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Ambiente 2017: Kochen, essen, schreiben – was Sie Neues von deutschen Manufakturen gesehen haben sollten

13.02.2017, Frankfurt am Main. Die größte Überraschung auf der Konsumgütermesse Ambiente 2017 bescherte mir Römertopf: Wenn die Manufaktur aus Ransbach-Baumbach im Westerwald im 50. Jahr ihres Bestehens für ein neues Produkt gleich die Tongrube wechselt, genau genommen statt ausschließlich in Moschheim Ton einzukaufen, nun auch noch in Niederahr ordert, dann bleibt der Besucher verdutzt am Stand stehen und fragt sich, was los ist. 50 Jahre Terracotta – und nun dies.

Michel Rouland ist immer noch der Frontmann, auch die anderen Mitarbeiter am Stand in Halle 3.1 sind vertraut. Aber da stehen rechts und links der Gesprächszone mit den vielen terrakottafarbenen, offenporigen und im Betrieb zu wässernden Römertöpfen – die berühmten Töpfe für das fettfreie Braten gegen die Kalorien des deutschen Wirtschaftswunders – anthrazitfarbene Kochgeschirre, die glasiert glänzen, und hinzu kommt eine große Grillstation sowie Plakate, auf deren Fotos die neuen Töpfe im Feuer stehen: „Römertopf goes BBQ“.

Okay. Die neuen Kochgeschirre sind aus einem anderen Ton – der feuerfest ist. Und das konnte eben der bisherige terrakottafarbene Ton nicht. Außerdem hat der neue Ton eine ganz feine Beschaffenheit, fühlt sich seidig matt an (z. B. auf der Innenseite des Deckels) – und ist cremeweiß. Damit der Topf diesmal keine Feuchtigkeit aufnimmt und im Feuer platzt, wurde er glasiert. In einer faszinierenden Farbe – es ist anthrazit. Erinnert jedoch gerade bei den runden Töpfen sehr an Stahlhelme. Gemüse anbraten, Chilli vom Grill – ich glaube, Männer werden diese Farbe lieben und die Töpfe zum In-die-Glut-stellen – mit ihrer ursprünglichen Art, vielleicht am ehesten zu beschreiben als: Nomaden-Art – zum Renner machen. Verkaufspreise ab 34 Euro.

Noch eine neue Idee zum Thema Kochen kommt von Mono in Halle 4.0. Die Besteckmanufaktur aus Mettmann (mit der weiteren Marke Pott und Sarah Wiener als Aushängeschild für eine Pott-Messer-Serie) hat ihren Messestand neu in geschmackvollem Moosgrün eingerichtet – trotz blauschwarzen Mono-Logos (gut!). Und sich etwas Neues zum Thema Topfdeckel ausgetüftelt. Wohlgemerkt zum Deckel – denn „Mono steigt nicht in die Topfproduktion ein“, sagt Geschäftsführer Wilhelm Seibel.

Aber der neue Deckel kann etwas: Auf der Unterseite sind feine Silikonringe angebracht. Da der Deckel nach unten gewölbt ist, kann man ihn praktisch in jedem Winkel auf verschiedenste Töpfe aufsetzen – das Wasser tropft nach innen ab, er kommt danach auch tropffrei aus der Geschirrspülmaschine. Außerdem verfügt er über einen Kaltgriff und man kann auf ihm – besser: in ihm – den Kochlöffel ablegen sowie alternativ dort das Schnittgut aufbewahren, bis alles geschnippelt ist und in den Topf soll. Bezeichnend ist auch der Produktname: mono multitop. Verkaufspreise: 48 bzw. 58 Euro (22cm/26 cm).

Für den Handel gibt es eine raffinierte Kampagne unter wasistdas.mono.de, in der der Endverbraucher sich in der Zeit vom 24. April bis 26. Mai 2017 Gedanken machen soll, was das neue Teil wohl sei, seine Ideen dazu bei Mono einreichen und Einkaufsgutscheine gewinnen kann.

Marc Weyersberg mit seiner Kupfermanufaktur aus Starzach baut sein Sortiment weiter aus. Zu den induktionsherdgeeigneten und keramikbeschichteten Bratpfannen und Backformen gibt es weitere Größen, die Mini-Stielcasserole für die Vorspeisen, Tarteform, jetzt kommt ein sehr großer Bräter hinzu. „Ich habe inzwischen zwölf Töpfe und Pfannen zu einem Preis von mehr als 500 Euro Verkaufspreis im Handel – damit bin ich hier in der Halle 3.1 sicherlich einzigartig“, grübelt Weyersberg offen nach. Halle 3.1 – das ist die mit den großen deutschen und europäischen Koch-Marken. Teuer scheint kein Problem: Die Kupfermanufaktur Weyersberg hat den Stückumsatz bei diesen teuren Luxus-Geräten vervierfacht, hat überhaupt einen tollen Lauf.

Auch die Gehring-Brüder Hartmut und Volker aus Solingen haben sich dem Kochen verschrieben – genaugenommen dem Schneiden. 2000 verschiedene Kochmesser entstanden im Laufe der bisher 60jährigen Firmengeschichte. Ganz neu aus der Manufaktur, die ja in Deutschland der Vorreiter der Damaststahl-Messer ist: Messer aus Damaststahl mit teilgeprägten und polierten Klingen. Das Muster – eine Gras-Struktur – ist geschützt; eine andere, aussehend nach Hammerschlag (aber geprägt), wurden gerade mit dem Design-plus-Preis 2017 für Nachhaltigkeit ausgezeichnet, die Messer sind auch in der sogenannten ‚Galleria 1‘ ausgestellt.

Ein Arbeitsgang mehr – und das Interesse der großen Händler ist riesig. Solche Messer hat man noch nicht gesehen. Verkaufspreis ab 50 Euro.

Neuester Promi-Koch mit Gehring-Messern ist Johann Lafer.

Einen anderen Weg geht die ebenfalls Solinger Messermanufaktur Güde. Inhaber Dr. Peter Born treibt das ‚intellektuelle‘  Damastmesser weiter auf die Spitze. Deutscher Damaststahl in der Version ‚Wilder Damast‘ wird 300-lagig zwei Tage geschmiedet. Die Griffhölzer sind aus bis zu 1500 Jahre altem Wüsten-Eisenholz. Das Holz ist genauso toll strukturiert wie der ‚Wilde Damast‘, schwer zu bearbeiten, wie es der harte Name schon sagt, eine Kostbarkeit. Das neue Messer mit extrem breiter Klinge – eine Mischung aus chinesischem Kochmesser und Fleischerbeil – bleibt demensprechend etwas für den Liebhaber oder fanatischen Koch – es kostet 1800 Euro.

Dafür hat sich Peter Born einmal hingesetzt und die Geschichte des Messers aufgeschrieben – von der Steinzeit bis heute: Herstellung, Stahl, Holz, Messer, Pflege und Aufbewahrung. Zweisprachig deutsch-englisch: „Die Messer. The Knives.“ Bestellenswert!

Von der Herstellung zum Dinieren. Am Stand der Porzellanmanufaktur Dibbern aus Bargteheide in der Halle 4.1 ist immer was los. Dibbern geht nicht zur Messe ohne neue Vorschläge an Handel und Gastronomie. Ben Dibbern: „Wir haben Art déco im Angebot, skandinavisches Design und eine vielleicht als Retro empfundene neue Form mit dem Namen ‚Heritage‘.“ Alles aber in Fine Bone China, weiß und bunt natürlich zum Mixen.

Viele Händler waren überrascht – schon öfter war Dibbern seiner Zeit voraus. Manches Projekt wurde meiner Meinung nach zu schnell abgebrochen (ich sag nur: ‚Miami‘). Abwarten ist jedoch nicht die Art der drei Herren, die die Geschäfte sehr erfolgreich lenken. Vielleicht geben sie Handel und Kunden diesmal eine Chance, sich hinterher zu entwickeln. Oder auch wieder nicht.

Eine ganz andere Strategie verfolgt die Porzellanmanufaktur Fürstenberg im Parallelgang, im Jahr 1747 gegründet und in der gleichnamigen Burg oberhalb Höxters zu Hause. Mitte März 2017 eröffnet dort das neue Porzellanmuseum mit Mitmachbereich. Nachdem die Manufaktur im niedersächsischen Staatsbesitz (gehalten über die NordLB) sich über die Jahrhunderte ihren besonderen Ruf für ihre Porzellanmalerei erarbeitet hat, gibt es jetzt eine radikale Erweiterung: Mit der Beauftragung des argentinisch-schweizerischen Designers Alfredo Häberli gelangen weitere neue Formen, die nach meinem Eindruck noch mehr auf die Gastronomie abzielen. Unter dem Namen ‚Fluen‘ entstand echtes Gebrauchsporzellan. Gebrauchsporzellan auch deshalb, weil die Preise echt verträglich sind und gastronomiefähig. Auch die gedruckten Dekore als Alternative zum ewigen Weiß sind gut: Strahlenringe in Braun und Beige (Dekor ‚Fine Lines‘) oder geschwenkte Kreise in Mint und Gold und Blau auf dem Tellerrand – bei weißen Essflächen (Dekor ‚Shifting Colors‘) . Los geht’s bei untypischen 20 Euro.

Ich möchte Sie noch zu einem Gang in die Halle 11.1 animieren. Es hat sehr entfernt auch noch etwas mit essen und trinken zu tun. Dort möchte ich Ihnen einen Gang zur  renommierten Schreibgeräte-Manufaktur e+m holzprodukte aus Neumarkt in der Oberpfalz empfehlen. Wolfram Mümmler und seine Frau Brigitte leiten ein seit vier Familiengenerationen bestehendes Unternehmen, das die tollsten Schreibgeräte aus Holz drechselt. Hört sich nach ‚regional‘ an? Nein, hingehen! Neueste Kracher: Kugelschreiber aus dem Holz alter Weinreben gedrechselt (250 Euro). Oder aus dem Holz bisheriger Barrique-Fässer (190 Euro). Oder hauchdünne Kugelschreiber (1 cm Durchmesser) namens ‚Style‘ und ‚Style.us‘ aus Wildkirsche, Wenge, Zebrano oder Walnuss, mit deren Kappe man Handys bedienen kann (z. B. wenn man Handschuhe trägt oder das Gefühl hätte, man hätte zu dicke Finger) – ab 35 Euro.

Das mittelständische Unternehmen war mal der große deutsche Federhalter-Hersteller. Im Krieg schwerst getroffen, hatte es sich vierzig Jahre nach ’45 wieder so weltweit verbreitet, dass ein amerikanischer Präsident namens Ronald Reagan einen wichtigen Vertrag mit einem Holzschreibgerät der Familie Mümmler unterschrieb – und auf einem Foto reckte er den Kugelschreiber hinterher in die Kamera.

Die Ambiente 2017 geht noch bis zum 14. Februar, 17.00 Uhr, Tageskarte 37 Euro.

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Ausstellung „Die schönsten Manufaktur-Produkte – 45 neue Meisterstücke aus deutschen Manufakturen“ im Direktorenhaus in Berlin

9. Dezember 2016, Berlin. Die vorweihnachtliche Ausstellung im Direktorenhaus in Berlin zeigt 45 neue und wiederentdeckte Meisterstücke aus deutschen Manufakturen. Sie zeigt, dass auch Manufakturen ständig neue Produkte entwerfen, weiterentwickeln, modernisieren – für einen sich ständig weiterentwickelnden Markt.

Schön. Mit einem großen Anteil Handarbeit. Innovativ.

Vom feinen doppelwandigen Porzellan bis zur neuen Messerform. Von Globus bis Uhr. Von Maßschuh bis zum „unkaputtbaren“ Brillengestell. Alles Manufakturarbeit.

Von ALLGÄUER KERAMIK, BERLINER MESSINGLAMPEN, COLUMBUS VERLAG, KAFFEERÖSTEREI DE KOFFIEMANN, EMIL SCHEIBEL SCHWARZWALDBRENNEREI, FLAIR, FEINGERÄTEBAU K. FISCHER, GÜDE, MONO, PORZELLANMANUFAKTUR FÜRSTENBERG, STRICKMANUFAKTUR ZELLA, TUTIMA UHRENFABRIK, WALDMANN, WENDT & KÜHN, KUPFERMANUFAKTUR WEYERSBERG, MAROLIN, DIBBERN, LMW LEUCHTENMANUFACTUR WURZEN, GLASMANUFAKTUR VON POSCHINGER, GEHRING, MÜHLE SHAVINGS, SGT SPEZIAL- UND GERÄTETASCHEN, VICKERMANN & STOYA, TAMESIS DESIGN.

Begleitet wird die Ausstellung von Fotografien des Künstlers Stefan Berg. Durch die Beobachtung eines Schuhmachers hat Berg Sinn und Sinnlichkeit, Innovation und eine sehr am Menschen orientierte Arbeitsform neu entdeckt.

Vernissage: 9. Dezember 2016, 19.00 Uhr

Ausstellungslaufzeit: 12. – 19. Dezember 2016, Mo – Fr 9.00 – 17.00 Uhr, Sa 14.00 – 17.00 Uhr, So geschlossen

Eintritt frei

Direktorenhaus – Museum für Kunst Handwerk Design, Am Krögel 2, 10179 Berlin

Ein Gemeinschaftsprojekt von Direktorenhaus und Verband Deutsche Manufakturen e. V.

Foto: Deha Uzbas

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Lebensmittel-Manufakturen nutzen die Messe „Fisch & Feines“ – und sind sehr zufrieden

5. November 2016, Bremen. Die Bremer Gourmet-Messe „Fisch & Feines“ (4.-6. November 2016) hat sich entwickelt… Ursprünglich mal als „SlowFisch“ und nördliche Partnerin der „SlowFood“ in Stuttgart gestartet, tat ihr die Trennung von der Genuss-Organisation SlowFood Deutschland als Messepartner offensichtlich ganz gut (SlowFood ist natürlich trotzdem auf der Messe vertreten). Inzwischen ist sie rund. Die Laune der Aussteller und Besucher prächtig – darunter einige, teilweise renommierte und prämierte Lebensmittel-Manufakturen. Vorweggenommen mein Fazit: Unbedingt hingehen!

Das Lob gebührt Jürgen Fricke und seinem Team von der Bremer Messe, das die Veranstaltung über die Jahre immer weiter verfeinert hat und inzwischen immer besser passende Aussteller akquiriert. Besser auch in dem Sinne, dass diese gut zueinander passen müssen. Sich ergänzen – und die Erwartungen eines verwöhnten Publikums erfüllen. Jürgen Fricke ist auch soweit zufrieden, wie es ein Messe-Verantwortlicher während der laufenden Veranstaltung sein kann: „Wir geben uns Mühe, aus unserer Sicht passende Aussteller anzusprechen, fahren dafür auch zu interessanten Unternehmen und schauen uns die an.“

Direkt neben einem Backwarenstand in der Halle 1 steht der Lilienthaler Kaffeeröster de koffiemann – Mitarbeiterin Janin Seidel verrät grinsend: „Am Nachmittag war unser Milchvorrat erschöpft – wir hatten nicht mit solch einem großen Interesse gerechnet.“ Na ja, Milch kann man schnell beschaffen. Schlechter war es, als die Profi-Kaffeemaschine von Cimbali plötzlich den Druck nicht mehr durch die Siebe leiten wollte, Café Crema ausfiel… In einer Nachtschicht soll die Maschine wieder voll einsatzfähig gemacht werden.

De koffiemann ist ein innovativer 14-Mitarbeiter-Betrieb, der mit dem langjährigen Background des väterlichen Kaffeehandels von Cornelia Dotschat im Jahr 2009 gegründet wurde. Privatrösterei kann ja theoretisch jeder – aber Innovation ist das Stichwort, das Cornelia Dotschat zur Unternehmerin macht. Obwohl ihre Rösterei noch so jung und klein ist, hat sie im Frühjahr 2016 eine wunderbare Filterkaffee-Idee entwickelt und umgesetzt: Manufakturkaffee im Filterbeutel für eine Tasse. Das Ergebnis unter dem Produktnamen „CupIn“ bietet den tollen Geschmack des langsam gerösteten Kaffees – in Kombination mit der ständigen Verfügbarkeit bei heißem Wasser (also auch auf dem Hotelzimmer und auf Reisen). Der Einzelhandel hat schon unglaubliche Mengen davon verkauft. Dafür wurde de koffiemann vom Verband Deutsche Manufakturen im Wettbewerb um das „Manufaktur-Produkt des Jahres 2016“ mit dem „Sonderpreis Beobachtung von Trends“ ausgezeichnet.

Im September hat Dotschat nun Kapseln für das Nespresso-System in den Markt gebracht – Manufakturkaffee für das beliebte System! Von solch einer kleinen Firma… Klasse!

Ein paar Meter entfernt steht die Natura Wild Gourmetmanufaktur aus dem niedersächsischen Merzen… Was macht diesen Hersteller von Wild-Delikatessen so besonders? Jendrik-Michael Bluhm: „Wir erlegen alles Wild selbst. In unseren eigenen Revieren.“ Wenn man das hört, rechnet man im Kopf und fragt sich, wie groß dann solch ein Betrieb wohl sein kann. Ein Mitarbeiter? Oder ist das Hobby? Aber da liegt man natürlich falsch… Bluhm – von der Ausbildung her Koch und natürlich selbst Jäger: „Wir verfügen über zehntausend Hektar eigene Reviere. Da haben wir natürlich auch Berufsjäger.“ Und der Abschussplan ist bei einer so großen Fläche ja auch entsprechend hoch. Aber auch der Arbeitsaufwand für alles, was damit einhergeht: Pflege des Reviers, Hege des Wilds im Winter.

Wildfleisch wird von Natura keines zugekauft. Trotzdem arbeiten zwölf Mitarbeiter allein in der Schlachterei. Bluhm: „Wir wollen wissen, was wir verarbeiten. Wir nehmen auch nichts aus Drückjagden oder anderen Gesellschaftsjagden. Denn man schmeckt es doch, wenn das Tier zuvor Stress ausgesetzt war.“ Das Unternehmen hat große Pläne, will nun auch noch beim Schweinefleisch „autark“ werden (Wildwürste werden praktisch immer mit Schwein kombiniert, da das Wildfleisch in der Regel zu trocken für die Verwurstung ist und das Fett des Hausschweins braucht): „Wir wollen uns auch da selbstversorgen. Das dient alles der weiteren Qualitätssteigerung“, sagt Jendrik-Michael Bluhm.

Das Land Niedersachen hat die Natura Wild Gourmetmanufaktur im Jahr 2015 zum Kulinarischen Botschafter Niedersachsens erhoben – dafür reiste extra Ministerpräsident Weil nach Bremen und Verlieh die Auszeichnung auf der Fisch & Feines.

Veggie und vegan gibt es auf der Messe natürlich auch. Zum Beispiel um Obst geht es einige Stände weiter bei Elbler. Das Hamburger Unternehmen wurde im Jahr 2012 gegründet – es ging wie so oft um eine Lücke: Nach Meinung der Gründer Jan Ockert und Stefan Wächter fehlte dem deutschen Getränkemarkt dringend Deutscher Cidre. Inzwischen hat das Unternehmen mit seinen Lieferanten aus dem Alten Land (also zwischen dem niedersächsischen Stade und Hamburg-Finkenwerder gelegen) eine ganze Palette aus Cidre und Glühwein mit und ohne Alkohol aufgebaut. Christoph Marnitz erzählt am Messestand: „Alle Äpfel sind Bio, es gibt keinen Zusatz von Zucker und anderen zulässigen Dreingaben.“

Elbler hat sich rasant entwickelt, hat inzwischen zehn Mitarbeiter – und ist weltweit unterwegs. Zum Beispiel mit der „Handmade in Germany Worldtour“ des Berliner Direktorenhauses – einer Ausstellungs-Weltreise von 150 deutschen Manufakturen, Kunsthandwerkern und Designern. Nächster Stopp der Ausstellung: im chinesischen Szenzhen.

Noch ein paar Stände weiter präsentiert sich Schamel, Deutschlands berühmter Meerrettich-Verarbeiter aus dem bayrischen Baiersdorf (mehrfach ausgezeichnet als „Marke des Jahrhunderts“), ein im Jahr 1846 gegründeter Familienbetrieb mit 50 Mitarbeitern, der sich zwar nicht als Manufaktur sieht, aber trotzdem für Manufaktur-Kunden interessant ist: Neu ist Senf von Schamel, im Jahr 2015 auf den Markt gebracht. Es wäre vermutlich kein Schamel-Produkt, wenn der Senf nicht Meerrettich enthielte. Das gibt dem von mir favorisierten „Süßen Senf“ eine wunderbar pikante Note. Das Glas kostet EUR 1,50 am Messestand. Einfach mitnehmen.

Auf dem Rückweg durch Halle 2 sehe ich den Stand von Birgitta Schulze van Loon, Bremens einzige Brennerei mit dem Namen BR Piekfeine Brände, im vergangenen Jahr Drittplazierte mit ihrem Gin Tripple Peak (mit Earl Grey Tee als Botanical, und dann dreifach destilliert) beim „Manufaktur-Produkt des Jahres 2015“. In der Hand hält sie ihren neuen Rum – es ist ein Vorabzug mit handgemachtem Etikett. Schulze van Loon: „Die bestellten Etiketten sind noch nicht da. Hoffentlich kommen sie bis zum Bottle Market Bremen im Dezember.“

Der Rum ist noch jung – dafür nicht mit Zuckerkulör gefärbt. Und er hat einen schönen Namen: „Alma Norte“ – nordische Seele. Übrigens im 50-Liter-Fass der Bremer Fassfabrik Alfred Krogemann –  auch eine traditionsreiche Manufaktur – gelagert.

Ich hatte das Fazit schon vorweg geschrieben: Fisch & Feines 2016 – hingehen!

Messe-Eintritt EUR 9,00 (ermäßigt EUR 7,50)

Fotos: Wigmar Bressel

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Nachtrag 07.11.2016:

Laut Messegesellschaft hatte die „Fisch & Feines 2016“ 221 Aussteller und 37.476 Besucher; die „Fisch & Feines 2017“ ist für den 3. – 5. November 2017 angekündigt.

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„Makers Market“ in Bremen – das Missverständnis mit dem Begriff „Manufaktur“

31. Oktober 2016, Bremen. Angekündigt war es als Verkaufsveranstaltung von „21 Manufakturen“ – aber dann war es doch nur ein Hobbykünstler- und Kunsthandwerkermarkt, den das sich selbst auch etwas arg großspurig nennende Ladengeschäft „NurManufaktur“ von Vanessa Just als „NurManufaktur Makers Market“ angekündigt hatte. Besucher waren da. Im zum Abriss stehenden „Lloydhof“ fanden Geschäfte statt. Manufakturen als Aussteller fehlten jedoch.

Eigentlich sollte an dieser Stelle längst eine weitere – irgendwie doch belanglose – EWE-Passage stehen, so wie in anderen Großstädten auch. Das Konzept scheint gescheitert – nun findet in dieser Gebäudehülle einer Einkaufspassage eine Zwischennutzung namens „Citylab“ statt. Leerstand nutzen für phantasievolle Projekte – das ist der bereits mehrfach praktizierte Umgang des Bremer Wirtschaftssenators mit der Realität von gescheiteren Immobilienprojekten.

Und da wäre auch eine Chance für Manufakturen und Manufakturprodukte… Na, der erste Versuch ist aus Manufakturensicht an der Konzeption beziehungsweise am mangelnden Verständnis dafür, was eigentlich eine Manufaktur ist, gescheitert – obwohl viele Besucher wegen des verkaufsoffenen Sonntags da waren und die Aussteller sich auch nicht über mangelndes Besucherinteresse beklagen.

Trotzdem waren unter all den Nicht-Manufaktur-Ausstellern auch „Trüffel“ aufzuspüren, Firmen, die vor dem Sprung in die Manufakturen-Liga stehen… Was heißt nochmal Manufaktur? Arbeitsteiliges, handwerkliches Arbeiten, natürlich mehrerer hauptberuflicher Mitarbeiter, unterschiedliche Ausbildungsgänge, serielle Fertigung – alles in Deutschland in der eigenen Produktion, selbstverständlich. So ein kleines Unternehmen in der Größe zwischen der Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld (25 Mitarbeiter) und der Porzellanmanufaktur Dibbern (135 Mitarbeiter) – wohl so stellt es sich der Kunde in Deutschland vor.

Der Verband Deutsche Manufakturen definiert eine Untergrenze von fünf Mitarbeiten – denn irgendwo muss mal Schluss nach unten sein, finden die rund 30 Mitglieder. Denn Einzelkämpfer, Halbtagsenthusiasten und Kunsthandwerker sind halt etwas Anderes, als eine Manufaktur mit ihren gutausgebildeten, langjährigen Mitarbeitern, ihren Produktlinien und der seriellen Fertigung.

Aber zu den beiden „Trüffeln“: Da ist zum Einen die Goldcorn GmbH. Gründer und Geschäftsführer Thorsten Hobein produziert mit zwei Mitarbeitern in Bremen ein buchstäblich und tatsächlich ausgezeichnetes Popcorn („Chrispy PopRock Caramel“ – prämiert von den Feinkost- und Delikatessenhändlern aus Deutschland und Luxemburg, 3. Platz „Produkt des Jahres 2012“). Wer auf karamellisiertes Popcorn steht, das seriell (also nicht frisch vor den eigenen Augen, wie auf dem Jahrmarkt oder im Kino) gefertigt und akkurat in schönen schwarz-karamellenen Verpackungen im Handel angeboten wird, erreicht hier den 7. Himmel der klebrigen Dekadenz: White Chocolate, Chocolate Cookie, Caramel Almond, Caramel Peanut oder Spekulatius, Caramel Seasalt und, und, und – im Übrigen glutenfrei.

Das eine Geheimnis hinter GoldCorn ist der garantiert nicht genveränderte französische Mushroom-Mais (sieht nach dem Rösten aufgepilzst aus). Hobein: „Wir entfernen jedoch die Stiele, damit der Großteil der Hülsen ab ist.“ Das andere ‚Geheimnis‘ ist der Roh-Rohrzucker von der Insel Mauritius, der den wunderbaren süß-bitteren Caramel erzeugt.

Wenn Sie süßes Popcorn in Zimmertemperatur mögen – kaufen Sie dieses! Die Preise sind moderat für solche Delikatessen: ab ca. EUR 4,00 (110 g) im Handel oder am Messestand, portofrei ab

Werk in der 1,9-Liter-Dose ab EUR 16,00 (man klicke auf den Popcorn-Konfigurator); die Lieferung erfolgt portofrei in ganz Deutschland. Nächste Verkostungsmöglichkeit ist auf der Messe ‚Fisch & Feines‘ in Bremen vom 4. – 6. November 2016 (Messehallen).

Zweiter Glücksfall: Timo Koschnick und Hauke Eimann betreiben gemeinsam die erfolgreiche ‚Agentur für Markenkommunikation‘ mit dem küstennahen Namen Springflut GmbH. Aber sie haben noch andere Leidenschaften, sonst würden sie ja hier auch nicht erwähnt. Die Leidenschaften heißen ‚Güldenhaus‘ und ‚Oxhoft‘.

Güldenhaus ist eine im Jahr 1999 nach knapp 100 Jahren eingestellte Schnapsbrennerei aus Bremen. Die Marke wurde aufgegeben – Koschnick hat sie neu geschützt. Das Oxhoft ist ein Bremer Fass – die Größen variierten in der Geschichte seit dem Mittelalter zwischen 217 Litern und 750 Litern, sagt der bekannte Bremer Fassbauer Alfred Krogemann (Bremen treibt auch heute noch viel Handel mit Bordeaux-Weinen und kennt sich in diesem Metier aus). Nun, Koschnick und Eimann favorisieren das 217-Liter-Fass (ein etwas kleineres Barrique) und haben danach ihren Rotwein „Oxhoft 217“ benannt. Der kommt natürlich nicht aus Bremen, sondern aus dem seit längerem aufstrebenden Rheinhessen, denn da hat Hauke Eimann BWL studiert, hat zehn Meter entfernt zum Weingut Cleres in Abenheim gewohnt – der Weingutpartner.

Mit „Oxhoft“ ging es vor drei Jahren auch los – nun steht die Rotwein-Cuvee aus fünf Reben (darunter Spätburgunder, Regent und Merlot) als Edition Nummer 2 für EUR 15,00 bei den ersten Händlern, ein Sommerwein namens „Sömmertied“ aus der Weißburgunder-Rebe zum freundlichen Preis von EUR 7,00 vom selben Partner hat sich hinzugesellt.

Vermarktet wird alles unter Güldenhaus – und der Name stand natürlich für Schnaps, ob „Alter Senator“ (früher 1,2 Mio. Flaschen im Jahr) oder „Eiswett-Korn“. Aber damit hat das neue Güldenhaus von Koschnick und Eimann eher weniger zu tun. Obwohl man inzwischen den früheren Güldenhaus-Brennmeister aufgespürt hat, entsteht der neue Güldenhaus-Korn in der renommierten Dampfkornbrennerei R. Lüning (die sich derzeit zur ‚Ritterguts-Manufaktur Lüning‘ verändert) in Sulingen, die schon seit dem Jahr 1779 Korn brennt und auch früher ein Partner von Güldenhaus war. Von der eigenen Brennblase wird einstweilen nur geträumt.

Was ist das Geheimnis hinter dem neuen Korn? Hauke Eimann: „Weizen und Wasser – sonst nichts.“ Zweimal gebrannt, in die Flasche dann mit 32 % abgefüllt. Aber es gibt doch eine weitere relative Besonderheit: mindestens acht Wochen Lagerung zuvor in 150-Liter-Feinsteinzeug-Gefäßen (das machen angeblich überhaupt nur noch drei Kornbrennereien in Deutschland) – und na ja, da ist natürlich die designige neue Flasche.

Und wie schmeckt der neue Korn? Ich sage: Fein nach Weizen, wie es eigentlich immer sein sollte. Der Alkohol ist gut eingebunden und mild – also perfekt.  Alles zusammen zum Preis von EUR 14,00. Sorgfältig und fein gemacht, ist er eine wahre Ergänzung zu Wodka und Aquavit.

Zu erwarten ist, dass sich beide Projekte gut entwickeln und wachsen – und vielleicht wird man später einmal im Rückblick mit der milden Verklärung der Vergangenheit über den „Makers Market“ sagen, dass immerhin zwei Manufakturen dort ausgestellt hätten…

Fotos: Stefanie Bressel, Wigmar Bressel

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„Manufaktur 4.0“ – Überlegungen nach der ersten Podiumsdiskussion

21. Oktober 2016, Potsdam. Am 16. September 2016 fand der 1. Brandenburger Manufakturentag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam statt. Organisiert von der Deutschen Manufakturenstraße e. V. sowie der Kulturland Brandenburg Gesellschaft – eine Auftaktveranstaltung für die Manufakturenstraße in Brandenburg. Gezeigt wurde eine kleine, feine Ausstellung von 20 Brandenburger Manufakturen und manufakturartig arbeitenden Designern, Handwerkern und Herstellern von Konsumgütern, Baustoffen und Lebensmitteln – die Hersteller für die Besucher zum Anfassen, die Geschäftsführer als Gesprächspartner.
Im Rahmen der Ausstellung fand eine Podiumsdiskussion zu Überlegungen nach der „Manufaktur 4.0“ statt, die natürlich auch für die Fachhochschule Potsdam und ihre Absolventen interessant ist. „4.0“ steht in der Industrie für Software-Einsatz in der gesamten Produktionskette vom Designer über den Hersteller bis zum Händler und dem Endkunden, aber auch Beteiligung der Kunden am Design, Transparenz bei den Materialien, Herkunft und Arbeitsbedingungen. Das wird von der Bundesregierung großzügig gefördert. Was könnte analog die förderfähige „Manufaktur 4.0“ werden?

Auf dem Podium saßen neben den Moderatoren Pascal Johanssen und Brigitte Faber-Schmidt drei Hochschulprofessoren der Fachhochschule Potsdam – Prof. Dr. Rainer Funke (Designtheorie), Prof. Alexandra Martini (Gestaltungsgrundlagen), Prof. Hermann Weizenegger (Industrial Design) -, Necdet Yildirim von Carta Forma (Hersteller von Papierwaren aus Oberkrämer), sowie ich als Vorsitzender des Verbandes Deutsche Manufakturen und Silberwarenhersteller (Koch & Bergfeld) aus Bremen.
Ehrlichgesagt warf die Diskussion noch mehr Fragen auf, als sie Antworten ergab – aber vielleicht liegt das auch in der Natur der Sache, wenn es sich um eine Auftaktdiskussion handelt.

Klar ist: Es gab in den vergangenen Jahren wieder große technische Fortschritte. Theoretisch können sich Kunden, Lieferanten, Zulieferer und Hersteller über Software verknüpfen – jeder könnte Einblick in den Produktionsprozess nehmen. Maschinen aus aktuellen Baujahren haben oft eine Computerschnittstelle. Die Frage ist nur: Interessiert das irgendjemanden in der Manufakturenbranche? Die Antwort lautet vermutlich: eigentlich nein. Eigentlich. Und zwar nicht, weil man technikfeindlich wäre – sondern weil häufig schlicht die Anwendbarkeit fehlt.

Man braucht sich nur die Grundsatzfrage zu stellen: Was ist der größte Unterschied zwischen Industrie und Manufaktur? Das ist neben der geringen Mitarbeiterzahl bei Manufakturen auch die geringe Losgröße in der Produktion. Gerade die Losgröße 1 (Sonderanfertigung) stellt die Frage nach der Amortisation jedes Investitionsschrittes.

Geht man einmal optimistisch von einer industriellen Soft- und Hardware-Lebenszeit von zehn Jahren aus (bei Apple- oder Microsoft-Produkten reden wir erfahrungsgemäß von einem Jahr), so bedeutet dies, dass mit der Investition in eine Soft- und Hardware diese sich in diesen zehn Jahren bezahlt gemacht haben muss. Denn dann ist der Fortschritt drum herum so groß, dass neue Investitionen erfolgen müssen.

Nehme ich unseren eigenen Betrieb als Beispiel – die Silberbesteckproduktion -, so rede ich über vermutlich 250 000 bis 400 000 produzierte Besteckteile in zehn Jahren – allerdings aus einer Palette von rund 1500 verschiedenen Stücken (das wäre schon der Optimalfall – insgesamt haben wir rund 15 000 verschiedene Besteckteile seit Bestehen unseres Unternehmens entworfen und gefertigt). Von dem einen Löffel werden mehr gefertigt, von dem anderen sehr viel weniger. Das heißt, mein Aufwand muss für viele unterschiedliche Produkte mit teilweise sehr geringen Stückzahlen passen. Ist das realistisch? Wohl eher nicht. Wir reden ja nicht von einem Warenwirtschaftssystem (haben wir), Internetseite, eMail und Facebook (haben wir), Smartphones und Automobile haben wir natürlich auch schon – also stellt sich die Frage, worauf die Veränderung „4.0“ abzielen könnte.

Auf den Händler-Kontakt? Der Händler ruft an, benötigt die Gravur-Kombination „F“ und „D“ für seinen Kunden, der gerade im Geschäft beraten wird. Schnellste Lösung: drei Seiten Gravur-Kombination aufs Fax gelegt, er kann diese dem Kunden zeigen und nach zehn Minuten ist das Rückfax da – eine Kombination in einer Zierschrift ist angekreuzt. Fertig.

Ich frage mich: Wäre er besser dran, wenn er die Kombinationen im Internet hätte abrufen können, während er den Kunden im Geschäft berät? Ich frage mich mal zurück: Hat der Händler seinen Acrobat Reader für PDFs aktuell – oder macht er jetzt vor den Kunden-Augen erstmal ein Update, damit er nach zwanzig Minuten (Java war auch veraltet und aktualisiert sich schnell noch mit) dann auch noch die richtige Kombination aus den etwa 500 Seiten mit jeweils 20 bis 50 Möglichkeiten herausgesucht hat, endlich etwas vorzeigen kann? Oder will er das doch lieber dem Fachmann – hier: seinem Lieferanten, der sich längst den Ladenöffnungszeiten im Büro angepasst hat – mit der veraltet scheinenden, aber fehlergeringen Fax-Technik überlassen?

Zielt die Veränderung vielleicht auf die Lieferanten-Kommunikation? Gegenfrage: Wieviel Material benötigt wohl eine Manufaktur so im Monat? Reicht die Bestellung per eMail oder Fax (wegen der geforderten Unterschrift) nicht aus?

Bleibt der Endkunde… Der Endkunde ist überglücklich mal alle seine Fragen an den Hersteller stellen zu dürfen. Benötigt der Endkunde einen Zugang in die Produktion der Manufaktur? Nein, benötigt er wohl kaum, da den meisten Endkunden eh die Vorstellungskraft für Produktionsprozesse und die Menge der Möglichkeiten fehlt, es die allermeisten auch nicht interessiert.

Geht es um einen Konfigurator für Bestellungen? Nach meiner bald 20jährigen Tätigkeit für Manufakturen, denke ich: nicht. Denn: Vom Typ her möchte der Endkunde ein bisschen fachsimpeln, feststellen, ob er bei genau diesem Hersteller ‚richtig‘ ist, dort seinen Kauf nach reiflicher Überlegung und Beschäftigung zu tätigen. Er möchte nochmal von einem Menschen am anderen Ende der Telefonleitung versichert bekommen, dass das Bestellte zum gewünschten Termin geliefert wird. Er liebt einfach den Kontakt mit den Menschen ‚dahinter‘, mit den Menschen, die die Produkte herstellen und alles so genau wissen…

Die Diskussion verlief an diesem Nachmittag in Potsdam an der Diskussionsfront 3-D-Druck versus Handarbeit.

3-D-Druck ist faszinierend. Aber relativ langsam. Und hängt von der Qualität der Programmierung ab. Zeit ist Geld. Programmierung kostet Geld. Und es gibt da den zusätzlichen entscheidenden Unterschied: Der Schmied verformt manuell und erhält am Ende einen Stahl mit besonderer Schnitthaltigkeit – der Drucker verschweißt oder verklebt Pulver. Heraus kommt so etwas wie: Eisen, nicht so sehr schnitthaltig. Das ist zwar nur ein Bild – aber es scheint mit irgendwie passend.

Die Bremerhavener Biozoon Food Innovations GmbH wurde gerade mit dem Schütting-Preis, dem Innovationspreis der Bremer Handelskammer, ausgezeichnet für sein Spezialessen aus dem 3-D-Drucker – ein geliertes Lebensmittel, dass Menschen mit Kau- und Schluckstörungen helfen soll: Bohnen im Speckmantel an Lammrücken? Schmeckt so, ist aber Gel. Das Unternehmen hat 24 Mitarbeiter und macht 1,2 Millionen Euro Umsatz. Haken an der Sache: Das Essen ist relativ teuer, denn es muss auf den jeweiligen Patienten und seine Kau- und Schluckfähigkeiten zugeschnitten sein. Da haben wir wieder die Losgröße 1… Und die Frage, warum wir Manufakturen eben doch eher mit Slowfood harmonieren und in einem Boot sitzen, als mit ‚Smoothfood 1.0‘, wie der derzeitige Fachbegriff für das Gel-Essen derzeit ist.

Das größte Problem der „4“ vor der „0“ ist jedoch, dass es die Manufakturen von ihrer DNS wegführt – der Handarbeit und dem Menschen, der im Manufakturprodukt zu finden ist und vom Kunden gesucht wird. Denn die Renaissance der Manufakturen begann vor 20 Jahren nicht in der Faszination der Betreiber für immer vertieftere Technik – sondern in der Begeisterung der Kunden für die Handarbeit, für den Menschen, der trotz seriellen Fertigung im einzelnen Produkt zu finden ist.

Der Mensch – und seine Kompetenz. Seine Meisterschaft in vielen Dingen, vor allem in seiner Urteilskraft. Wann ist ein Produkt ‚gut‘? Kann das ein Roboter entscheiden?

Das unterscheidet Manufaktur und Industrie. Serielle Fertigung – jedoch in Verantwortung des Menschen und nicht der Vorgabe. Nicht das Fließband, das unnachgiebig weiterläuft. Sondern das Auge und die Entscheidung des Mitarbeiters. Und das ist auch das, was der Kunde will – es sei denn, eine Maschine könnte es besser. Dann wäre der Arbeitsplatz futsch, das ist klar.
Kurzes Fazit: Der Charme der Manufakturen liegt gerade in der arbeitsteiligen Handarbeit und im Erkennen der Handarbeit und des Menschen im Produkt. Das Programmieren von Software kostet noch zuviel Zeit und damit Geld, Drucker sind zu langsam und scheinen – wenn überhaupt – im Prototypenbau interessant. Neue Techniken sind dann interessant, wenn sie neue Möglichkeiten und neue Produkte für die Hersteller eröffnen, das ist klar. Reine Automatisationen laufen dem Manufakturgedanken zuwider und bringen noch nicht mal die körperlichen Entlastungen, die dem Außenstehenden interessant erscheinen (Betriebssport und -yoga erübrigt sich beim Konsumgüterhersteller möglicherweise, wenn man eh körperlich arbeitet und ab und an mal die Halbfertigteile zum Kollegen bringt und die Muskulatur ‚abweichend‘ durchblutet wird). Auch digitale Kundennähe ist beim doch recht häufigen Endkunden-Kontakt in der Regel eher ein Wunsch der Hersteller als der Kunden…
Trotzdem finde ich die Diskussion und die Gedankenspiele interessant. Und auch deshalb veranstaltet der Verband Deutsche Manufakturen alljährlich das „Zukunftsforum Deutsche Manufakturen“… Wer eine Idee zur weiteren Zukunft der Manufaktur-Idee hat, bringe sich ein!

Fotos: Deutsche Manufakturenstraße e. V.

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Hier einige Eindrücke vom 1. Brandenburger Manufakturentag:

fishINTERNATIONAL – alles rund um Fisch, Kaffee und Schnaps

14. Februar 2016, Bremen. Deutschlands einzige Fachmesse rund um den Fisch und Seafood – heißt es im Katalog der 15.fishINTERNATIONAL, die heute in Bremen eröffnet wurde. Klingt erstmal vielversprechend, vielleicht kann ich hier ja neue Trends im Food-Bereich entdecken. Doch nur mit Meerestieren und ihrer Verarbeitung lässt sich selbst an der Nordseeküste keine wirtschaftlich tragfähige Messe mehr organisieren und so hat der Veranstalter, die Messe Bremen, parallel die GASTRO IVENT dazu gepackt. Das Ergebnis ist Beliebigkeit im Angebot, eine Gastro-Messe mit einem Schwerpunkt Fisch. Hersteller von Restaurant-Möbeln und originellen Papierservietten haben ihre Stände neben zahlreichen Produzenten von Fischverarbeitungsmaschinen, von Kaffee-Automaten und der Fleisch-Gourmet-Manufaktur.

Autsch. In diesem Umfeld schaut man meistens lieber schnell weg, wenn jemand seine Firma Manufaktur nennt. Beispielsweise eine „Convenience Manufaktur“ offeriert ein sehr durchschnittliches Salatbüffet in Großküchen-ähnlichen Behältern, ein Angebot, mit dem offenbar Betriebskantinen beliefert werden.

Gibt es hier überhaupt etwas, das Liebhaber von Manufaktur-Produkten interessieren könnte? Ich treffe auf den Stand der BrennerEy, ein kleiner Familienbetrieb, in dem Gründer Gerhard Ey erst seit 2011 edle Brände, Geiste und Liköre herstellt. „Wir arbeiten nur mit handverlesenem Obst bester Qualität, jegliche Faulstellen oder Stiele und Blätter werden aussortiert“, sagt Gerhard Ey. „Außerdem lassen wir uns Zeit bei der Vergärung, denn nur so können die Aromen übertragen werden.“

Und noch eines ist Ey wichtig: „Man muss es gerne machen.“ Er macht die Brennerei so gerne, dass er vor fünf Jahren seine Leitungsfunktion bei einem Automobilzulieferer aufgebeben, das Hobby zum Beruf erklärt und diese Manufaktur gegründet hat.

Enthusiasten sind auch die Inhaber von Welsländer. 15 Jahre haben sie in die Entwicklung ihres Produkts gesteckt und herausgekommen sind Würste aus Fisch. Zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig, wenn da die Lyoner neben dem Wienerle und einer Krakauer liegt – und alle sind aus Fisch. „Wir stellen unsere Würste ausschließlich aus Filet vom Wels her“, erzählt Geschäftsführer Stefan Bürgelin. „Die Fische werden in Deutschland in kontrollierten Aquakulturen gezüchtet, ohne Wachstumsförderer und frei von Antibiotika“. Die Würste lassen sich roh oder gegrillt essen, im Geschäft kosten drei Stück circa 4,50 Euro. Seit zwei Jahren sind die Welsländer jetzt auf dem Markt und das Geschäft boomt. Pro Monat werden 3-4 Tonnen Wels verarbeitet, Edeka-Süd, Metro und Transgourmet haben die Fischwürstchen inzwischen in ihr Angebot übernommen. Und wie schmecken diese Würste nun? Sehr knackig, die Haut ist sogar fast ein bisschen zu fest, und jedenfalls nicht nach Fisch, höchstens bei manchen Sorten ein wenig im Nachgeschmack. Irgendwie beliebig also. Und das passt dann auch zu dieser Messe.

Signet: Manufakturen-Blog

 

Verband Deutscher Manufakturen e. V. lädt zum „Come together“ auf der „Ambiente 2016“

5. Februar 2016 – Anlässlich der „Ambiente“ in Frankfurt am Main laden wir wieder alle Manufakteure herzlich zum Ausklang des dritten Messetages zu einem „Come together“ und Austausch an den Stand unseres Gründungsmitglieds Gehring Schneidwaren ein:

Sonntag, 14. Februar 2016, Halle 3.1, Stand F 02, 17.00 – 17.45 Uhr

Gesprächs-Themen werden u. a. sicherlich sein: die Deutsche Manufakturenstraße sowie der Wettbewerb zum
Manufaktur-Produkt des Jahres 2016

Wir freuen uns auf das Treffen in Frankfurt!

Wigmar Bressel
Hartmut Gehring
– Vorstand des Verbandes Deutsche Manufakturen e. V. –

www.deutsche-manufakturen.org

Foto: Deutsche Manufakturen e. V.

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