaum ist die Höchster Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1746) vom Eis wieder runter (ich schrieb darüber vor einigen Tagen), schreitet die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1790) zum Amtsgericht und meldet Zahlungsunfähigkeit an. Glück im Unglück ist vermutlich, dass abermals Rolf Rombach zum Insolvenzverwalter bestellt wurde – der Rechtsanwalt aus Erfurt, der in den 1990er Jahren Weimar-Porzellan schon einmal aus der Insolvenz führte. Und Rombach ist sehr entschlossen: „Es muss einen Weg geben, die Porzellanmanufaktur zu erhalten.“

Der älteste noch produzierende Porzellanhersteller Thüringens (die sogenannte ‚Aelteste Volkstedter Porzellanmanufaktur von 1762‘ gehört nur noch als Marke zur Porzellanfabrik Tettau GmbH und damit zu Seltmann Weiden) ist nach eigenem Bekunden an Putins Krim-Eroberung gescheitert: Nach Embargo und dramatischem Rubel-Verfall brachen die noch aus der DDR-Zeit herrührenden guten Geschäftsbeziehungen nach Russland zusammen. Weimars berühmtes und in Russland geliebtes Geschirr „Katharina“ (nach Katharina der Großen, der ursprünglichen Prinzessin aus dem Hause Anhalt-Zerbst) wurde den russischen Händlern und Kunden einfach zu teuer.

Manufakturen-Blog: Weimar-Porzellan hat das Erfolgsmodell 'Katharina' in dekoriert... (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar-Porzellan hat das Erfolgsmodell ‚Katharina‘ in Blumen-Dekor…

Manufakturen-Blog: ...und undekoriert in weiß für den russichen Markt produziert (Foto: Wigmar Bressel)

…und undekoriert in Weiß vor allem für den russischen Markt produziert.

Auch ein weiteres Standbein kriselte – die Zulieferung von Kleinserien für Könitz-Porzellan, die zudem auch noch Eigentümerin von Weimar-Porzellan ist. Einen eigenständigen Vertrieb hat Weimar auf Wunsch der ‚Mutter‘ nicht gehabt. Könitz-Eigentümer Turpin Rosenthal (aus der berühmten Rosenthal-Familie) verordnete im Herbst 2017 zwar einen Strategie-Wechsel gen Westen – zeichnete eine Lizenz zur Nutzung der Marke Pablo Picasso. Und eine üppig dekorierte, moderne Linie von Teegeschirr unter dem Namen „Wunderbar.“ wurde aufgelegt. Aber die Zeit reichte für Weimar-Porzellan einfach nicht. Es häuften sich Schulden beim Energieversorger, zumal für Betrieb und Beheizung der riesigen Produktion in Blankenhain.

Die Messe ‚Ambiente‘ in Frankfurt am Main brachte Weimar-Porzellan keinen Durchbruch beim Handel. Bei der Mutter Könitz lief es auch nicht, wie erhofft. Der Zuschussbedarf für die Tochter Weimar fing an zu drücken. Von 60 000 Euro monatlichem Bedarf ist die Rede. Klar, 70 Weimar-Mitarbeiter brauchen entsprechende Millionen-Umsätze. Bei Könitz selbst sind es um die 200 Mitarbeiter, für die der Vertrieb Aufträge ranschaffen muss. Aufgrund der Haftung für die Energiekosten von Weimar-Porzellan darf Könitz jetzt selbst eine Sanierung durchführen. Turpin Rosenthal: „Aber das sieht ganz gut aus.“

Und Weimar? Rosenthal: „Ich würde schon gerne weiter Aufträge an Weimar vergeben und eng zusammenarbeiten.“ Aber für die Rückkehr als Eigentümer sieht er derzeit keinen Spielraum.

Was ist also zu tun?

Rettungs-Planspiel „Bester Fall“: Dem Insolvenzverwalter Rombach gelingt es, einen Käufer für den Betrieb zu finden, der in Blankenhain am historischen Standort weiter Porzellan produzieren will und einen Plan zur Vergrößerung des Marktes von Weimar-Porzellan hat. In dem Fall müssen Regelungen für die Nutzung der Immobilie (gehört Rosenthal) und Marke (gehört auch Rosenthal) gefunden werden – beide sind nicht Teil der Insolvenzmasse. Das bedeutet: Miete und Lizenzzahlung. Oder Erwerb der Immobilie von Rosenthal durch den neuen Betreiber – oder einen Dritten, zum Beispiel eine Landesimmobiliengesellschaft, die in der strukturschwachen Region Förderpläne verfolgt.

Manufakturen-Blog: Altbau aus dem 19. Jahrhundert von Weimar-Porzellan in der Frontsicht (Foto: Wigmar Bressel)

Altbau aus dem 19. Jahrhundert von Weimar-Porzellan in der Straßen-Frontansicht

Manufakturen-Blog: Neubau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Frontsicht (Foto: Wigmar Bressel)

Neubau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Straßen-Frontansicht

Manufakturen-Blog: Der Erweiterungsbau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Hofansicht (Foto: Wigmar Bressel)

Der Erweiterungsbau aus der DDR-Zeit für Weimar-Porzellan in der Hofansicht

Rettungs-Planspiel „Schlechter Fall“: Es findet sich niemand, der es sich zutraut, am Standort Blankenhain den Betrieb fortzusetzen. In dem Fall wäre es unbedingt sinnvoll, wenn die Stadt Weimar von Turpin Rosenthal die Marke ‚Weimar Porzellan‘ kaufen würde, um sich die Option auf späteres eigenes Porzellan, das in Lizenz von einer der anderen Thüringer Porzellanmanufaktur (zum Beispiel Reichenbach) für die Stadt Weimar in der benötigten Stückzahl produziert werden könnte, zu erhalten. In jedem Fall ist der Klang von „Weimarer Porzellan seit 1790“, die Assoziation des dem Image nach positiv besetzten Weimarer Fürstenhofes (‚Anna-Amalia-Bibliothek‘), für den die Porzellanmanufaktur ja ursprünglich produziert hat, eine Gute. Weimar hat im Jahr allein mehr als 700 000 Übernachtungsgäste – und sicherlich mehrere Millionen unregistrierte Touristen. Und alle haben Bedarf an authentischen Erinnerungsstücken.

Fotos: Wigmar Bressel

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…lesen Sie auch unseren Beitrag über die überlebende Vase von Weimar-Porzellan – im September 2022 in einer weiteren Künstleredition erschienen.

Die Höchster Porzellanmanufaktur wird neu ausgerichtet – chinesisch-international

26. Juni 2018, Frankfurt am Main. Gute Nachrichten aus Frankfurt-Höchst: Bei der Höchster Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1746) bleibt das Licht an – es geht weiter! Allerdings bekommt die kleine und einzige hessische Porzellanmanufaktur einen gründlichen Kulturwandel verpasst – denn der neue Eigentümer und Geschäftsführer nach Insolvenzanmeldung im Januar 2018 und Asset-Deal zum 1. Juni 2018 ist der in Hongkong ansässige Taiwanese Yung Wen „Evan“ Chung, dem schon das Darmstädter Luxus-Armaturen-Unternehmen Zeva Life gehört. Die Kommunikationssprache „inhouse“ wird einstweilen englisch. Herausforderungen.

Die beste Nachrichten sind: Alle 13 Mitarbeiter behalten ihren Job. Die Produktion bleibt in der Palleskestraße. Insolvenzverwalter Frank Schmitt aus dem bekannten Büro Schultze & Braun (mehr als 700 Mitarbeiter an 40 Standorten, Link zur Pressemitteilung) ist sehr zufrieden und wird in der Frankfurter Neuen Presse so zitiert: „Die Übertragung auf den neuen Investor ist ein sehr schönes Ergebnis des Insolvenzverfahrens. Einerseits, weil es uns gelungen ist, die Manufaktur als hessisches Kulturgut zu erhalten.

Manufakturen-Blog: Trompetenvase "alt" - vorne - und Vase "neu" mit dem Eindruck der Trompetenvase (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Trompetenvase „alt“ – vorne – und Vase „neu“ mit dem Eindruck der Trompetenvase

Andererseits, weil mit dem Investor eine Neuausrichtung einhergeht, die dem Traditionsunternehmen eine Zukunft verspricht. Insbesondere freut es mich, dass nicht nur die Marke, sondern das Unternehmen als Ganzes, inklusive aller Arbeitsplätze, erhalten bleibt.“

Stadt und Land haben sich tatsächlich um die Rettung ihres Porzellanaushängeschildes bemüht, erzählt Schmitt dort weiter: „Die hohe öffentliche Anteilnahme und der Beistand, den wir während des Insolvenzverfahrens erfahren haben, haben einen hohen Anteil an der gelungenen Rettung der Höchster Porzellanmanufaktur.“ (Der Manufakturen-Blog berichtete.)

Und das sind die Pläne des neuen Eigentümers Chung (Foto in der BILD-Zeitung, Ausgabe Frankfurt): Das Höchster Porzellan soll Lifestyle-Produkt werden – Applestore, digital, ‚Gläserne Manufaktur‘, neue Märkte weltweit erschlossen werden. Das Geschäft mit Kunst-Reproduktionen und die Zusammenarbeit mit Künstlern noch weiter ausgebaut werden. Und: Die Porzellanmanufaktur soll tatsächlich das erhoffte Ladengeschäft in der neuen Frankfurter Altstadt (Am Markt 36), dem zukünftigen Touristenmagnet, erhalten – inklusive weltweiten Lieferservice nach Hause. Und in der Nähe soll obendrein ein Teehaus, eine Art Salon, geschaffen werden, in dem man mit Höchster Porzellan bewirtet werden soll und das Porzellan auch gleich kaufen kann. Chung kündigt in einer Pressemitteilung an: „Ich will die Marke für die Zukunft fit machen. Die Firma wird ihre Produktpalette modernisieren, um neue, junge Käuferschichte anzusprechen.“

Wir können nur die Daumen drücken. Denn viele dieser Ideen hatte auch schon der langjährige frühere Inhaber Jörg Köster; deren Umsetzung – insbesondere die Eroberung ausländischer Märkte – war ihm aber nicht gelungen, weil das Unternehmen dafür bisher nicht ertragsstark genug war und dementsprechend Geld für eine wirkliche Expansion fehlte.

Fotos: Höchster Porzellanmanufaktur

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Die Manufakturen-Trends der ‚Ambiente 2018‘: Designer, Namen, Lebensgefühl

10. März 2018, Frankfurt am Main. Peter Raacke ist wieder da – und Mark Braun allerorten in der Manufakturen-Branche unterwegs. Das ist eine Möglichkeit, den Rückblick auf die ‚Ambiente 2018‘ zu beginnen… Manufakturen und Designer – auch kleine Unternehmen nutzen die Ideen bekannter Produktentwerfer. Nehmen das Geld in die Hand, und lassen sich neue Dinge kreieren, die ihnen auf dem schnellebigen Markt der Konsumgüter ein Standing verschaffen sollen. Das Produkt soll perfekt sein – und vom eigenen Betrieb in Deutschland gefertigt. Manchmal wird auch ‚nur‘ der große Name eingekauft und genutzt oder ein Lebensgefühl entworfen und gezeigt – Händler und Kunden wollen Geschichten, das ist nun einmal so.

Peter Raacke (Jahrgang 1928) ist der Designer des Bestecks „Mono A“ – es war das erste Besteck von Mono, das aus einem Blech gestanzt wurde. Mono wurde mit dem Besteck berühmt – es erhielt sogar im Jahr 1999 seine eigene Briefmarke. Im Jahr 1962 entwickelte Raake mit dem Großonkel Herbert des heutigen Firmenchefs Wilhelm Seibel das Besteck „Mono Ring“, das Besteck zum Aufhängen am eigenen Ständer, der auf dem Esstisch stehen bleiben kann, – mehr als eine Million Besteckteile wurden in den folgenden dreißig Jahren verkauft; bis das Besteck mit seinem Kunststoffgriffen an der Inkopatibilität mit Geschirrspülmaschinen scheiterte.

Es folgte eine lange Pause. Im vergangenen Jahr erfolgte die Auftragsvergabe an den in Berlin arbeitenden Designer Mark Braun (Jahrgang 1975): „Mono Ring“ neu entwickeln, von Peter Raacke abgesegnet. Braun ist inzwischen für eine ganze Reihe von Manufakturen tätig geworden – Nomos („Metro“-Reihe, „At work“), Lobmeyr („Fortune“, „TS283“), Mühle (Rasierset „Hexagon“ – Manufaktur-Produkt des Jahres 2017), derzeit auch für Feingerätebau K. Fischer tätig – und eben auch für Mono.

Heraus kam ein voll-geschirrspüler-taugliches Besteck. Verändert wurde auch die Klinge (damit man mit ihr besser Brote schmieren kann) sowie leicht veränderte Griffe in fünf Farben; raffiniert mit Glasfasern verstärkter Polymer sowie unsichtbare Glaskugeln, die für mehr Gegengewicht zum Stahlvorderteil sorgen. Diese fertigt Mono in der bekannten sorgfältigen Weise selbst – für den Kunststoffgriff suchte man sich einen Spezialisten als Partner, der in Velbert sitzt.

Manufakturen-Blog: "Mono Ring" ist wieder da - die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

„Mono Ring“ ist wieder da – die Version 2018 wurde von Mark Braun überarbeitet (Foto: Wigmar Bressel)

Das Gewinnen von Design-Wettbewerben ist auch eine Spezialität der Brüder Hartmut und Volker Gehring. Die Schneidwaren-Manufaktur Gehring hat den heute allerorten anzutreffenden Damaststahl vor vielen Jahren in die Kochmesser-Produktion eingeführt und ist der größte deutsche Importeur japanischen Hochleistungsdamaststahls. Im Solinger Familienunternehmen ist Volker Gehring der Produktdesigner „inhouse“. Und er hat immer neue Ideen – auf der Ambiente wurde das frisch vom Rat für Formgebung – German Design Council prämierte Messerset „Wave“ gezeigt: German Design Award Winner 2018. Herzlichen Glückwunsch!

Manufakturen-Blog: Gehrings Messerserie "Wave" gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Gehrings Messerserie „Wave“ gewann den German Design Award 2018 (Foto: Wigmar Bressel)

Einmal um die Ecke rum in Halle 3.1 steht Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur. Der hat die neue gerade Linie jetzt aus drei Millimeter starkem Kupferblech geformt – nochmehr Masse gegen das mögliche Problem des Verformens in der Produktion.

Auch im Porzellan-Bereich wurde ein großer Name lizensiert: Bei Pablo Picasso (1881 – 1973) durfte die Weimarer Porzellanmanufaktur (gegründet im Jahr 1799) nun Anleihen machen – die Serie heißt „Dinner with Picasso„; aber auch zwei sehr auffällig dekorierte Becher der Serie „Wunderbar“ (0,4 l Inhalt, ca. EUR 39,00 uvp.) stachen mir ins Auge.

Manufakturen-Blog: Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit "Wunderbar" aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Weimar Porzellan nutzt Picasso, hat mit „Wunderbar“ aber auch eine andere luxuriöse Linie am Start (Foto: Wigmar Bressel)

Ein paar Gänge weiter der eindrucksvolle neue Stand von Meissen – eine Leistungsshow aus Großteilen umrundet zwei Seiten, während scheinbar achtlos zusammengestelltes Porzellan auf einem langen Tisch den Kontrapunkt setzte. In der Mitte ein Besprechungsraum in Werkstattoptik – soviel Humor war mir bisher bei der Ur-Manufaktur aus Sachsen nicht aufgefallen.

Manufakturen-Blog: Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Messestand ist modern und angemessen zugleich (Foto: Wigmar Bressel)

Manufakturen-Blog: Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos - folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Meissens Porzellan steht auf den Tischen scheinbar wahllos – folgt natürlich einer Choreographie (Foto: Wigmar Bressel)

Dann natürlich Dibbern: Die gut 50 Jahre junge Gründung aus Bargteheide mit eigenem großen Werk in Hohenberg an der Eger (Ex-Hutschenreuther) bot auf der einen Standseite die Serie „Pastell“ an, deren Name Programm ist, auf der anderen Standseite ein neues Dekor für die Fine-Dining-Linie: „Palm Beach“; die Weiterentwicklung des von den Händlern unverstandenen „Miami“.

Auch ein neues Accessoire probiert Dibbern aus – den Champagner-Becher, z. B. im Innendekor „Purple Titanium“. Champagner und Becher – das kennt man von Fürstenberg, bei denen die wahnsinnig zarten Becher Champagner viel besser unterstützen, als man es beschreiben kann; und bei Fürstenberg sind die Becher das bestverkaufte Geschenk. Nun also auch Dibbern. Nach zwei großzügigen Bechern Champagner kann ich sagen, dass das dunkle Innenleben des Bechers meine Geschmacksnerven animierte, mich stärker auf die angenehm herben Aromen des Getränks zu fokussieren – in der Hitze der Messehalle 4 eine köstliche Erfrischung!

Manufakturen-Blog: Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier "Purple Titanium" (Foto: Wigmar Bressel)

Dibbern hat auch Champagner-Becher entwickelt, hier „Purple Titanium“ (Foto: Wigmar Bressel)

Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch die Show am Stand der Solinger Messermanufaktur Böker Baumwerk: Das im Jahr 1869 gegründete Unternehmen (das älteste Warenzeichen ist aus dem Jahr 1674 verbrieft) der heutigen Eigentümerfamilie Felix-Dalichow bietet ja eine große Bandbreite an Produkten – 356 Seiten hat allein der Hauptkatalog in Dünndruck. Böker hat ein weiteres eigenes Werk für Jagd- und Outdoormesser in Argentinien – diese Messer laufen unter der Marke Böker Arbolito. Sehr günstige Linien lässt man in Europa, Amerika oder Asien für die eigene Marke ‚Magnum by Böker‘ produzieren und kommuniziert das auch. Dann gibt es natürlich neben Kochmessern die Jagdmesser, die die meisten Menschen mit Böker verbinden – für 50 bis 1000 Euro, erkennbar an den Markennamen ‚Böker Plus‘ und ‚Böker Manufaktur‘. Aber ebenfalls bei Böker selbst gefertigt werden Rasiermesser (die passenden Pinsel kommen übrigens von Mühle); für das Thema Rasur gibt es einen eigenen 60-seitigen Katalog. In ihm heißt es: „Was die Böker Manufaktur mit dieser Szene teilt, ist die Tradition, der unbedingte Wille zur handwerklichen Perfektion und die Leidenschaft für das, was wir tun. Ein wichtiger Bestandteil hiervon ist der ständige Austausch mit anderen Fachleuten und Liebhabern über den Gegenstand, der uns verbindet.“

Und auf der Ambiente hatte man bei Böker am Stand zur Ankurbelung dieses Segments einen eigenen Barbershop aufgebaut – wer wollte, konnte sich vom professionellen Barber rasieren lassen. Es wurde reger Gebrauch gemacht… und zeigt, dass man auch ohne große Namen auskommen kann, wenn man es versteht, ein Lebensgefühl genau auszudrücken und die Menschen, die darin leben, zielgenau anzusprechen.

Manufakturen-Blog: Der Meister bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

Barbier Santos bei Böker am Stand bei der Arbeit (Foto: Böker)

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Unterstützung der Rettungsaktion für die Höchster Porzellanmanufaktur durch Stadt und Land läuft

25. Februar 2018, Frankfurt. Die schlechte Nachricht kam mit einem Anruf der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 22. Januar – wie „der Verband Deutsche Manufakturen die Insolvenz der Höchster Porzellanmanufaktur“ kommentiert. Die gute Nachricht: Stadt Frankfurt und Land Hessen sind sich ihrer Verantwortung inzwischen bewusst, sind für den Erhalt ‚ihrer‘ Porzellanmanufaktur aktiv geworden. Gesucht wird jedoch noch ein strategischer Partner für die Manufaktur, der der langjährigen früheren ‚Abteilung‘ des Chemieriesen Hoechst und der Dresdner Bank, Marktzugänge außerhalb des deutschen Einzelhandels und B2B-Geschäfts ebnet.

Die Situation im deutschen Manufakturporzellan ist übersichtlich und bekannt: Meißen (seit zwei Jahren wegen Internationalität umbenannt in: Meissen) mit ca. 400 Beschäftigten gehört dem Land Sachsen, Fürstenberg mit 120 Beschäftigten dem Land Niedersachsen, die KPM des Landes Berlin mit ca. 170 Mitarbeitern wurde vor zehn Jahren an den Mäzen Jörg Woltmann privatisiert; und dann eben noch Höchst. Vor 272 Jahren gegründet als kurfürstlich-mainzische Porzellanmanufaktur, wurde sie damals als strukturpolitische Maßnahme an der östlichen Grenze des Mainzer Reiches angesiedelt. Die Geschichte war von Umzügen nach Bonn und Passau geprägt – schlussendlich landete die Manufaktur nach dem zweiten Weltkrieg wieder in Höchst. Die Farbwerke Hoechst engagierten sich fast vierzig Jahre für den Betrieb. Dann gingen die Anteile an die Investitionsbank Hessen – und von dieser nach und nach an den heutigen geschäftsführenden Gesellschafter Jörg Köster. Dieser akquirierte einen eher stillen Geschäftspartner, verpasste der Manufaktur einen radikalen Modernitätsschub in Formensprache und Design – eigentlich alles gut und ein überschaubares Risiko bei 13 Beschäftigten;

Manufakturen-Blog: Vase Oterma aus Porzellan und Glas aus der Edition Asteroide von fideler + raasch für Höchst (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Vase Oterma aus Porzellan und Glas aus der Edition Asteroide von fideler + raasch für Höchst

aber dann kamen verschärfte Compliance-Regeln bei den meisten Firmenkunden, das Firmenkundengeschäft brach zusammen – und im Einzelhandel waren die Höchster aus der früheren Konzernpolitik heraus nicht besonders engagiert. Nun lief die Zeit auf einmal schneller… dann meldete der Partner, dass er die Wachstumsstrategie aus geplantem Flagshipstore am Alten Markt und Chinageschäft mit sofortiger Wirkung nicht weiterfinanzieren könne – Insolvenz wegen Liquiditätsproblemen.

Unter der Überschrift „Kulturgut verkümmert in der Nische“ widmete die FAZ am 23. Januar 2018 dem Problem einen großen Artikel – Untertitel: „Seit Jahren schon kämpft die Porzellanmanufaktur aus Höchst um bessere Verkäufe. Nun soll es ein Investor mit langem Arm richten. Der Manufakturen-Verband deutet aber auch auf die Stadt.“ Und deshalb muss man Rhein-Main-Redakteur Thorsten Winter auch dankbar sein, weil er die richtige Stoßrichtung seines Artikels setzt. Er endet mit folgendem Absatz: „Verbandschef Bressel hat auch die Kommune im Blick. Die Stadt Frankfurt solle sich fragen, was sie für sich aus der Tatsache ziehen könne, eine traditionsreiche Manufaktur am Ort zu haben: ‚Dieses Kulturgut müssen wir erhalten.“

Manufakturen-Blog: Veit Streitenbergs 'falling vases' - eine klassische Höchst-Vase 'stürzt' in eine geometrische Form (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Veit Streitenbergs ‚falling vases‘ – eine klassische Höchst-Vase ’stürzt‘ in eine geometrische Form

In Frankfurt war gerade Oberbürgermeister-Wahlkampf. Und so lud Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) Unternehmer in die Manufaktur ein, warb für eine Beteiligung am Unternehmen und für den Porzellankauf, kündigte an, die Miete für die kommunale Manufakturimmobilie zu stunden sowie Porzellan für die Stadt im Wert von EUR 25 000 anzukaufen. Das Land setzte einen drauf. Kultusminister Boris Rhein (CDU) lud einen Tag später ebenfalls in die Manufaktur – mit einem erheblichen spontanen Porzellanverkaufserfolg oberhalb von EUR 200 000. Das sind super Ergebnisse, für die das Unternehmen der Politik nicht dankbar genug sein kann!

Und: Die Bruttozahlen liegen schon ziemlich nah an der tatsächlichen Verschuldung des Unternehmens – jedoch darf man die Unternehmensweiterentwicklung nicht außer Acht lassen. Jörg Köster, der Höchster Porzellan jetzt 17 Jahre geleitet hat, sieht für sein Invest- und Zukunftsprogramm einen Betrag in Höhe von EUR 750 000, um zunächst einmal drei Jahre weiterzukommen. Das ist eigentlich übersichtlich und sollte doch zu schaffen sein…

Fotos: Höchster Porzellanmanufaktur

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Manufakturen-Blog: Windlichter 'im Fluss' - mehrschichtig aufgebautes Porzellan aus der Edition Pia Sommerlad (Foto: Höchster Porzellanmanufaktur)

Manufakturen-Blog: Windlichter ‚im Fluss‘ – mehrschichtig aufgebautes Porzellan aus der Edition Pia Sommerlad