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Von Weihnachtsmännern, Krippen und dem Christkind – Marolins Papiermaché aus dem Schiefergebirge

16. Dezember 2016, Steinach. Eine der faszinierendsten Manufakturen, die uns die deutsche Wiedervereinigung beschert hat, ist der Figuren-Hersteller Marolin aus dem thüringischen Steinach. Faszinierend, weil das Unternehmen seit dem Jahr 1900 Weihnachtsmänner, Osterhasen, Krippen aus der selbstentwickelten und markenrechtlich geschützten Marolin-Masse herstellt – einer Papiermaché, die ähnlich Porzellan entweder in Model gedrückt oder in Gipsformen gegossen wird; anschließend erfolgt das Bemalen von Hand.

Das Unternehmen wurde von Richard Mahr gegründet und gemeinsam mit seiner Frau Minna entwickelt. Mahr war figürlicher Porzellanmaler, hatte auch in einer Porzellanmanufaktur gearbeitet. Er beschloss sich jedoch auf Papiermaché zu konzentrieren – er vermutete einen Wettbewerbsvorteil bei den Kunden im Vergleich zum teureren Porzellan. Er tüftelte und probierte – irgendwann hatte er das passende Material, gab ihm die ersten beiden Buchstaben seines Namens. Und tatsächlich machte das Unternehmen seinen Weg, beschäftigte vor dem 2. Weltkrieg bis zu 150 Mitarbeiter. Im Jahr 1940 erfolgte die kriegsbedingte Einstellung der Produktion.

Nach dem Krieg der Neustart – aber mit der Block-Bildung und der Zugehörigkeit zum Ostblock das Aus für Krippen und Weihnachtsmänner, Osterhasen und anderen Schmuck aus Marolin für die Jahreszeitenfeste. Vorläufiger Tiefpunkt: Die Enteignung im Jahr 1974, die Überführung in einen  „Volkseigenen Betrieb“ („VEB“) und schließlich als Betriebsteil eines Kombinats. Was der Ostblock beim Betriebsteil „Marolin“ orderte, waren Plastik-Spielfiguren im Spritzgussverfahren. Und irgendwann auch der Westen: Vedes, Karstadt, ToysRus bestellten günstig in Steinach in der DDR.

Dann kam das Ende der DDR… Evelyn Forkel, Urenkelin des Firmengründers, studierte Bauingenieurin, wandte sich gemeinsam mit ihrem Vater, der im Außenhandel des Kombinates, das sich das elterliche Unternehmen einverleibt hatte, weitergearbeitet hatte, an die Treuhand, kaufte den früheren Familienbetrieb zurück. Es schwang Nostalgie mit – aber es war auch eine Flucht nach vorn: Das Geschäft mit den Kunststoff-Spielzeugtieren lief und hätte doch eine Zukunft auch nach der Wiedervereinigung bieten können… Bot es aber nicht. In kürzester Zeit waren die West-Kunden aufgrund steigender Löhne und Gehälter weg. Und guter Rat teuer.

Wirklich teuer. Denn das Marolin-Rezept war auch weg. Es galt schon lange als verloren. Weil sich zu DDR-Zeiten niemand mehr dafür interessiert hatte. Ein großer Brand hatte sich im Jahr 1958 durch die Fachwerkimmobilie gefressen, auch noch viele alte Formen vernichtet.

Beim großen Aufräumen gab es die Überraschung: Auf einer Kellertür stand das verlorengeglaubte Rezept geschrieben, hatte in der Unbeachtung überlebt – und das Unternehmen konnte zu seinen Wurzeln zurückkehren.

Unter der Bezeichnung Papiermaché wurden schon verschiedenste Massen angerührt – die von Marolin besteht aus Ton, Kaolin, Pflanzenleim – und eben Papierfasern. Hinzu kommen Skelettdrähte, die den größeren Figuren zusätzliche Stabilität verleihen. Die genaue Zusammensetzung ist natürlich ein Betriebsgeheimmnis.

Tja, handbemalte Papiermaché – ökologisches und nachhaltiges Material hin, modernste zertifizierte Acrylfarben her – braucht das irgendjemand im 21. Jahrhundert? Waren nicht die schwerverwüstlichen Kunststoffspritzguss-Spielzeugtiere genau das Richtige für Kinder?

Christian Forkel, Richard Mahrs Ururenkel, der Verkauf und Marketing von Marolin leitet, sieht das natürlich auch so: „Echte Marolin-Figuren sind eher empfindlich. Ähnlich Porzellan. Es kann etwas abbrechen – und sie dürfen besser nicht runterfallen. Obwohl wir Vieles reparieren können.“ Und sie wären auch teures Spielzeug: Kleine Figuren kosten schonmal dreißig Euro, große mehr als hundert und mehr.

„Es handelt sich auch im eigentlichen Sinn nicht um Spielzeug, sondern um Design und Kunsthandwerk.“ Vielleicht auch Kulthandwerk – seriell – aus der Manufaktur. Denn die Figuren haben einen ganz eigenen Charme. Ihnen fehlt die Lackiertheit von Porzellanfiguren. Sie sind angenehm leicht, wirken fast zerbrechlich. Die Gestaltung ist eher naturalistisch… – aber kann man das von einer Figur, wie dem Weihnachtsmann, überhaupt sagen?

Marolin fertigt rund 50 verschiedene Weihnachtsmänner – in verschiedenen Größen und Ausführungen – der Verrückteste sitzt in einer Art Seifenkiste aus einem großen Schuh, ein Anderer aus den 1950er Jahren trägt ein Kind – dem Christkind sehr ähnlich – auf seiner Schulter. Forkel: „Das kann man ironisch sehen – die Figur entstand unter dem Eindruck der jungen DDR.“

In Zeiten von Facebook werden Diskussionen dazu „socialnetworkend“ geführt. Eintrag auf der Marolin-Facebook-Seite: „Lasst doch diesen neumodischen Kram“ – gemeint ist der Weihnachtsmann.

Dabei ist der Weihnachtsmann eine der wirklich alten Figuren der Menschheit. An der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale sitzt ‚der‘ deutsche Spezialist für den Weihnachtsmann – der Ethnologe Professor Dr. Thomas Hauschild. Hauschild veröffentlichte im Jahr 2012 den 6000 Mal verkauften wissenschaftlichen Bestseller „Weihnachtsmann – die wahre Geschichte“ (S. Fischer Wissenschaft, ISBN 978-3-10-030063-8) – im Gespräch dazu sagte er mir: „Die Idee vom Weihnachtsmann entstand vermutlich zuerst in Asien. In China gibt es den Gott Shou Xing, den kann man seit etwa dreitausend Jahren nachweisen. Der sieht unserem heutigen westlichen Weihnachtsmann sehr ähnlich – roter Mantel, weißer Bart, individueller Helfer im kalten Winter und ansprechbar für ein langes Leben.“ Und: Shou Xing fährt im rentiergezogenen Schlitten über das Firmament. „Dann gibt es den ‚Weißen Alten‘, der aus dem Himalaya in die Mongolei hinabsteigt – der ist auch sehr alt, aber mangels schriftlicher Zeugnisse schwer zu datieren.“ Und um 600, 700 unserer Zeitrechnung taucht der Bischoff von Myra (heute: Demre) aus Kleinasien bei uns auf – Nikolaus. Hauschild: „Man muss die Seidenstraße mitdenken, den uralten Austausch. Die Chinesen tauchten um Fünfzehnhundert mit Schiffen, die dreimal so groß waren, wie die von Columbus, an der Ostküste Afrikas auf. Da war der Austausch um die Idee vom Weihnachtsmann längst in vollem Gang. Ich denke, seit dem frühen Mittelalter war der Weihnachtsmann bei uns in Europa ein Faktor. Aber ich spreche sowieso lieber von einem Geflecht, er ist heute überall auf der Welt anzutreffen – die Weihnachtsmann-Idee ist gut und groß. Sie gehört zur Menschheit. Kindern und Alten, Schwachen und Kranken in Dunkelheit und Kälte zu helfen und ihnen etwas zu schenken – das ist eine einfache und zugleich starke Idee. Man könnte auch sagen: Der Weihnachtsmann steht für die Menschenrechte.“

Und das Christkind? Hauschild: „Das Christkind ist ja eine Idee der Reformation, von Martin Luther und der evangelischen Bewegung, sollte den Weihnachtsmann-Kult eindämmen und dem Christentum etwas für die kalten Tage und Nächte im Winter geben – es konnte sich jedoch nie durchsetzen. Kurioserweise ist es heute eher in katholischen Gegenden zu Hause. Aber es ist einfach nicht spannend genug.“

Heute fertigt Marolin – ganz korrekt: die Richard Mahr GmbH – wieder rund 1300 verschiedenste Figuren. Aus der selbstentwickelten Marolin-Masse. Nach den Entwürfen von Richard Mahr selbst, aber vor allem nach denen seines Mitarbeiters Julius Weigelt, inzwischen aber auch nach denen seines Ururenkels Christian Forkel. Wenn man Forkel folgenden Halbsatz hinwirft: „Das Weihnachtsgeschäft ist…“, dann beendet er ihn irgendwie seufzend so: „…dominierend. Wir machen 80 Prozent unseres Jahresumsatzes in dieser Zeit. Schöner wäre es, wenn es kontinuierlicher liefe – aber es ist eben so.“ Einzige Unterbrechung: die Osterzeit mit den Osterhasen – auch wieder so ein Marolin-Thema.

Marolin baut einstweilen Weihnachten weiter aus. Inzwischen hat man sich das Bemalen von Glas angeeignet, historische Formen für Weihnachtsbaumschmuck aus Thüringen aufgekauft. Forkel: „Viele Leute sind die modernen Farbvorgaben aus dem Handel – dieses Jahr pink, nächstes Jahr blau – leid. Sie wollen traditionellen Schmuck kaufen können. Das bieten wir jetzt auch.“ Gerade ging der neue Internet-Shop online.

Fotos: Christian Forkel, Wigmar Bressel

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Ausstellung „Die schönsten Manufaktur-Produkte – 45 neue Meisterstücke aus deutschen Manufakturen“ im Direktorenhaus in Berlin

9. Dezember 2016, Berlin. Die vorweihnachtliche Ausstellung im Direktorenhaus in Berlin zeigt 45 neue und wiederentdeckte Meisterstücke aus deutschen Manufakturen. Sie zeigt, dass auch Manufakturen ständig neue Produkte entwerfen, weiterentwickeln, modernisieren – für einen sich ständig weiterentwickelnden Markt.

Schön. Mit einem großen Anteil Handarbeit. Innovativ.

Vom feinen doppelwandigen Porzellan bis zur neuen Messerform. Von Globus bis Uhr. Von Maßschuh bis zum „unkaputtbaren“ Brillengestell. Alles Manufakturarbeit.

Von ALLGÄUER KERAMIK, BERLINER MESSINGLAMPEN, COLUMBUS VERLAG, KAFFEERÖSTEREI DE KOFFIEMANN, EMIL SCHEIBEL SCHWARZWALDBRENNEREI, FLAIR, FEINGERÄTEBAU K. FISCHER, GÜDE, MONO, PORZELLANMANUFAKTUR FÜRSTENBERG, STRICKMANUFAKTUR ZELLA, TUTIMA UHRENFABRIK, WALDMANN, WENDT & KÜHN, KUPFERMANUFAKTUR WEYERSBERG, MAROLIN, DIBBERN, LMW LEUCHTENMANUFACTUR WURZEN, GLASMANUFAKTUR VON POSCHINGER, GEHRING, MÜHLE SHAVINGS, SGT SPEZIAL- UND GERÄTETASCHEN, VICKERMANN & STOYA, TAMESIS DESIGN.

Begleitet wird die Ausstellung von Fotografien des Künstlers Stefan Berg. Durch die Beobachtung eines Schuhmachers hat Berg Sinn und Sinnlichkeit, Innovation und eine sehr am Menschen orientierte Arbeitsform neu entdeckt.

Vernissage: 9. Dezember 2016, 19.00 Uhr

Ausstellungslaufzeit: 12. – 19. Dezember 2016, Mo – Fr 9.00 – 17.00 Uhr, Sa 14.00 – 17.00 Uhr, So geschlossen

Eintritt frei

Direktorenhaus – Museum für Kunst Handwerk Design, Am Krögel 2, 10179 Berlin

Ein Gemeinschaftsprojekt von Direktorenhaus und Verband Deutsche Manufakturen e. V.

Foto: Deha Uzbas

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„Industrie 4.0 ist in der Manufaktur kein Widerspruch“

29. November 2016, Raubling. Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt immer weiter zu einem Internet der Dinge zusammen. Die Kennzeichen der künftigen Form der Industrieproduktion sind die starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten Produktion, die weitgehende Integration von Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartnerinnen und -partnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse und die Verkopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen, die in sogenannten hybriden Produkten mündet. Die deutsche Industrie hat jetzt die Chance, die vierte industrielle Revolution aktiv mitzugestalten. Mit dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 wollen wir diesen Prozess unterstützen.

Ist Industrie 4.0 in der Manufaktur ein Widerspruch? ‚Made in Germany‘ ist als Marke nicht mehr selbstverständlich ein Garant für die Zukunft Deutschlands als Technologiestandort. Nicht stehen bleiben, sondern sich weiter entwickeln heißt die Devise, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Industrie 4.0 stellt uns vor neue Herausforderungen, bietet aber auch enorme Chancen.

Wir von der IDE-Compressors Manufaktur haben uns zu allererst gefragt, ob Industrie 4.0 überhaupt ein Thema ist, das sich in einer Maschinenbaumanufaktur wirkungsvoll verwirklichen lässt – oder stellt es bei aller Prozessautomatisierung eher einen Hemmschuh dar?

Wie stellt man jedoch den eigenen Betrieb zukunftssicher auf, macht ihn „Industrie 4.0 ready“ und wappnet sich für die digitale Zukunft?

Im Austausch mit einigen Gesprächspartnern stellte ich immer wieder fest, dass oft der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen wird und viele das Thema mit der alleinigen Digitalisierung der Produktion assoziieren.

Industrie 4.0 bietet jedoch sehr viel mehr Möglichkeiten.

Es ist notwendig, Netzwerke zu schaffen, die unsere Manufaktur befähigen, überproportionale Auftragsvolumina so zu handhaben, dass am Ende auch noch ein Ertrag dasteht. Dies bedeutet, mit verlängerten Werkbänken zu arbeiten. Natürlich streben wir nach kontinuierlicher Auslastung, wir können sie jedoch nur bedingt steuern – und gegen Einbrüche im Auftragseingang ist man nicht gefeit. Dafür braucht es dann Ideen, um die Beschäftigung aufrecht zu erhalten.

Der Service ist im Bereich Maschinen- und Anlagenbau ein kontinuierlich wachsender Bereich. Über den Service hinaus sind wir dabei, eine Reihe von Dienstleistungen herauszuarbeiten. Wir sind im Bereich der vernetzten Kompressoren und Füllanlagen sicherlich Vordenker und in einigen Bereichen Technologieführer. Unser Angebot geht eher in Richtung Nullserienfertigung und Ablaufmanagement.

Das Leitmotto ‚Industrie 4.0‘ der Hannover Messe war genau der richtige Impuls. Jetzt gilt es, gemeinsam auch mit Marktbegleitern an definierten Schnittstellen zu arbeiten, um die Vernetzung von Maschinen und Anlagen – insbesondere in der Klein- und Nullserienfertigung – zu standardisieren. Wir werden hier unsere Kernkompetenz, die wir uns in der Entwicklung von Hard- und Softwareschnittstellen und Steuerungen erarbeitet haben, weiter ausbauen und uns als Problemlöser grundsätzlich für alle auf dem Atemluft- und Hochdruckkompressoren-Markt anbieten.

Wir haben 2015 entschieden, dass wir eine komplett neue modulare Digitale HMI-Steuerung und -Überwachung entwickeln werden. Mit diesen modularen Steuerungen werden am Ende mehrere Maschinen-Baureihen ausgestattet.

Damit wollen wir interessierte Kunden, die beispielsweise Anlagen benötigen, die mit einem digital vernetzten Rundum-Sorglos-Paket ausgerüstet sind, gewinnen und bedienen.

Das Gros unserer Wettbewerber ist auf Masse getrimmt. IDE-Compressors Manufaktur ist eine Ideenfabrik, ein Think Tank, – und eine Manufaktur, die kundenspezifische Probleme löst. Wenn es sein muss, bauen wir Maschinen in der Losgröße eins. Wir sind unsere eigene Prozesskette, da wir eine eigene Soft- und Hardwareentwicklung im Haus haben und in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen in Bezug auf die Antriebs- und Steuerungstechnik.

Wir werden auch in Zukunft verstärkt hoch spezialisiert und absolut kundenorientierte Lösungen anbieten, die unseren Kunden weltweit schnell und zuverlässig Vorteile und Kosteneinsparungen bringen. Um unsere Flexibilität zu bewahren, werden wir den Massenmarkt Anderen überlassen. Wir haben natürlich über die verlängerte Werkbank auch eine Serienfertigung. Diese ist notwendig, um dem Wettbewerb bei preissensiblen Produkten gerecht zu werden. So etwas lässt sich nicht auf der Manufaktur-Basis machen.

Wir gehen in der Zukunft den Weg des Ausbaus der eigenen Infrastruktur, für uns ist das Gebot der Stunde, die bisherigen Investitionen zu schützen und neue Dienste für ihre Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter zu entwickeln, um diese an uns zu binden. Denn das erhöht die Zufriedenheit aller Beteiligten und schafft mehr Visibilität. Wir entwickeln Technologien zur Integration der IT-gestützten Steuerungen, Produktions- und Qualitätsüberwachungs-Systeme und die Überwachung der dazugehörigen Prozesse und „Service Levels“.

Somit haben wir uns die Basis für weitere Schritte in der Zukunft geschaffen.

Mein Fazit: Industrie 4.0 ist in der Manufaktur kein Widerspruch.

Foto: IDE-Compressors Manufaktur GmbH / Gabriele Adam

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Lebensmittel-Manufakturen nutzen die Messe „Fisch & Feines“ – und sind sehr zufrieden

5. November 2016, Bremen. Die Bremer Gourmet-Messe „Fisch & Feines“ (4.-6. November 2016) hat sich entwickelt… Ursprünglich mal als „SlowFisch“ und nördliche Partnerin der „SlowFood“ in Stuttgart gestartet, tat ihr die Trennung von der Genuss-Organisation SlowFood Deutschland als Messepartner offensichtlich ganz gut (SlowFood ist natürlich trotzdem auf der Messe vertreten). Inzwischen ist sie rund. Die Laune der Aussteller und Besucher prächtig – darunter einige, teilweise renommierte und prämierte Lebensmittel-Manufakturen. Vorweggenommen mein Fazit: Unbedingt hingehen!

Das Lob gebührt Jürgen Fricke und seinem Team von der Bremer Messe, das die Veranstaltung über die Jahre immer weiter verfeinert hat und inzwischen immer besser passende Aussteller akquiriert. Besser auch in dem Sinne, dass diese gut zueinander passen müssen. Sich ergänzen – und die Erwartungen eines verwöhnten Publikums erfüllen. Jürgen Fricke ist auch soweit zufrieden, wie es ein Messe-Verantwortlicher während der laufenden Veranstaltung sein kann: „Wir geben uns Mühe, aus unserer Sicht passende Aussteller anzusprechen, fahren dafür auch zu interessanten Unternehmen und schauen uns die an.“

Direkt neben einem Backwarenstand in der Halle 1 steht der Lilienthaler Kaffeeröster de koffiemann – Mitarbeiterin Janin Seidel verrät grinsend: „Am Nachmittag war unser Milchvorrat erschöpft – wir hatten nicht mit solch einem großen Interesse gerechnet.“ Na ja, Milch kann man schnell beschaffen. Schlechter war es, als die Profi-Kaffeemaschine von Cimbali plötzlich den Druck nicht mehr durch die Siebe leiten wollte, Café Crema ausfiel… In einer Nachtschicht soll die Maschine wieder voll einsatzfähig gemacht werden.

De koffiemann ist ein innovativer 14-Mitarbeiter-Betrieb, der mit dem langjährigen Background des väterlichen Kaffeehandels von Cornelia Dotschat im Jahr 2009 gegründet wurde. Privatrösterei kann ja theoretisch jeder – aber Innovation ist das Stichwort, das Cornelia Dotschat zur Unternehmerin macht. Obwohl ihre Rösterei noch so jung und klein ist, hat sie im Frühjahr 2016 eine wunderbare Filterkaffee-Idee entwickelt und umgesetzt: Manufakturkaffee im Filterbeutel für eine Tasse. Das Ergebnis unter dem Produktnamen „CupIn“ bietet den tollen Geschmack des langsam gerösteten Kaffees – in Kombination mit der ständigen Verfügbarkeit bei heißem Wasser (also auch auf dem Hotelzimmer und auf Reisen). Der Einzelhandel hat schon unglaubliche Mengen davon verkauft. Dafür wurde de koffiemann vom Verband Deutsche Manufakturen im Wettbewerb um das „Manufaktur-Produkt des Jahres 2016“ mit dem „Sonderpreis Beobachtung von Trends“ ausgezeichnet.

Im September hat Dotschat nun Kapseln für das Nespresso-System in den Markt gebracht – Manufakturkaffee für das beliebte System! Von solch einer kleinen Firma… Klasse!

Ein paar Meter entfernt steht die Natura Wild Gourmetmanufaktur aus dem niedersächsischen Merzen… Was macht diesen Hersteller von Wild-Delikatessen so besonders? Jendrik-Michael Bluhm: „Wir erlegen alles Wild selbst. In unseren eigenen Revieren.“ Wenn man das hört, rechnet man im Kopf und fragt sich, wie groß dann solch ein Betrieb wohl sein kann. Ein Mitarbeiter? Oder ist das Hobby? Aber da liegt man natürlich falsch… Bluhm – von der Ausbildung her Koch und natürlich selbst Jäger: „Wir verfügen über zehntausend Hektar eigene Reviere. Da haben wir natürlich auch Berufsjäger.“ Und der Abschussplan ist bei einer so großen Fläche ja auch entsprechend hoch. Aber auch der Arbeitsaufwand für alles, was damit einhergeht: Pflege des Reviers, Hege des Wilds im Winter.

Wildfleisch wird von Natura keines zugekauft. Trotzdem arbeiten zwölf Mitarbeiter allein in der Schlachterei. Bluhm: „Wir wollen wissen, was wir verarbeiten. Wir nehmen auch nichts aus Drückjagden oder anderen Gesellschaftsjagden. Denn man schmeckt es doch, wenn das Tier zuvor Stress ausgesetzt war.“ Das Unternehmen hat große Pläne, will nun auch noch beim Schweinefleisch „autark“ werden (Wildwürste werden praktisch immer mit Schwein kombiniert, da das Wildfleisch in der Regel zu trocken für die Verwurstung ist und das Fett des Hausschweins braucht): „Wir wollen uns auch da selbstversorgen. Das dient alles der weiteren Qualitätssteigerung“, sagt Jendrik-Michael Bluhm.

Das Land Niedersachen hat die Natura Wild Gourmetmanufaktur im Jahr 2015 zum Kulinarischen Botschafter Niedersachsens erhoben – dafür reiste extra Ministerpräsident Weil nach Bremen und Verlieh die Auszeichnung auf der Fisch & Feines.

Veggie und vegan gibt es auf der Messe natürlich auch. Zum Beispiel um Obst geht es einige Stände weiter bei Elbler. Das Hamburger Unternehmen wurde im Jahr 2012 gegründet – es ging wie so oft um eine Lücke: Nach Meinung der Gründer Jan Ockert und Stefan Wächter fehlte dem deutschen Getränkemarkt dringend Deutscher Cidre. Inzwischen hat das Unternehmen mit seinen Lieferanten aus dem Alten Land (also zwischen dem niedersächsischen Stade und Hamburg-Finkenwerder gelegen) eine ganze Palette aus Cidre und Glühwein mit und ohne Alkohol aufgebaut. Christoph Marnitz erzählt am Messestand: „Alle Äpfel sind Bio, es gibt keinen Zusatz von Zucker und anderen zulässigen Dreingaben.“

Elbler hat sich rasant entwickelt, hat inzwischen zehn Mitarbeiter – und ist weltweit unterwegs. Zum Beispiel mit der „Handmade in Germany Worldtour“ des Berliner Direktorenhauses – einer Ausstellungs-Weltreise von 150 deutschen Manufakturen, Kunsthandwerkern und Designern. Nächster Stopp der Ausstellung: im chinesischen Szenzhen.

Noch ein paar Stände weiter präsentiert sich Schamel, Deutschlands berühmter Meerrettich-Verarbeiter aus dem bayrischen Baiersdorf (mehrfach ausgezeichnet als „Marke des Jahrhunderts“), ein im Jahr 1846 gegründeter Familienbetrieb mit 50 Mitarbeitern, der sich zwar nicht als Manufaktur sieht, aber trotzdem für Manufaktur-Kunden interessant ist: Neu ist Senf von Schamel, im Jahr 2015 auf den Markt gebracht. Es wäre vermutlich kein Schamel-Produkt, wenn der Senf nicht Meerrettich enthielte. Das gibt dem von mir favorisierten „Süßen Senf“ eine wunderbar pikante Note. Das Glas kostet EUR 1,50 am Messestand. Einfach mitnehmen.

Auf dem Rückweg durch Halle 2 sehe ich den Stand von Birgitta Schulze van Loon, Bremens einzige Brennerei mit dem Namen BR Piekfeine Brände, im vergangenen Jahr Drittplazierte mit ihrem Gin Tripple Peak (mit Earl Grey Tee als Botanical, und dann dreifach destilliert) beim „Manufaktur-Produkt des Jahres 2015“. In der Hand hält sie ihren neuen Rum – es ist ein Vorabzug mit handgemachtem Etikett. Schulze van Loon: „Die bestellten Etiketten sind noch nicht da. Hoffentlich kommen sie bis zum Bottle Market Bremen im Dezember.“

Der Rum ist noch jung – dafür nicht mit Zuckerkulör gefärbt. Und er hat einen schönen Namen: „Alma Norte“ – nordische Seele. Übrigens im 50-Liter-Fass der Bremer Fassfabrik Alfred Krogemann –  auch eine traditionsreiche Manufaktur – gelagert.

Ich hatte das Fazit schon vorweg geschrieben: Fisch & Feines 2016 – hingehen!

Messe-Eintritt EUR 9,00 (ermäßigt EUR 7,50)

Fotos: Wigmar Bressel

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Nachtrag 07.11.2016:

Laut Messegesellschaft hatte die „Fisch & Feines 2016“ 221 Aussteller und 37.476 Besucher; die „Fisch & Feines 2017“ ist für den 3. – 5. November 2017 angekündigt.

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„Manufaktur 4.0“ – Überlegungen nach der ersten Podiumsdiskussion

21. Oktober 2016, Potsdam. Am 16. September 2016 fand der 1. Brandenburger Manufakturentag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam statt. Organisiert von der Deutschen Manufakturenstraße e. V. sowie der Kulturland Brandenburg Gesellschaft – eine Auftaktveranstaltung für die Manufakturenstraße in Brandenburg. Gezeigt wurde eine kleine, feine Ausstellung von 20 Brandenburger Manufakturen und manufakturartig arbeitenden Designern, Handwerkern und Herstellern von Konsumgütern, Baustoffen und Lebensmitteln – die Hersteller für die Besucher zum Anfassen, die Geschäftsführer als Gesprächspartner.
Im Rahmen der Ausstellung fand eine Podiumsdiskussion zu Überlegungen nach der „Manufaktur 4.0“ statt, die natürlich auch für die Fachhochschule Potsdam und ihre Absolventen interessant ist. „4.0“ steht in der Industrie für Software-Einsatz in der gesamten Produktionskette vom Designer über den Hersteller bis zum Händler und dem Endkunden, aber auch Beteiligung der Kunden am Design, Transparenz bei den Materialien, Herkunft und Arbeitsbedingungen. Das wird von der Bundesregierung großzügig gefördert. Was könnte analog die förderfähige „Manufaktur 4.0“ werden?

Auf dem Podium saßen neben den Moderatoren Pascal Johanssen und Brigitte Faber-Schmidt drei Hochschulprofessoren der Fachhochschule Potsdam – Prof. Dr. Rainer Funke (Designtheorie), Prof. Alexandra Martini (Gestaltungsgrundlagen), Prof. Hermann Weizenegger (Industrial Design) -, Necdet Yildirim von Carta Forma (Hersteller von Papierwaren aus Oberkrämer), sowie ich als Vorsitzender des Verbandes Deutsche Manufakturen und Silberwarenhersteller (Koch & Bergfeld) aus Bremen.
Ehrlichgesagt warf die Diskussion noch mehr Fragen auf, als sie Antworten ergab – aber vielleicht liegt das auch in der Natur der Sache, wenn es sich um eine Auftaktdiskussion handelt.

Klar ist: Es gab in den vergangenen Jahren wieder große technische Fortschritte. Theoretisch können sich Kunden, Lieferanten, Zulieferer und Hersteller über Software verknüpfen – jeder könnte Einblick in den Produktionsprozess nehmen. Maschinen aus aktuellen Baujahren haben oft eine Computerschnittstelle. Die Frage ist nur: Interessiert das irgendjemanden in der Manufakturenbranche? Die Antwort lautet vermutlich: eigentlich nein. Eigentlich. Und zwar nicht, weil man technikfeindlich wäre – sondern weil häufig schlicht die Anwendbarkeit fehlt.

Man braucht sich nur die Grundsatzfrage zu stellen: Was ist der größte Unterschied zwischen Industrie und Manufaktur? Das ist neben der geringen Mitarbeiterzahl bei Manufakturen auch die geringe Losgröße in der Produktion. Gerade die Losgröße 1 (Sonderanfertigung) stellt die Frage nach der Amortisation jedes Investitionsschrittes.

Geht man einmal optimistisch von einer industriellen Soft- und Hardware-Lebenszeit von zehn Jahren aus (bei Apple- oder Microsoft-Produkten reden wir erfahrungsgemäß von einem Jahr), so bedeutet dies, dass mit der Investition in eine Soft- und Hardware diese sich in diesen zehn Jahren bezahlt gemacht haben muss. Denn dann ist der Fortschritt drum herum so groß, dass neue Investitionen erfolgen müssen.

Nehme ich unseren eigenen Betrieb als Beispiel – die Silberbesteckproduktion -, so rede ich über vermutlich 250 000 bis 400 000 produzierte Besteckteile in zehn Jahren – allerdings aus einer Palette von rund 1500 verschiedenen Stücken (das wäre schon der Optimalfall – insgesamt haben wir rund 15 000 verschiedene Besteckteile seit Bestehen unseres Unternehmens entworfen und gefertigt). Von dem einen Löffel werden mehr gefertigt, von dem anderen sehr viel weniger. Das heißt, mein Aufwand muss für viele unterschiedliche Produkte mit teilweise sehr geringen Stückzahlen passen. Ist das realistisch? Wohl eher nicht. Wir reden ja nicht von einem Warenwirtschaftssystem (haben wir), Internetseite, eMail und Facebook (haben wir), Smartphones und Automobile haben wir natürlich auch schon – also stellt sich die Frage, worauf die Veränderung „4.0“ abzielen könnte.

Auf den Händler-Kontakt? Der Händler ruft an, benötigt die Gravur-Kombination „F“ und „D“ für seinen Kunden, der gerade im Geschäft beraten wird. Schnellste Lösung: drei Seiten Gravur-Kombination aufs Fax gelegt, er kann diese dem Kunden zeigen und nach zehn Minuten ist das Rückfax da – eine Kombination in einer Zierschrift ist angekreuzt. Fertig.

Ich frage mich: Wäre er besser dran, wenn er die Kombinationen im Internet hätte abrufen können, während er den Kunden im Geschäft berät? Ich frage mich mal zurück: Hat der Händler seinen Acrobat Reader für PDFs aktuell – oder macht er jetzt vor den Kunden-Augen erstmal ein Update, damit er nach zwanzig Minuten (Java war auch veraltet und aktualisiert sich schnell noch mit) dann auch noch die richtige Kombination aus den etwa 500 Seiten mit jeweils 20 bis 50 Möglichkeiten herausgesucht hat, endlich etwas vorzeigen kann? Oder will er das doch lieber dem Fachmann – hier: seinem Lieferanten, der sich längst den Ladenöffnungszeiten im Büro angepasst hat – mit der veraltet scheinenden, aber fehlergeringen Fax-Technik überlassen?

Zielt die Veränderung vielleicht auf die Lieferanten-Kommunikation? Gegenfrage: Wieviel Material benötigt wohl eine Manufaktur so im Monat? Reicht die Bestellung per eMail oder Fax (wegen der geforderten Unterschrift) nicht aus?

Bleibt der Endkunde… Der Endkunde ist überglücklich mal alle seine Fragen an den Hersteller stellen zu dürfen. Benötigt der Endkunde einen Zugang in die Produktion der Manufaktur? Nein, benötigt er wohl kaum, da den meisten Endkunden eh die Vorstellungskraft für Produktionsprozesse und die Menge der Möglichkeiten fehlt, es die allermeisten auch nicht interessiert.

Geht es um einen Konfigurator für Bestellungen? Nach meiner bald 20jährigen Tätigkeit für Manufakturen, denke ich: nicht. Denn: Vom Typ her möchte der Endkunde ein bisschen fachsimpeln, feststellen, ob er bei genau diesem Hersteller ‚richtig‘ ist, dort seinen Kauf nach reiflicher Überlegung und Beschäftigung zu tätigen. Er möchte nochmal von einem Menschen am anderen Ende der Telefonleitung versichert bekommen, dass das Bestellte zum gewünschten Termin geliefert wird. Er liebt einfach den Kontakt mit den Menschen ‚dahinter‘, mit den Menschen, die die Produkte herstellen und alles so genau wissen…

Die Diskussion verlief an diesem Nachmittag in Potsdam an der Diskussionsfront 3-D-Druck versus Handarbeit.

3-D-Druck ist faszinierend. Aber relativ langsam. Und hängt von der Qualität der Programmierung ab. Zeit ist Geld. Programmierung kostet Geld. Und es gibt da den zusätzlichen entscheidenden Unterschied: Der Schmied verformt manuell und erhält am Ende einen Stahl mit besonderer Schnitthaltigkeit – der Drucker verschweißt oder verklebt Pulver. Heraus kommt so etwas wie: Eisen, nicht so sehr schnitthaltig. Das ist zwar nur ein Bild – aber es scheint mit irgendwie passend.

Die Bremerhavener Biozoon Food Innovations GmbH wurde gerade mit dem Schütting-Preis, dem Innovationspreis der Bremer Handelskammer, ausgezeichnet für sein Spezialessen aus dem 3-D-Drucker – ein geliertes Lebensmittel, dass Menschen mit Kau- und Schluckstörungen helfen soll: Bohnen im Speckmantel an Lammrücken? Schmeckt so, ist aber Gel. Das Unternehmen hat 24 Mitarbeiter und macht 1,2 Millionen Euro Umsatz. Haken an der Sache: Das Essen ist relativ teuer, denn es muss auf den jeweiligen Patienten und seine Kau- und Schluckfähigkeiten zugeschnitten sein. Da haben wir wieder die Losgröße 1… Und die Frage, warum wir Manufakturen eben doch eher mit Slowfood harmonieren und in einem Boot sitzen, als mit ‚Smoothfood 1.0‘, wie der derzeitige Fachbegriff für das Gel-Essen derzeit ist.

Das größte Problem der „4“ vor der „0“ ist jedoch, dass es die Manufakturen von ihrer DNS wegführt – der Handarbeit und dem Menschen, der im Manufakturprodukt zu finden ist und vom Kunden gesucht wird. Denn die Renaissance der Manufakturen begann vor 20 Jahren nicht in der Faszination der Betreiber für immer vertieftere Technik – sondern in der Begeisterung der Kunden für die Handarbeit, für den Menschen, der trotz seriellen Fertigung im einzelnen Produkt zu finden ist.

Der Mensch – und seine Kompetenz. Seine Meisterschaft in vielen Dingen, vor allem in seiner Urteilskraft. Wann ist ein Produkt ‚gut‘? Kann das ein Roboter entscheiden?

Das unterscheidet Manufaktur und Industrie. Serielle Fertigung – jedoch in Verantwortung des Menschen und nicht der Vorgabe. Nicht das Fließband, das unnachgiebig weiterläuft. Sondern das Auge und die Entscheidung des Mitarbeiters. Und das ist auch das, was der Kunde will – es sei denn, eine Maschine könnte es besser. Dann wäre der Arbeitsplatz futsch, das ist klar.
Kurzes Fazit: Der Charme der Manufakturen liegt gerade in der arbeitsteiligen Handarbeit und im Erkennen der Handarbeit und des Menschen im Produkt. Das Programmieren von Software kostet noch zuviel Zeit und damit Geld, Drucker sind zu langsam und scheinen – wenn überhaupt – im Prototypenbau interessant. Neue Techniken sind dann interessant, wenn sie neue Möglichkeiten und neue Produkte für die Hersteller eröffnen, das ist klar. Reine Automatisationen laufen dem Manufakturgedanken zuwider und bringen noch nicht mal die körperlichen Entlastungen, die dem Außenstehenden interessant erscheinen (Betriebssport und -yoga erübrigt sich beim Konsumgüterhersteller möglicherweise, wenn man eh körperlich arbeitet und ab und an mal die Halbfertigteile zum Kollegen bringt und die Muskulatur ‚abweichend‘ durchblutet wird). Auch digitale Kundennähe ist beim doch recht häufigen Endkunden-Kontakt in der Regel eher ein Wunsch der Hersteller als der Kunden…
Trotzdem finde ich die Diskussion und die Gedankenspiele interessant. Und auch deshalb veranstaltet der Verband Deutsche Manufakturen alljährlich das „Zukunftsforum Deutsche Manufakturen“… Wer eine Idee zur weiteren Zukunft der Manufaktur-Idee hat, bringe sich ein!

Fotos: Deutsche Manufakturenstraße e. V.

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Hier einige Eindrücke vom 1. Brandenburger Manufakturentag:

Glasmanufaktur von Poschinger zur „Manufaktur des Jahres 2016“ gewählt

24. Juni 2016, Bremen. Der Verband Deutsche Manufakturen e. V. hat wieder die „Manufaktur des Jahres“ gewählt. Ausgezeichnet wurde von der aus neun Manufaktur-Unternehmern bestehenden Jury die Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur e. K. aus dem bayerischen Frauenau. Die Begründung für die Auszeichnung ist die vor 15 Jahren erfolgte Neuausrichtung des Unternehmens von der Sortimentsproduktion auf Sonder- und Spezialanfertigungen. Seit dieser Zeit produziert Poschinger Glasobjekte für diverse internationale Marken, Trophäen für Sport und Wirtschaft, individuelle Einzelanfertigungen für Privat- und gewerbliche Kunden – bevorzugt für Architekten, Designer, Restauratoren und den Denkmalschutz.

Die Freiherr von Poschinger Glasmanufaktur ist die älteste sich noch in Betrieb befindliche Glashütte Deutschlands mit der längsten Familientradition der Welt. Sie fertigt ihr Sortiment und alle Aufträge ausschließlich im eigenen Betrieb. Die Produktion erfolgt in Handarbeit und umfasst die Herstellung von Glas und Gläsern aller Art, für deren zuverlässige Qualität und hohes Niveau 26 Mitarbeiter sorgen.

Über die Jahrhunderte belieferte Poschinger die Fürsten- und Königshäuser Europas, zum Beispiel den russischen Zarenhof, und stattete Kreuzfahrt- und Luftschiffe aus. Neben der Glasherstellung stützt sich das Unternehmen auf die Land- und Forstwirtschaft. Sie spielte bereits in früheren Zeiten eine große Rolle, da der Betrieb damit in der Lage war, die eigene Holzkohle sowie die Pottasche für die Glasschmelze herzustellen.

In seiner Einheit von Manufaktur, Land- und Forstwirtschaft war der Betrieb von Anfang an als autarkes Glashüttengut angelegt – heute das letzte seiner Art. Die einzelnen Wirtschaftsbereiche werden von Betriebsleitern geführt, denen die Gesamtverwaltung unter Leitung von Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau vorsteht. Er führt das Unternehmen seit 2007 in 15. Generation – immer weitergegeben vom Vater an den ältesten Sohn.

Die Freiherrn von Poschinger gehören zu den ältesten Familien in Bayern; bereits 1140 wurde der erste Poschinger urkundlich erwähnt. 1547 verlieh Herzog Albrecht V. den Poschingern das Familienwappen. Indem Joachim Poschinger 1568 das Glashüttengut Zadlershütte bei Frauenau erwarb, begann die mittlerweile fast 450-jährige Geschichte der Poschinger als Glashütten- und Gutsherren im Bayerischen Wald. Die Glashütte in Frauenau und das zugehörige Gut wurden 1605 gekauft. Im Laufe der Jahrhunderte betrieb die Familie Glashütten in Spiegelhütte, Buchenau, Oberzwieselau und Theresienthal.

Nachdem Joachim Poschinger 1568 das Glashüttengut Zwieselau erworben hatte, entwickelte sich die Familie zu einer führenden Größe in der bayerischen Glasherstellung. Prägend hierfür waren besonders Johann Michael II. Reichsritter und Edler von Poschinger, der die heute noch aktive Glashütte 1846 in Betrieb nahm, und der bayerische Senatspräsident Hippolyt Freiherr Poschinger.

Die Globalisierung fordert neue Strategien für die traditionelle Glasherstellung. Um sich in einem von Massenprodukten und Billigimporten überschwemmten Markt zu behaupten, legt das Unternehmen seinen Schwerpunkt verstärkt auf Sonder-, Spezial- und Einzelanfertigungen sowie die Umsetzung individueller Kundenwünsche.

Nach Überzeugung der Jury ist Poschinger ein hervorragendes Beispiel dafür, dass sich auch eine historische Manufaktur mit einem guten wirtschaftlichen Hintergrund ihr Geschäftsmodell immer wieder „neu erfindet“, um nicht zur Liebhaberei zu werden.

Informationen & Ansprechpartner:

Wigmar Bressel, Verband Deutsche Manufakturen, Tel. 0421 – 55 90 6-20

www.deutsche-manufakturen.org

Benedikt Freiherr Poschinger von Frauenau, Tel. 0 99 26 – 9 40 10

www.poschinger.de

Bisherige Preisträger:

Leuchten Manufactur Wurzen (2014), Porzellanmanufaktur Dibbern (2015)

Fotos: Deutsche Manufakturen e. V. / Michael Bode

Einladung zum 8. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen

Sehr geehrte Damen und Herren,

stellen Sie sich vor, Sie würden es schaffen, jedes Jahr 250 000 Besucher in Ihre Manufaktur zu bekommen. Davon 15 000 kaufentschlossene Asiaten auf Europareise. Jeder Besucher zahlt Ihnen fünf Euro Eintritt. Und 100 000 dieser Besucher kaufen auch noch mindestens ein Produkt für fünfzehn Euro – was könnten Sie mit diesen Millionen alles anfangen?

Wir treffen uns zum 8. Zukunftsforum Deutsche Manufakturen am 16. und 17. Juni 2016 bei Ralf Müller in Wolfach im Schwarzwald. Er betreibt dort die Dorotheenhütte, eine Glasmanufaktur, gegründet gleich nach dem 2. Weltkrieg; sowie die Keramikmanufaktur Zeller Keramik aus dem Jahr 1794 (Service „Hahn und Henne“). Seine Manufakturen haben solche enormen Besucherzahlen. Und können dank dieser Produkte erzeugen, die allein vom Vertrieb über den deutschen Einzelhandel kaum existieren könnten. Von diesen Betrieben können wir alle lernen, wie wir unsere Manufakturen noch besser aufstellen und wie wir uns den Individualreisenden auf der Deutschen Manufakturenstraße – die ja auch Kunden sind – öffnen können.

Das Zukunftsforum ist dieses Mal besonders praxisorientiert. Sie sind herzlich eingeladen, im Schwarzwald hemmungslos „abzuschauen“ und nachzumachen.

Programm mit dem Anmeldeformular für das Zukunftsforum mit dem Titel

„Gläserne Manufaktur“

können Sie als PDF von unserer Verbandsseite herunterladen – nutzen Sie die Gelegenheit, bei diesen Betrieben hinter die Kulissen schauen zu dürfen.

Wir laden Sie aber auch wieder ganz herzlich ein zur Verleihung der Auszeichnungen „Manufaktur des Jahres“ sowie „Manufaktur-Produkt des Jahres“. Die Verleihungen der Auszeichnungen des Wettbewerbs 2016 finden im Rahmen des Zukunftsforums am 16. Juni 2016 um 19.00 Uhr im Rathaus in Wolfach statt.

Die Teilnahme an der Abendveranstaltung mit den Preisverleihungen ist frei und unabhängig von der Teilnahme am Zukunftsforum.

Wir freuen uns schon auf Ihre Anmeldung für dieses traditionelle Treffen der Manufakturen-Branche und wünschen Ihnen eine gute Anreise!

Bremen, im Mai 2016

Wigmar Bressel

Hartmut Gehring

– Vorstand –

Fotos: Wigmar Bressel

 

Einladung zur Bewerbung um das „Manufaktur-Produkt des Jahres 2016“

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Verband Deutsche Manufakturen e. V. lobt im Rahmen der Maßnahmen zur allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit für die deutschen Manufakturen den Preis »Manufaktur-Produkt des Jahres 2016« aus. Sie sind herzlich eingeladen, sich mit neuen Produkten, die von Ihnen in den Jahren 2015 und 2016 auf den Markt gebracht wurden und werden, um diesen Preis zu bewerben.
Ihre Manufakturprodukte sind in Ihrer Branche herausragend, zeigen die Kompetenz Ihres Unternehmens und sind Teil Ihrer Marke. Nutzen Sie für sich die Marketing-Vorteile für den deutschen und die internationalen Märkte, die Sie mit einer Auszeichnung als Gewinner oder Nominierter erlangen.

Die Jury besteht wieder aus bekannten Persönlichkeiten der Manufakturen-Szene:

Ben Dibbern, PORZELANMANUFAKTUR DIBBERN
Pascal Johanssen, DIE WELTTOURNEE DER DEUTSCHEN MANUFAKTUREN
Andrej Kupetz, RAT FÜR FORMGEBUNG – GERMAN DESIGN COUNCIL
David Pohle, HERAUSGEBER DER ZEITSCHRIFT Sehnsucht Deutschland
Klaus-Peter Piontkowski, HERAUSGEBER DER ZEITSCHRIFTEN Genuss Professional UND Genuss Pur
Olaf Salié, DEUTSCHER MANUFAKTURENFÜHRER

Teilnahmebedingungen zum »Manufaktur-Produkt des Jahres«
– Die Ausschreibung erfolgt sowohl öffentlich (Internet etc.) als auch auf Einladung (e-Mail, Brief).
– Die Teilnahme erfolgt durch Einreichung eines Produktes. Es dürfen auch mehrere Produkte eingereicht werden – diese werden jeweils als eigener Antrag behandelt. Das Produkt muss im Jahr 2015 oder 2016 in den Markt eingeführt worden sein.
– Das Produkt muss von einer Manufaktur in Deutschland produziert worden sein, die folgende Kriterien erfüllt:
Sitz und Produktionsort in Deutschland, inhabergeführt (keine Konzerntochter), zwischen 5 und 200 Mitarbeiter groß, Handarbeitsanteil mindestens 50 %, Wesentlichkeit des Produktes (kein Zulieferteil)
– Das eingereichte Produkt muss neu auf dem Markt sein; es kann sich auch um eine neue, besondere Ausführung handeln.
– Das Produkt, inklusive einer schriftlichen Beschreibung sowie mindestens ein Produktfoto, muss bis zum 30.05.2016 vorliegen.
– Die Anmeldegebühr beläuft sich pro Produkt auf € 150,00 zzgl. USt. Die Teilnehmer erhalten nach ihrer Anmeldung eine Rechnung über diesen Betrag. Dieser muss bis zum 30.05.2016 überwiesen sein (Eingang auf dem Konto des Veranstalters).
– Das in einem teilanonymisierten schriftlichen Verfahren durch die Jury gewählte Sieger-Produkt erhält die Auszeichnung MANUFAKTUR-PRODUKT DES JAHRES 2016; die bis zu fünf nächstplatzierten Produkte werden in die Shortlist zum Wettbewerb aufgenommen und erhalten darüber eine Auszeichnung mit dem Titel NOMINERT.
– Die Auszeichnung erfolgt im Rahmen des 8. Zukunftsforums Deutsche Manufakturen am 16.06.2016 im Rathaus der Stadt Wolfach.
– Die werbliche Nutzung der Auszeichnung auf dem Produkt/der Produktverpackung ist nach der Prämierung für € 250,00 zzgl. USt. möglich.
– Es besteht kein Rechtsanspruch auf Auszeichnung.

Checkliste für Ihre Bewerbung um das »Manufaktur-Produkt des Jahres 2016«
Teilnahmeberechtigt sind vom Hersteller eingereichte Produkte aus deutscher Manufaktur.
Die Definition für »Manufaktur« und die Rahmenbedingungen für diesen Wettbewerb sind folgende:

– Der Hersteller versteht sich selbst als Manufaktur.
– Er hat seinen Unternehmenssitz in Deutschland.
– Er produziert sein Produkt ausschließlich selbst in Deutschland.
– Das Produkt ist wesentlich – und kein Teilprodukt in der Zulieferung.
– Die Manufaktur verfügt über mindestens fünf und maximal 200 Mitarbeiter.
– Die Manufaktur ist inhabergeführt und keine Konzerntochter.

Die Bewerbung ist formlos an folgende Adresse zu mailen:
info[a]deutsche-manufakturen.org
Beizufügen ist mindestens ein Produktfoto.
Das Produkt ist im Original an folgende Adresse zu senden:

Deutsche Manufakturen e. V.
z. Hdn. Herrn Wigmar Bressel
Kirchweg 200
28199 Bremen

Im Bewerbungsschreiben sind Aussagen zu folgenden Punkten zu treffen:
– Name und Adresse der Manufaktur
– Homepage
– Ansprechpartner und dessen eMail-Adresse
– Mitarbeiterzahl des Unternehmens
– Gründungsjahr des Unternehmens
– Name des Produkts
– Markteinführungsjahr
– Märkte, auf denen das Produkt angeboten und vertrieben wird
– Gibt es eine Innovation? Was ist das Besondere oder Neue des Produkts?
– Verkaufspreis uvp.

Nach der Einreichung erhält der Einreicher eine Rechnung über € 150,00 zzgl. 19 % USt. Diese ist bis zum 30.05.2016 zu begleichen (Eingang auf dem Veranstalterkonto). Produkte, für die die  Teilnahmegebühr nicht gezahlt wurde, nehmen am Wettbewerb nicht teil und werden unfrei an den Einreicher zurückgeschickt.
Die Rücksendung der Produkte erfolgt frei nach Beendigung des Wettbewerbs. Die Produkte sind während der Zeit des Wettbewerbs vom Veranstalter gegen übliche Gefahren versichert.
Der Einreicher gestattet dem Veranstalter Deutsche Manufakturen e. V. unentgeltlich und zeitlich uneingeschränkt die Nutzung von Bildmaterial und die Abbildung der Produkte im Rahmen der Medienarbeit zum Wettbewerb, zur Präsentation vor Journalisten, auf Portalen wie z. B. Facebook, im Internet sowie im Rahmen der Dokumentation des Wettbewerbs.
Die Preisträger erhalten die Möglichkeit, gegen Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von € 250,00 zzgl. 19 % USt., die unbegrenzten werblichen Nutzungsmöglichkeiten des entsprechenden Siegels zu erwerben.